Karlsruhe trifft sich in Krasnodar. Rund um das Stadtfest zum 223. Geburtstag der russischen Partnerstadt am vergangenen Wochenende hatten sich gleich mehrere Karlsruher Gruppen nach Krasnodar aufgemacht – um im Bildungs- und im Gesundheitswesen oder in der wirtschaftlichen Zusammenarbeit gemeinsam Erreichtes zu würdigen und weiter auszubauen, neue Vorhaben anzugehen sowie im direkten Kontakt mit der Bürgerschaft die Partnerschaft mit Leben zu erfüllen.
„Trotz angespannter politischer Großwetterlage gedeiht unsere partnerschaftliche Zusammenarbeit“, hieß Krasnodars Oberbürgermeister Vladimir L. Evlanov, erst vor zwei Wochen in die staatliche Duma gewählt, vergangenes Wochenende beim Stadtgeburtstags-Empfang die Delegationen aus den mit Krasnodar befreundeten Städten in der Kuban-Metropole willkommen.
„Mit persönlichen Begegnungen wollen wir einen Beitrag zum Verständnis und Frieden leisten“, war sich denn auch Erster Bürgermeister Wolfram Jäger mit den russischen Gastgebern einig. „Die Volksdiplomatie ist wichtiger als die Diplomatie zwischen den Ländern“, fügte OB Evlanov vor den Delegationen aus Karlsruhe, Harbin (China), Burgas (Bulgarien), Suchun (Abchasien), Eriwan (Armenien), aus Nancy, dessen Partnerschaft sich über die Karlsruher Städteverbindung entwickelte, sowie Wels (Österreich) an.
Neue erfolgversprechende Wirtschaftskontakte
Von der auf breiter Basis gelebten Freundschaft Krasnodars mit Karlsruhe zeigte sich Thomas Huber, Regionalbeauftragter der Deutschen Botschaft in Moskau für Krasnodar, angetan. Seine Überzeugung: Die vor 24 Jahren besiegelte Städtepartnerschaft „ist ein fachlicher und menschlicher Gewinn“.
Neben der Stadt-Delegation mit EB Jäger sowie den Stadträten Jan Döring (CDU), Michael Zeh (SPD), Michael Borner (GRÜNE), Max Braun (KULT) und Karl-Heinz Jooß (FDP) als Repräsentanten des Karlsruher Gemeinderats waren zeitgleich Vertreter mehrerer Schul-Kooperationsprojekte – aus Otto-Hahn-Gymnasium, Heinrich-Hübsch-Schule und Walter-Eucken-Schule – sowie Vertreter der Stadtwerke Karlsruhe und Derd Antal vom Städtischen Klinikum, der den Austausch von Pflegekräften und Ärzten betreut, vor Ort.
Eine Wirtschaftsdelegation wiederum mit Verantwortlichen von Telemaxx und Cyberforum, Technologiefabrik Karlsruhe sowie IHK und städtischer Wirtschaftsförderung knüpfte mit Vertretungen aus Wirtschaft- und Hochschulwesen sowie IT-Technologien neue erfolgversprechende Kontakte. Die Freundschaftsgesellschaft Karlsruhe-Krasnodar (FG) legte ihre Bürgerreise auf das Stadtfest-Wochenende – und steuerte mit der Backaktion rund um Stadtrat Karl-Heinz Jooß (FDP) mit Laugenbrezeln und süßem Hefegebäck einen Karlsruher Klassiker zum Stadtfest bei.
Wesentliche Programmpunkte unter Beteiligung der Karlsruher Gruppen
Wirtschaftsgespräche: Binationaler Austausch zu Gründerzentren und IT
Karlsruhes Stärken in IT und Digitalisierung, Energie und Mobilität standen für Ralf Eichhorn von der städtischen Wirtschaftsförderung im Fokus von Fachgesprächen der Wirtschaftsdelegation mit dem Ziel, Kontakte zu knüpfen und gemeinsame Vorhaben auszuloten. Präsentiert wurden Gründerzentren, das Cyberforum als größtes europäisches Netzwerk, das regional tätig ist, und weitere „smarte Infrastruktur“ aus der Fächerstadt für ein Gedeihen von IT-Firmen. Diese mit den Potentialen Krasnodars zusammenzubringen könnte der Nährboden für ein noch zu knüpfendes gemeinsames enges Netzwerk sein, resümiert Eichhorn. Denkbar sei etwa ein binationaler Austausch im Gründerbereich zu Konzepten und auch Firmen aus Gründerzentren. Zudem könnten im Bildungssektor Austauschprogramme für Studierende den gemeinsamen Weg verbreitern. Eine gute Gelegenheit bietet der Gegenbesuch aus Krasnodar in einem Monat. „Für interessierte Karlsruher Unternehmen besteht die Möglichkeit, am 27. Oktober Kontakte in die Partnerstadt zu knüpfen“, informiert Eichhorn.
