Rhein-Neckar-Kreis – Lebkuchen und Spekulatius im September, auch Schokonikoläuse bereits lange vor dem Advent, in unserer eiligen Zeit ist dann vieles, wenn die wirklich heilige Zeit beginnt alltäglich und gewöhnlich.
Trotz aller Hektik aber hat das Jahr in den Tagen um Weihnachten noch immer einen besonderen Reiz, der sich in verschiedenen Bräuchen ausdrückt, von denen einige kaum noch zu finden sind, andere sich aber bewahrt und sogar intensiviert haben.
Wie überall Weihnachtsmärkte stattfinden, fehlt es in den 54 Städten und Gemeinden des Kreises nicht an einer Weihnachtsbeleuchtung. Die eigentlichen Lichter in der Weihnachtszeit, das waren die Kerzen am Adventskranz und später am Weihnachtsbaum, die an Jesus erinnern. Er ist das Licht der Welt, seine Geburt feiern wir ja zu Weihnachten. Er hat einen Weg gezeigt, wie es wärmer werden kann im Leben und heller für die, die im Dunkeln sitzen. Das mag heute kaum noch einer, und deshalb schmücken viele Menschen ihre Häuser mit Lichterketten, hängen Sterne in die Fenster und wollen, wie schon seit Jahrzenten, nicht auf einen Adventskranz verzichten. Überall werden Advents- und Weihnachtsfeiern abgehalten, in Betrieben, Firmen und Vereinen, selbst wenn dort heute kaum noch die ehemals oft üblichen Theaterstücke und Verlosungen stattfinden oder gar im zweiten Teil des Abends das Tanzbein geschwungen wird.
Wichtig ist ihnen die Gemeinschaft, denn Weihnachten führt Menschen zusammen. Das wird besonders spürbar in den Gottesdiensten am Heiligen Abend und den Feiertagen. Auch wer in der säkular gewordenen Welt sonst eher nicht zur Kirche geht, lässt sich dort anrühren. In vielen Gemeinden ist es üblich, dass am Schluss des Gottesdienstes die Leute aufstehen und zusammen „Stille Nacht, heilige Nacht“ beziehungsweise „Oh du fröhliche, oh du selige, gnadenbringende Weihnachtszeit“ singen. Da spüren sie, dass sie nicht allein sind, sondern zu der einen Christenheit gehören, die nicht evangelisch ist, nicht katholisch und nicht freikirchlich.
Früher war es in Familien öfter der Fall, dass das Christkind zur Bescherung am Heiligen Abend persönlich vorbeischaute. Manchmal hatte sogar ein goldenes Buch dabei, in dem stand, wie brav die Kinder das Jahr über gewesen waren, ähnlich dem Auftritt des Nikolaus mit seinem Gehilfen Knecht Ruprecht am 6. Dezember oder der Kombination daraus, dem Belzenickel. Das Christkind erschien in der Gestalt einer weiß gekleideten und verschleierten Frau oder eines Mädchens, angelockt von einem sehr bekannten Gedicht: „Christlkinnel kumm in unsere Haus, leer dei goldnes Säckel aus, stell de Christbaam uf de Tisch, dass mer sieht, dass Weihnacht is.“
Der Christbaum darf nicht fehlen, erstmals erwähnt wird er übrigens für unsere Region in einem Brief der Liselotte von der Pfalz vom 11. Dezember 1708. Doch damals gab es ihn noch nicht überall, erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde er nach und nach in den Wohnungen üblich. Seit vielen Jahren schmücken große Christbäume auch in allen Gemeinden öffentliche Gebäude, Plätze oder Kreisverkehre. Mancherorts hat sich die Tradition erhalten, am Heiligen Abend oder am ersten Weihnachtstag Stadt- und Feuerwehrkapellen, Posaunenchöre oder Gesangvereine kleine Konzerte unter freiem Himmel, auf Friedhöfen, in Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen zu veranstalten.
In der Zeit der 12 Rauh-Nächte, die an Weihnachten anschließende Zeit bis Dreikönig, galt früher oft die Regel, dass man keine (Bett-) Wäsche waschen sollte, damit im neuen Jahr nicht ein Mitglied des Haushaltes stirbt. Denn dies war eine aus der heidnischen Überlieferung kommende heilige Zeit, die eher zum Feiern denn zur Arbeit genutzt werden sollte. Manche behalten den Brauch bei, in diesen Tagen das Wetter zu beobachten, um es für das kommende Jahr zu deuten. Jeder Tag steht für einen Monat, neben dem einfachen Schauen bestand eine andere Methode darin, 12 Zwiebelschalen, für jeden Monat eine, vor das Fenster zu legen. In jede Zwiebelschale kam etwas Salz. Je nachdem wie nun das Salz in einer Zwiebelschale mehr oder weniger feucht geworden war, schloss man daraus auf das Wetter des betreffenden Monats.
Orakel befragte man in verschiedenster Form in der Silvesternacht. Noch heute ist etwa das Bleigießen vielerorts beliebt. Um Mitternacht werden überall die Kirchenglocken geläutet. Feuerwerk begrüßt das neue Jahr, Menschen daheim, bei Silvestermenüs in Lokalen oder auf der Straße wünschen sich „Prost Neujahr“. Auch gibt es mancherorts noch Turmblasen oder Auftritte um Mitternacht von evangelischen Posaunenchören sowie örtlichen Blaskapellen. Eine Besonderheit und heute zugleich ein Besuchermagnet ist der Nachtwächterumzug auf dem Dilsberg. Er knüpft an das früher allenthalben übliche Neujahrsansingen der Nachtwächter an. Gegen Mitternacht versammelt man sich vor dem historischen Torturm der Bergfeste. Nach dem Verklingen der Glocken ertönen zwölf tiefe Hornstöße, worauf die Nachtwächter folgenden Choral singen: „Hört ihr Leut und lasst euch sagen, unsere Glock‘ hat zwölf geschlagen. Das alte Jahr ist vergangen, das neue hat angefangen. Wir wünschen euch allzugleichen, den Armen wie den Reichen, wir wünschen euch allzumal, ein glückseliges neues Jahr! Lobet Gott den Herrn!“ Dann singen alle Versammelten „Großer Gott, wir loben dich“. Anschließend wünschen die Nachtwächter den Besuchern und Einwohnern bei einem Rundgang durch die Feste ein gutes Neues Jahr. Dieser wunderschöne Brauch steht im krassen Gegensatz zur Party-Event-Böllerkultur und den Ausschweifungen, die mancherorts im vergangenen Sylvester zu beobachten waren.
Am Neujahrsmorgen gibt es in vielen Familien Neujahrsbrezeln, in der Pfalz Neijoorsche genannt, früher ein klassisches Patengeschenk, Glücksschweinchen oder Schonsteinfeger-Figuren, allesamt Glücksbringer für das neue Jahr. Und an Dreikönig schließlich ziehen die Sternsinger durch die Straßen, ein katholischer Brauch, der heute in vielen Gemeinden sogar in ökumenscher Verbundenheit über den Türen der Kirchen, Häuser und Wohnungen den Wunsch anbringt: + C + M + B + „Christus Mansionem Benedicat – Christus segnet dieses Haus.“