Mainz – Ganz vorsichtig schlägt Cornelia Schneider den Buchdeckel auf, sanft streicht sie mit der Hand über die Seiten, behutsam prüft sie das Papier und entziffert die Inschrift. Die Kuratorin des Gutenberg-Museums sieht auf den ersten Blick, ob ein Schatz vor ihr liegt. Seit drei Jahren bietet die Kuratorin für Buchkunst des 15. bis 18. Jahrhunderts im Foyer des Gutenberg-Museums die Büchersprechstunde an. Bereits zu Beginn ist das Museum mit diesem neu etablierten und kostenlosen Service auf großes Interesse gestoßen. „Viele Menschen haben ältere Bücher und wissen nicht, was sie damit anfangen sollen“, so die Kuratorin.
In der Büchersprechstunde erfahren sie, ob das Buch, das die Großmutter während des Krieges im Garten vergraben hat, auf einem Flohmarkt-Büchertisch gefunden oder vom Onkel vererbt wurde, wirklich ein Schatz ist. Zwar macht Cornelia Schneider keine Wertangaben, aber sie gibt Tipps, wie man herausfindet, ob das Buch ein gesuchtes Sammlerstück oder leider doch nur unbedeutende Massenware ist. Denn auch die gab es schon früher, deshalb ist das Alter nicht unbedingt entscheidend, sondern der Zustand des Buches: bröseln die Seiten beim Blättern auseinander, gibt es Schimmelspuren, fehlt der Einband? Ob ein Buch die Zeit gut überstanden hat, hängt neben der Lagerung häufig auch von der Produktionsform ab.
„Seit der Mitte des 19. Jahrhundert werden Bücher auf maschinell hergestelltem Papier mit einem niedrigen pH-Wert gedruckt, was sie auf Dauer brüchig macht“, erklärt Dr. Cornelia Schneider. In jedem Fall empfiehlt sie, alte Bücher nicht im Keller zu lagern, da es dort meist zu feucht ist. Bücher brauchen, um lange leben zu können, konstante, nicht zu hohe Temperaturen. Außerdem sollten sie liegend aufbewahrt und beim Lesen nicht zu weit aufgeschlagen werden.
Viele Besucher, die in die Sprechstunde kommen, wollen ihre Bücher verkaufen. Ob es eine Nachfrage auf dem Buchmarkt gibt, hängt von ganz unterschiedlichen Faktoren ab. Heute ist es viel schwieriger als noch vor einigen Jahren, Käufer zu finden. „Der Buchmarkt hat sich verändert; der Wert von Büchern sinkt, weil das Angebot zu groß ist. Viele Erben lösen die bibliophilen Bestände ihrer Eltern auf, wodurch der Markt mit Büchern überschwemmt wird“, so die Einschätzung der Expertin. Und dennoch gibt es Bücher, die heute noch gefragte Sammlerobjekte sind. Dazu zählen Kochbücher, Jagdbücher oder Blumenbücher. Alte Bücher können auch zu Besonderheiten werden, wenn sie schöne Illustrationen haben, typografisch ungewöhnlich sind oder mit einem besonderen Druckverfahren hergestellt wurden. Zu den ungewöhnlichsten Büchern, die auf dem Schreibtisch von Dr. Cornelia Schneider gelandet sind, zählt ein Zauberbuch aus dem 18. Jahrhundert, das von einem professionellen Zauberer geschrieben wurde, der dem Leser darin seine Zaubertricks verrät.
Ein positiver Nebeneffekt der Büchersprechstunde ist, dass nicht selten auch interessante Bücher für das Gutenberg-Museum darunter sind. Zu solchen Schätzen gehört eine Luther-Bibel der Druckerei Endter aus Nürnberg, die über zwei Jahrhunderte großformatige Familienbibeln druckte. „Das Buch ist nicht nur typisch für die Druckgeschichte, sondern auch ein sehr schöner Band. Außerdem ist er in einem recht guten Zustand“, so Cornelia Schneider. Bücher sind Zeugnisse ihrer Zeit, sie zeigen, wie Menschen gelebt haben und was ihnen wichtig war. Damit sind sie – neben ihrem materiellen Wert – auch kulturhistorisch bedeutend, wie etwa ein Konfirmationsbuch aus dem Nachkriegsjahr 1946. „Das Buch wurde von der Schenkerin selbst geschrieben und gestaltet. Das ist für uns natürlich kulturhistorisch sehr interessant“, erläutert die Kuratorin. Solche sich von der Masse abhebenden Bücher zu entdecken, macht besonderen Spaß.
Info:
Besucher der Büchersprechstunde bezahlen nur den Museumseintritt, die Beratung ist kostenlos und richtet sich ausschließlich an Privatpersonen. Aus rechtlichen Gründen können grundsätzlich keine Angaben zum Wert von Büchern gemacht werden, schriftliche Gutachten sind nicht möglich. Die nächste Büchersprechstunde ist am Dienstag, 2. Mai 2017, von 15 bis 17 Uhr im Foyer des Gutenberg-Museums.