Frankfurt am Main – Es war – und ist – eine der größten zusammenhängenden Fahrzeugbeschaffungen Deutschlands überhaupt: der Auftrag der VGF an den kanadischen Hersteller Bombardier Transportation (BT) über die Lieferung von 224 U-Bahnwagen des in Frankfurt „U5“ genannten Typs. Die Zahl bezieht sich auf die 25-Meter-Einheit, die in Frankfurt einerseits als Zweirichtungswagen (intern als „U5-ZR“ bezeichnet) mit zwei Fahrerständen verkehrt, andererseits als Einrichtungswagen (VGF-Jargon: „U5-ER“) fahren, die zusammen gekuppelte 50 Meter lange Züge bilden.
Die Bestellung setzt sich aus zwei Margen zusammen: Im März 2006 wurde der erste Vertrag mit einem Volumen von rund 320 Millionen Euro abgeschlossen, im Sommer 2008 stellte die VGF den ersten von 146 Wagen der bei BT „Flexity Swift“ genannten Baureihe am Mainufer vor. Diese Bahnen, darunter 54 Einrichtungswagen, wurden zwischen 2008 und 2015 geliefert. Im Herbst 2011 beschloss der Aufsichtsrat der VGF die Beschaffung weiterer „U5“-Fahrzeuge und im Dezember erfolgte die Bestellung von nochmals 78 Fahrzeugen. Mit dem Wagen 693 stellt die VGF in dieser Woche den 200. „U5“ in Dienst.
Dieses Fahrzeug, ein 25 Meter langer „Zweirichter“, ist künftig auch gut zu erkennen, denn es trägt die Werbung für die Städtepartnerschaft von Frankfurt und Birmingham, deren Abschluss sich 2016 zum 50. Mal jährt. Am 21. Dezember wurde die Bahn von den beiden Oberbürgermeistern der zwei Städte und Verkehrsdezernent Klaus Oesterling auf dem VGF-Betriebshof Ost präsentiert. In diesem Rahmen sagte der Stadtrat: „Es ist ein schönes und hervorragendes Fahrzeug, innen übersichtlich und mit den neuesten Einrichtungen zur Barrierefreiheit. Ich kann das beurteilen, denn ich fahre jeden Tag mit diesen Bahnen. Was mich besonders freut, es ich ein Fahrzeug im Besitz der Stadt Frankfurt, also ein kommunales Fahrzeug.“
Vom „U1“ bis zum „U5“
Der „U5“-Wagen ist heute aus dem Stadtbild nicht mehr wegzudenken, auch wenn er in der Innenstadt zumeist unterirdisch unterwegs ist. Die zurzeit im Einsatz stehenden Wagen, 91 „U5-ZR“ und 116 „U5-ER“, die 58 jeweils 50 Meter lange Einheiten bilden, verkehren heute auf acht der neun U-Bahnlinien. Das ist ein Einschnitt, deutlich geworden im Frühjahr, als die VGF die „U2“-Wagen verabschiedet hat. Seit Oktober 1968 und der Inbetriebnahme des ersten Abschnitts der „A-Strecke“ – heute von den Linien U1, U2, U3 und U8 befahren – war nämlich dieser „U2“-Wagen das Rückgrat des öffentlichen Verkehrs in der Stadt. Ergänzt wurde die Flotte kontinuierlich: 1979 / 1980 durch den Typ „U3“, dessen 27 Bahnen lange für die Linie U4 reserviert waren, 1994 / 1995 durch den „U4“-Wagen, dessen 37 Fahrzeuge von Heddernheim aus auf den fünf Linien der „A-Strecke“ eingesetzt werden.
Hier wird eine Frankfurter Besonderheit sichtbar: Die bei der VGF übliche Typen-Bezeichnung klingt selbst wie eine U-Bahnlinie. Tatsächlich bezeichnet „U5“ einfach nur die fünfte seit 1968 angeschaffte Fahrzeuggeneration. Vom Ur-Typ, dem „U1“, steht heute noch ein leider nicht mehr fahrfähiges Exemplar im Schwanheimer Verkehrsmuseum der VGF. Der „U2“-Wagen wurde im April mit einer schönen Abschiedsfahrt gebührend in Ruhestand verabschiedet, wobei die VGF die in den rotweißen Auslieferungszustand zurück versetzen Wagen 303, 304 und 305 als fahrfertige Oldtimer behalten hat. Noch im Dienst ist der „U3“-Wagen der inzwischen auf der Linie U6 verkehrt. Doch auch seine Tage im Linieneinsatz sind gezählt, denn mit jedem ausgelieferten „U5“ rückt die Außerdienststellung der Veteranen näher.
