Stuttgart muss wegen fehlenden Kitaplatzes Mehrkosten für privaten Platz erstatten

Stuttgart – Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Urteil vom 8. Dezember 2016 entschieden, dass die Landeshauptstadt Stuttgart dem Kläger, einem 4-jährigen Kind, die Mehrkosten für einen selbstbeschafften Betreuungsplatz erstatten muss, da sie ihm 2013 und 2014 keinen Platz in einer städtischen Tageseinrichtung zur Verfügung stellen konnte.

Die Eltern des 2012 geborenen Klägers meldeten diesen gut zwei Monate nach dessen Geburt bei der Landeshauptstadt Stuttgart (Beklagte) für einen Kitaplatz ab dem 1. Lebensjahr an. Da die Beklagte keinen Betreuungsplatz anbieten konnte, brachten die Eltern ihn von Januar 2013 bis November 2014 in einer privaten Kinderkrippe unter. Die im Zeitraum August 2013 (Zeitpunkt des Inkrafttretens des Rechtsanspruchs auf einen Kitaplatz) bis November 2014 dadurch entstandenen Mehrkosten machte der Kläger, vertreten durch seine Eltern, beim Verwaltungsgericht Stuttgart geltend. Dieses verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von insgesamt 5.620 € zuzüglich Zinsen und stellte zudem fest, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres auch die weiteren Kosten für seine Unterbringung in seiner privaten Kinderkrippe in Stuttgart zu erstatten, soweit diese die Kosten überschreiten, die bei einer Unterbringung in einer städtischen Tageseinrichtung entstehen würden, solange dem Kläger kein zumutbarer Platz in einer städtischen Tageseinrichtung oder in der Kindertagespflege durch die Beklagte bereitgestellt wird.

Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts hat sich die Beklagte mit der vom VGH zugelassenen Berufung gewandt. Die Berufung hatte überwiegend keinen Erfolg. Der VGH legt seiner Entscheidung – wie schon das Verwaltungsgericht – zugrunde, dass das bloße „Versorgtsein“ mit einem Betreuungsplatz in einer privaten Kindertagesstätte zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Rechtsanspruchs aus § 24 Abs. 2 SGB VIII die Träger der Jugendhilfe nicht davon entbindet, die zu betreuenden Unter-Dreijährigen in den Kreis der Anspruchsberechtigten einzubeziehen. Auch der Umstand, dass die Landeshauptstadt öffentliche Mittel für den Betrieb privat-gewerblicher Tageseinrichtungen zur Verfügung stellt und so mittelbar dazu beiträgt, dass solche Betreuungsplätze neben jenen in städtischen Kindertagesstätten zur Verfügung stehen, führt für sich genommen nicht zur Erfüllung des Rechtsanspruchs auf frühkindliche Förderung. Der VGH geht ferner davon aus, dass der Kläger aufgrund der Umstände des zu entscheidenden Falles nicht verpflichtet war, die Verschaffung eines Betreuungsplatzes durch die Stadt Stuttgart im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes „einzuklagen“. Die Aufwendungen für den vom Kläger selbst beschafften (wohnortnahen) Betreuungsplatz in der privaten Kindertagesstätte „Early Bird Club“ in Stuttgart hält der VGH deshalb dem Grunde nach entsprechend den Grundsätzen des § 36a Abs. 3 SGB VIII für erstattungsfähig. Von den monatlichen Betreuungskosten muss der Kläger sich aber grundsätzlich abziehen lassen, was er auch in einer städtischen Kindertagesstätte aufgewandt hätte. Für ein unwirtschaftliches Verhalten des Klägers – etwa eine Luxusbetreuung – sah der VGH im zu entscheidenden Fall keine hinreichenden Anhaltspunkte. Eine Korrektur des verwaltungsgerichtlichen Urteils war lediglich in Bezug auf einzelne Aufwendungen des Klägers in Höhe von 330 € veranlasst.

Die Revision wurde nicht zugelassen. Diese Entscheidung kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden (Az.: 12 S 1782/15).

Hinweis

§ 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII lautet:
„Ein Kind, das das erste Lebensjahr vollendet hat, hat bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege.“

§ 36a Abs.3 Satz 1 SGB VIII lautet:
„Werden Hilfen…vom Leistungsberechtigten selbst beschafft, so ist der Träger der öffentlichen Jugendhilfe zur Übernahme der erforderlichen Aufwendungen nur verpflichtet, wenn
1. der Leistungsberechtigte den Träger der öffentlichen Jugendhilfe vor der Selbstbeschaffung über den Hilfebedarf in Kenntnis gesetzt hat,
2. die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe vorlagen und
3. die Deckung des Bedarfs
a) bis zu einer Entscheidung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe über die Gewährung der Leistung oder
b) bis zu einer Entscheidung über ein Rechtsmittel nach einer zu Unrecht abgelehnten Leistung  keinen zeitlichen Aufschub geduldet hat.“