Kaiserslautern – Ob Stuttgart 21 oder der Hauptstadt-Flughafen BER – Kostenexplosionen bei öffentlichen Vorhaben stellen keine Ausnahme mehr dar, sondern die Regel. Nicht nur auf Bundesebene sorgen sie regelmäßig mit überschrittenen Budgets und überzogenen Fristen für Schlagzeilen, auch regional gibt es umstrittene Vorhaben. Wie sich solche Projekte auf die regionale Wirtschaft und Gesellschaft auswirken, haben Wirtschaftswissenschaftler um Dr. Timo Braun und die Forschergruppe von Professor Dr. Gordon Müller-Seitz an der TU Kaiserslautern untersucht. Wichtig sei unter anderem, den gesellschaftlichen Mehrwert solcher Projekte deutlicher aufzuzeigen, so die Forscher. Erste Untersuchungsergebnisse werden in der Fachzeitschrift „Journal of Competence-based Strategic Management“ erscheinen.
Wie hat sich die Fußballweltmeisterschaft 2006 rückblickend auf den Austragungsort Kaiserslautern ausgewirkt? Hat sich der Bau des Einkaufszentrums „K“ für Kaiserslautern bezahlt gemacht? Was sagen die Pfälzer zu den Kosten des neuen Militärkrankenhauses in Landstuhl? Wie wirken sich solche Vorhaben auf die Gesellschaft aus? Mit diesen Fragen haben sich die Wirtschaftswissenschaftler vom Lehrstuhl für Strategie, Innovation und Kooperation der TU Kaiserslautern im Rahmen eines aktuellen Forschungsprojekts beschäftigt.
Sie haben Großbauprojekte der vergangenen Jahre in Kaiserslautern und Umgebung genauer unter die Lupe genommen. Dabei haben sie unter anderem untersucht, ob Strategien, wie sie Unternehmen bei Projekten einsetzen, auch bei organisationsübergreifenden Kooperationen zwischen privatwirtschaftlichen und verschiedenen öffentlichen Einrichtungen sinnvoll sind. „Unser Hauptaugenmerk lag auf den sogenannten dynamischen Fähigkeiten der an Großprojekten beteiligten Organisationen“, sagt Timo Braun. „Der Begriff beschreibt, wie flexibel Organisationen auf Änderungen in ihrer Umwelt reagieren. Dabei geht es unter anderem darum, wie gut sie sich auf variierende Kooperationspartner und andere Interessensgruppen wie etwa Bürgerinitiativen einstellen.“ Diese Fähigkeit erscheint bei solchen Großvorhaben besonders wichtig, wie die Forscher in ihrer Studie feststellen.
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass Großprojekte häufig eine sehr hohe Komplexität aufweisen“, so Braun. „Diese entsteht dadurch, dass nicht eine einzige Organisation für solche Projekte verantwortlich ist. Vielmehr kollaborieren eine ganze Reihe an privatwirtschaftlichen Unternehmen, öffentlichen Organisationen und Verwaltungen.“ Dieser ohnehin schon anspruchsvolle Prozess werde etwa durch die Einflussnahme von Interessensgruppen und Bürgerinitiativen noch weiter erschwert. Um auch die Gesellschaft vom Vorhaben zu überzeugen, sei es in vielen Fällen ratsam, darzulegen welchen Mehrwert ein Projekt für die Bevölkerung habe. Beim Bau des neuen Einkaufszentrums und des Krankenhauses seien zum Beispiel neue Arbeitsplätze entstanden oder durch die Austragung der WM-Spiele sei im Vorfeld die Verkehrsinfrastruktur erneuert, Parkplätze gebaut und Infrastruktur für den Tourismus geschaffen worden. „Das Gelingen einzelner Großvorhaben hängt stark davon ab, welche Unternehmen und Einrichtungen beteiligt sind und wie die Kommunikation und Organisation zwischen ihnen verläuft“, so Braun weiter. Dies sei im Hinblick auf die Einhaltung von Budgets und Fristen entscheidend. „Klappt das Zusammenspiel der Organisationen nicht richtig, ist das Risiko viel größer, dass das Vorhaben scheitert oder die Kosten aus dem Ruder laufen“, ergänzt Braun.
Erste Ergebnisse aus dem laufenden Forschungsprojekt erscheinen in Kürze in der Fachzeitschrift „Journal of Competence-based Strategic Management“:
Puderbach, S./Braun,T./Müller-Seitz,G./Danner-Schröder,A. (2016): Managing Dynamic Capabilities of Cities? From a Firm-based towards an Issue-based View of Dynamic Capabilities.
Braun forschte bis vor Kurzem an der TU Kaiserslautern. Nun hat er eine Juniorprofessur für Projektmanagement an der Freien Universität Berlin inne. Er wird sich weiterhin dem Scheitern von Großprojekten widmen. Hier möchte er künftig insbesondere sozialwissenschaftliche Aspekte untersuchen, beispielsweise wie Großprojekte gesellschaftliche Kontroversen über deren Sinn oder Unsinn auslösen, etwa die Bewerbung um die Olympischen Spiele in München und Hamburg. Darüber hinaus wird er sich in seiner Arbeit mit der Gründung von Start-ups in Forschung und Lehre beschäftigen.