Telemaxx steht für Know-how für Aufbau eines regionalen Rechenzentrums
Beflügelt vom erklärten staatlichen Ziel, die regionale Wirtschaft in Russland stärker zu forcieren, stieß Horst Dieter Kettermann, Geschäftsführer der Telemaxx GmbH, in Gesprächen mit dem Direktor des Departments der Region Krasnodar, Igor Skobelew, und seinem Team, dem IT-Leiter der Stadt Krasnodar, Evgeni Prochorow, sowie dem Geschäftsführer eines örtlichen Rechenzentrums sowie Studierenden der Technischen Universität auf großen Kooperationswillen. Ein Anknüpfungspunkt: Telemaxx, die Antwort der TechnologieRegion Karlsruhe auf global agierende Telekommunikationszentren und Rechenzentren für die regionale Wirtschaft, könnte zusammen mit dem ebenfalls vorgestellten Cyberforum und anderen Netzwerk-Partnern wichtiges Know-how für den Aufbau eines Rechenzentrums für die Region Krasnodar einbringen. Auch Besuche eines modernen Bürgerbüros der Stadt Krasnodar oder eines IT-Parks sowie Gespräche mit dem dortigen Geschäftsführer Anton Tchentchenko und Start-up-Unternehmen festigten den Eindruck erfolgversprechender Projekte und Kooperationen, zu denen nach Gesprächen mit Verantwortlichen und Studierenden an Hochschulen auch Studentenaustausch und Praktika für russische Studierende in Karlsruhe zählen könnten, so Kettermann am Ende eines straffen Austauschprogramms.
Europäische Business-Schule: Erfolgsmodell Internationalisierung
Ein Erfolgsmodell ist zehn Jahre nach ihrer Gründung die Europäische Business-Schule (EBS) in Krasnodar für die internationale Qualifizierung von Studierenden. Von der Walter-Eucken-Schule sowie der Fakultät für Germanistik der Staatlichen Kuban Universität auf den Weg gebracht und seither mit Unterstützung der Freundschaftsgesellschaft (FG) mit Leben erfüllt. „Die Zusammenarbeit der Karlsruher Berufsschule mit der Hochschule ermöglicht Schülern und Studierenden, Deutsch zu lernen und sich zusätzliche Qualifikationen und Kompetenzen für die Arbeitswelt durch Praktika bei mittlerweile rund 25 Unternehmen Zusatzqualifikationen anzueignen“, hob EB Jäger die Bedeutung der EBS hervor. „Wir wollten unsere Verbindungen auf Austausch-Ebene in eine Internationalisierungsstrategie einmünden lassen“, betonte Manfred Czychi, früherer Rektor der Walter-Eucken-Schule, beim dritten Russisch-Deutschen Kongress „Wirtschaft und Bildung“ vor Wegbegleitern der Business-Schule, Studierenden und Gästen aus Politik anlässlich „10 Jahre EBS“ und „45 Jahre internationale Tätigkeit der Kuban-Universität“. Das Ziel sei, junge Menschen zu qualifizieren, ihren Horizont zu erweitern – und dies in einem strukturierten Prozess einschließlich Evaluation und Qualitätsmanagement, fügte Dr. Sergei Bychkov, Koordinator der EBS-Projekte und selbst EBS-Absolvent, hinzu.
Humanitärtechnologisches College Krasnodar: Startschuss für Dualen Ausbildungslehrgang nach deutschem Vorbild
Ein weiteres deutsch-russisches Projekt mit starker Karlsruher Beteiligung ging in Anwesenheit der Karlsruher Delegation am Humanitärtechnologischen College Krasnodar an den Start: Die Werkstatt für Fliesen- und Mosaikleger, die am vergangenen Freitag feierlich eröffnet wurde. Sie markiert den Beginn einer komplett reformierten Berufsausbildung. Der erste Duale Ausbildungsgang nach deutschem Vorbild geht auf die langjährige und fruchtbare Zusammenarbeit mit der Heinrich-Hübsch-Schule zurück – mit Austausch von Lehrkräften und Meistern in der jeweils anderen Stadt. Und habe, so EB Jäger, unter anderem mit der Eberhard-Schöck-Stiftung (Baden-Baden) und wiederum der FG weitere Wegbereiter gefunden.
