Bad Dürkheim – Am 23. Juni 2016 wurde es entschieden. Mit einer sehr knappen Mehrheit stimmten die Bürger Großbritanniens für einen Austritt aus der EU. Was dieses Ergebnis für Konsequenzen mit sich bringt, insbesondere in Bezug auf die Reisefreiheit und Freizügigkeit beim Wohnen und Arbeiten in anderen EU-Ländern, kann noch niemand sagen. Daher beschließen viele Briten im europäischen Ausland, sich einbürgern zu lassen. Auch im Landkreis Bad Dürkheim ist die Zahl der Einbürgerungen von Briten stark gestiegen.
Von 2012 bis 2016 wurden lediglich zwei britische Bürger vom Amt für Migration und Integration eingebürgert. Seit die Entscheidung zum Brexit gefallen ist, gingen bereits zwischen zehn und 15 Anträge bei Anja Wabner, der zuständigen Sachbearbeiterin, ein. Dabei geht es vor allem um Sicherheit. Caroline Simpson aus Erpolzheim ist beunruhigt durch die Fragen, die der Brexit aufwirft. Die Gesangslehrerin, Übersetzerin und freiberufliche Autorin ist vor 23 Jahren über eine Bekanntschaft nach Deutschland gekommen.
„Dann habe ich einen schönen Job gefunden und sehr nette Leute kennengelernt. Da hab ich mir gedacht: Hier kann man gut leben.“
Um auch weiterhin sicher in ihrer zweiten Heimat bleiben zu können, hat Simpson die Einbürgerung beantragt.
„Durch den Brexit weiß ich nicht, was sich in der Zukunft noch ändert.“
Claire Barker-Dittmann kam 2001 wegen ihres Mannes nach Deutschland und lebt heute in Grünstadt. Da sie aus einem EU-Land stammte, sei eine Einbürgerung wie bei vielen anderen zuvor nie ein Thema gewesen. Das ist jetzt anders.
„Ich will hier bleiben, ich arbeite hier, mein Leben ist hier.“
Sie möchte sicher sein, dass das auch so bleiben kann. Barker-Dittmann, die aus einem kleinen Fischerdorf in der Nähe von Dover stammt, fühle sich in Deutschland sehr wohl.
„Ich war aber immer stolz auf mein Heimatland, was in letzter Zeit leider weniger geworden ist.“
Der Schotte John Farquharson verspricht sich von einer Einbürgerung in erster Linie Klarheit:
„Kein Wenn und Aber und Fragezeichen“.
Farquharson, der heute in Weisenheim am Berg wohnt, ist in Bonn geboren, in Frankreich aufgewachsen, hat ein Internat in England besucht, in Oxford studiert und bereits auf der ganzen Welt, unter anderem in Spanien, Finnland, China und der Schweiz, gearbeitet.
„Ich möchte nicht mehr über Arbeits- und Aufenthaltserlaubnisse nachdenken müssen.“
Er habe eine Einbürgerung bisher nicht für nötig gehalten, doch die Entscheidung des Volksreferendums hinterlasse eine ungewisse Lage.
„Warum sollte ich diese Unsicherheit erdulden?“
Farquharson lebt seit fast 30 Jahren in Deutschland, hat hier eine Familie, eine Frau und zwei Kinder – ein Zuhause. Ausschlaggebend für seinen Antrag war zudem das unkompliziertere Verfahren bei einer Einbürgerung ab 60 Jahren:
„Das war stark vereinfacht, einige Schritte waren nicht nötig, ich musste zum Beispiel keinen Deutschtest machen“.
Darüber, was sie von der Entscheidung zum Brexit halten, sind sich alle einig.
„Das war ein Riesenfehler“,
sagt Simpson. Sie ist sich sicher, würde es heute ein zweites Referendum geben, würde das Ergebnis ganz anders ausfallen. Sie selbst habe wie viele andere Briten im Ausland nicht die Chance gehabt, mitabzustimmen, da Bürger Großbritanniens, die mehr als 15 Jahre im Ausland leben, ihr Wahlrecht verlieren.
Doch nicht nur die unsichere Zukunft spricht für eine Einbürgerung.
„Ich bin seit 23 Jahren in Deutschland. Das ist eine sehr lange Zeit und ich fühle mich gar nicht mehr als Ausländerin, das ist jetzt meine Heimat“,
sagt Simpson. Wie die anderen möchte Barker-Dittmann zwar ihren Pass nach Möglichkeit behalten, doch letztendlich sei auch ihr Leben hier.
„In dieser Gegend sowieso – die ist wunderschön.“
Auch Farquharson fühlt sich mental Deutschland zugehörig.
„Deutschland hat Grundwerte, die ich voll und ganz teile – es gibt guten Grund, stolz zu sein, Deutscher zu sein.“
Daher identifiziere er sich sehr mit seiner neuen Heimat.
„Wenn Sie mich fragen würden, ob ich meinen Ruhestand stattdessen in England oder Schottland verbringen wollte, würde ich ganz klar ‚Nein‘ sagen.“
Zur Sache: „Ja“ zur Einbürgerung
„Eine Einbürgerung ist einfacher zu bekommen als viele denken.“
Anja Wabner ermuntert jeden, sich darüber zu informieren. Vorteile seien neben der Reisefreiheit und der Möglichkeit, sich in jedem EU-Land niederzulassen, auch die freie Berufswahl, die besonders für Richter, Beamte und Ärzte eine Rolle spielt. Zudem seien deutsche Bürger wahlberechtigt und könnten sich auch selbst politisch engagieren und gewählt werden. Auch für Personen, die aus einem anderen EU-Land stammen, könne eine Einbürgerung sinnvoll sein.
„So lassen sich häufig Wege zum jeweiligen Konsulat oder zur Botschaft sparen.“
Da eine Einbürgerung von vielen verschiedenen Bedingungen abhängt, sollte man sich nicht scheuen, sich direkt beraten zu lassen. Bei vielen Herkunftsländern, auch „Nicht-EU-Ländern“, ist es möglich, seine Staatsangehörigkeit beizubehalten. Zudem gibt es einige Vergünstigungen: So haben Menschen ab einem Alter von 60 Jahren, die bereits seit 20 Jahren in Deutschland leben und seit zehn Jahren in die Rentenversicherung einzahlen, erleichterte Chancen, eingebürgert zu werden. Diese Gruppe betrifft besonders ehemalige Gastarbeiter aus der Türkei, Italien und Griechenland. Etwa 250 davon wurden bereits direkt vom Landkreis angeschrieben, um auf die Vergünstigungen hinzuweisen, es leben jedoch weit mehr Personen im Kreis, für die diese Vorteile ebenfalls gelten.
Die Gebühr für eine Einbürgerung beträgt 255 Euro. Kostenlose Beratungsgespräche können jederzeit nach Terminabsprache mit Anja Wabner vom Amt für Migration und Integration erfolgen: Tel. 06322/961-3101, E-Mail: anja.wabner@kreis-bad-duerkheim.de.