Geschehen ist das in diesem Jahr auf der Linie U5: Mit Inbetriebnahme der barrierefrei ausgebauten Stationen „Glauburgstraße“ und „Musterschule“ fahren auch hier die „U5“-Wagen als Zwillinge, mit Eröffnung der Verlängerung ins Europa-Viertel 2022 ist eine 3er-Traktion vorgesehen. Die „U5“ ersetzten hier die alten „PtB“-Wagen. Das waren eigentlich schmalere Straßenbahn-Fahrzeuge, die mit Verbreiterungen an den Türen tunneltauglich gemacht worden waren, die aber vor allem einen unschlagbaren Vorteil hatten: Mit ihren Klapptrittstufen waren sie flexibel einsetzbar, sowohl an Hochbahnsteigen als auch an den straßenbahnähnlichen Haltestellen in der Mitte der Eckenheimer Landstraße.
Nicht zum Ersatz vorgesehen sind die genannten „U4“-Wagen, die ganz im Gegenteil seit Jahren einer nach dem anderen eine Frischzellenkur durchlaufen und den „U5“-Wagen damit weitgehend angepasst werden. Mit großem technischen Aufwand und „Input“ haben VGF und BT es möglich gemacht, dass die aus völlig unterschiedlichen Fahrzeug-Generationen stammenden „U4“- und „U5“-Wagen zusammen gekuppelt werden können und eine im Betrieb funktionsfähige Einheit bilden. Das erleichtert die Fahrzeugdisposition erheblich und macht den Betrieb effizienter.
„Work in progress“
Der „U5“ ist inzwischen auf fast allen Linien im Frankfurter System zu sehen, von den Betriebshöfen Heddernheim und Ost aus wird er – zusammen mit den „U4“-Wagen – auf U1, U2, U3, U8 und U9 sowie U4, U5 und U7 eingesetzt, auf der U6 zwischen Ostbahnhof und Heerstraße fahren noch ältere „U3“-Kompositionen.
Die genannten Betriebshöfe hat die VGF in mehreren Schritten erweitert bzw. umgerüstet, um auf die Wartung dieser Fahrzeuge eingerichtet zu sein. Am wichtigsten waren die Dacharbeitsstände, denn wichtige Teile der Fahrzeugtechnik, so zum Beispiel die Aggregate der Klimaanlagen, befinden sich auf den Dächern. In Heddernheim wurde auch die Waschanlage verlängert, um die 50 Meter langen Einheiten zum Waschen nicht auseinanderkuppeln zu müssen; der Betriebshof Ost verfügt seit seiner Eröffnung im Sommer 2003 über eine 100 Meter lange Waschstraße, in der Vier-Wagen-Züge „in einem Stück“ gereinigt werden können.
Auch an den Fahrzeugen selber legt die VGF immer wieder Hand an, um sie im Betrieb zu optimieren, denn Stillstand bedeutet auch hier Rückschritt. So hat die VGF probeweise an einigen Wagen ein „Türfindesignal“ eingebaut, um sehbehinderten oder blinden Fahrgästen die Orientierung am Bahnsteig zu erleichtern, wenn der Zug eingefahren ist. Seit November läuft überdies die Nachrüstung der „U5“-Wagen mit Radschallabsorbern, die das Quietschen in Kurven zwar nicht verhindern können, die die Geräuschemissionen aber auf einen akzeptablen Wert drücken. Alle 224 Einheiten erhalten diese Absorber, Gesamtvolumen der Investition: ca. 1,3 Millionen €.
Nachwuchs hat die „U5“-Familie auch schon bekommen: Im türkischen Bursa fahren laubfroschgrüne Wagen, die sich von den Frankfurter Fahrzeugen nur geringfügig unterscheiden, zum Beispiel in den Abmessungen. Die Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) und die Düsseldorfer Rheinbahn haben bei einer gemeinsamen Fahrzeug-Beschaffung BT den Zuschlag erteilt, Basis der Bahnen ist der „U5“.