Badische Brezel für Stadtfest-Besucher
Mit Selbstbewusstsein und Stolz auf ihre Stadt feierten die Menschen am Wochenende ihr Stadtfest auf mehreren Plätzen und Bühnen in der Stadt – folkloristisch und modern, bunt und lebensfroh. Vom Reichtum der Kultur, von Traditionen und Küche der vielen in Krasnodar beheimateten Völker ließ sich auch die Karlsruher Gruppe gerne anstecken. Und gab den gastfreundlichen Krasnodarern mit den aus rund 40 Kilogramm Teig geschlungenen Brezeln ein klein wenig an empfangener Gastfreundschaft zurück. In seinem Bordgepäck hatte Karl-Heinz Jooß nicht nur seine Bäckerschürze dabei, sondern auch den „Brezelschießer“. Um zusammen mit seinem Bäckermeisterkollegen Jakob Haag mit der typisch badischen Spezialität die Stadtfestbesucher zu erfreuen.
Wie sehen Jugendliche aus Krasnodar, Nancy und Karlsruhe ihre Stadt?
Wie sehen Jugendliche aus Krasnodar, Nancy und Karlsruhe ihre Stadt? Eine Ausstellung auf dem Rathausplatz zeigt die Ergebnisse der Foto-Pirsch durch die drei Partnerstädte. Am Sonntag, dem zweiten Tag des Stadtfests, der traditionell der Jugend gehört, wurde die trinationale Ausstellung auf dem Rathausplatz in Krasnodar eröffnet. Anfang Oktober ist sie in Nancy zu sehen. Im Foyer des Karlsruher Rathauses dann ab Ende Oktober bis Mitte November – bei der Eröffnung im Beisein der nächsten Krasnodar-Delegation.
Bürgerauszeichnung für Christa Köhler
Christa Köhler, Vorstandsmitglied der Freundschaftsgesellschaft Karlsruhe – Krasnodar und in Krasnodar von der ersten Stunde an engagiert, erhielt aus den Händen von OB Evlanov und der Vorsitzenden der städtischen Duma, Vera Galushko, den „Bürgerpreis“. Aus mehreren vorgeschlagenen Personen, die sich in besonderem Maße um Krasnodar kümmern, hatte die Bürgerschaft sich für die CDU-Altstadträtin und engagierte Mitstreiterin im Freundeskreis ausgesprochen. „Christa Köhler ist ein lebendiges Symbol für unsere Freundschaft“, würdigte OB Vladimir L. Evlanov das verbindende Engagement der Karlsruherin.
„Wir haben die Freundschaft für die Zukunft gerüstet“
„Wir haben unsere Freundschaft gefestigt und für die Zukunft gerüstet“, verabschiedete Erster Bürgermeister Wolfram Jäger sich in Krasnodar für die Karlsruher Delegation nach herzlichen wie auch intensiven Tagen des Austauschs. „Abseits bundespolitischer Konflikte sollten wir uns mit Kommunen auf der ganzen Welt vernetzen und bestehende Kontakte pflegen“, pflichtete Stadtrat Max Braun ihm bei, der, wie Stadtrat Jan Döring, zum ersten Mal die Partnerstadt besuchte. Beide „Krasnodar-Neulinge“ waren von der von Gastfreundlichkeit geprägten Reise angetan. „Sie lässt mich“, so Braun bei der Rückreise am Montag (26. September), „optimistisch in die Zukunft unserer Freundschaft blicken“. „Ich bin überrascht wie intensiv und umfangreich die Zusammenarbeit zwischen beiden Städten ist“, fügte Döring an. Umso erstaunlicher sei es, dass ein großer Teil der Karlsruher so wenig von dieser beispielhaften Partnerschaft mitbekommen, meinte er – und ließ für sich gleich Taten folgen. Noch in Krasnodar wurde er Mitglied der Freundschaftsgesellschaft Karlsruhe-Krasnodar, um sich künftig für die Städtepartnerschaft zu engagieren.