Speyer – Zahlreiche Gläubige besuchten die Weihnachtsgottesdienste im Bistum Speyer. Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann bezeichnete in seiner Predigt am ersten Weihnachtsfeiertag die Weihnachtsbotschaft als eine Vision, die selbst „den Abgründen und der tödlichen Macht des Bösen“ standhält. Das über viele Jahrzehnte in den westlichen Ländern vorherrschende Grundgefühl, dass sich die Lebensmöglichkeiten immer weiter steigern ließen, habe sich grundlegend verändert.
„Ausbeutung, Korruption und jahrzehntelang ungelöste Konflikte haben Menschen ohne Zukunftsperspektive hinterlassen.“ Sie hätten Formen und Organisationen der Gewalt und des Terrors hervorgebracht, die vorsätzlich eine globale Destabilisierung anzielen. „Kein Tabu, keine letzte humane Hemmschwelle hat mehr Geltung“, sagte er im Blick auf die Anschläge auf dem Weihnachtsmarkt in Berlin und an der koptisch-orthodoxen Kathedrale in Kairo. „Wir solidarisieren uns mit allen Opfern solcher Gewalt, welcher Herkunft oder Religion sie auch sein mögen“, erklärte Wiesemann und gedachte der 3800 Menschen, die allein bis Ende Oktober auf der Flucht vor Hunger und Gewalt im Mittelmeer umgekommen sind.
Noch nie in der Geschichte sei es so wichtig gewesen, dass Europa sich seiner gemeinsamen Verantwortung in der Welt und für die Welt bewusst wird. „Ein Zerfall in kleinkarierte, angstbesessene Nationalismen kann nicht nur keine Lösung sein, sondern wäre ein weiteres, folgenschweres Versagen – so wie die Welt vor Aleppo und den dortigen Gräuel versagt hat“, betonte der Bischof in Erinnerung an Robert Schumann, der 1950 visionär gefordert hatte, dass das wirtschaftliche Zusammengehen in Europa von einem großen Ziel getragen sein müsse, der Hebung des Lebensstandards in der gesamten Welt und der Förderung des Friedens. „Das ist nie wirklich eingelöst worden“, stellte Wiesemann fest. Vieles von solchen Versäumnissen räche sich jetzt. „Europa war und ist viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt.“
Die Weihnachtsbotschaft sei viel politischer, als es die „Idylle unserer Krippenlandschaften“ vermuten lasse. In dem Kind von Bethlehem bündele sich die „ganze Vision einer erlösten, humanen Welt“. Sie öffne einen Horizont, der nicht an Grenzen halt macht, und habe eine innere Kraft, die „selbst über hoffnungslos erscheinende Abgründe des Hasses hinweg mutig und geduldig auf die Möglichkeit für Versöhnung und Frieden, auf die Teilhabe aller an den Gütern der Erde und die Einheit und Zukunft des Menschengeschlechtes setzt“. Es sei alles andere als sentimental und harmlos, wenn Christen in der Weihnachtsnacht in „die Totenstille dieser Welt“ hineinriefen: „Christ, der Retter ist da!“
Unter der Leitung von Domkapellmeister Markus Melchiori und Domkantor Joachim Weller gestalteten das Vokalensemble der Dommusik, der Domchor, der Mädchenchor am Dom, die Speyerer Domsingknaben, die Capella Spirensis und die Dombläser die festlichen Weihnachtsgottesdienste im Dom zu Speyer. Die Orgel spielte Domorganist Markus Eichenlaub.