In den ersten beiden Artikeln haben wir uns mit der Frage beschäftigt ob nun Pfefferspray eine gute und wirksame Waffe ist und welche Schutzmaßnahmen Frauen generell treffen sollten bevor sie sich unnötig in Gefahr begeben.
Heute gehen wir der Frage nach, wie ein guter, bzw. effektiver Selbstschutz aussieht. Der Markt ist voll von Kursen der unterschiedlichsten Art. Es ist für Jeden etwas dabei. Allerdings ist der Anteil an Kursen die dem Veranstalter nur die Taschen füllen sehr hoch. Während unserer Recherchen stießen wir immer wieder auf Kurse die eher als fragwürdig einzustufen sind. Dabei werden Monatsgebühren von bis zu 100 Euro verlangt. Es wird getrickst und getäuscht.
Selbst erstellte Zertifikate und geschönte Trainervitas sind eher die Regel. Wer lernen will sich zu schützen steht vor den wichtigsten Fragen:
- Wie erkenne ich einen wirksamen Kurs?
- Welche Voraussetzungen muss ich haben?
- Was kommt realistisch auf mich zu?
Diesen Fragen gehen wir auf den Grund. Dazu haben wir uns wieder mit dem Selbstschutztrainer Timo Seel getroffen, der uns wie immer ungeschminkt und direkt für Euch Rede und Antwort steht.
Was ist deiner Meinung nach ein guter und wirksamer Selbstschutz?
Timo Seel
Wenn man Taktiken lernt, die man im Ernstfall unter Stress abrufen kann. Wir sprechen von „stress-resistenten Taktiken“, die in Trainings-Szenarien anwendbar und umsetzbar sind.
Was man sich generell vor Augen halten muss: Es gibt keine Lösung für alle Szenarien. Das Ziel meines Trainings ist, so unbeschadet wie möglich aus einer Angriffs-Situation herauszukommen und dabei den eigenen Schaden so gering wie möglich zu halten.
Ein sehr wichtiger Punkt in meinem Training ist die Aufmerksamkeit. Das Training an sich sollte dann so realistisch wir möglich sein. Wir trainieren nicht für Gürtel und Pokale. Unser Training ist unkomfortabel, in Straßenkleidung damit die Beweglichkeit eingeschränkt ist.
Das gesamte Training ist dynamisch angelegt und nicht statisch. Das Hauptaugenmerk liegt auf der Gewalt. Meine Teilnehmer setzen sich mit Gewalt auseinander und wissen nach einer gewissen Zeit, was reale Gewalt bedeutet.
Wir lesen die Mitteilungen in der Presse um zu analysieren wie die jeweiligen, regionalen Angriffs-Szenarien aussehen. So können wir uns besser darauf vorbereiten.
Redaktion
Du beschäftigst dich mit Angriffs-Szenarien?
Timo Seel
Jeder der die Grundlagen des Selbstschutzes beherrscht, kann diese Szenarien nachspielen. Einfach in der Presse lesen, wie die Angriffe passieren, bzw. wie ein solches Szenario aussieht.
Szenario: Am Geldautomat
Das Ziel ist es Geld abzuheben und unbeschadet wieder das Auto zu erreichen. Dazu gehört sich zu schützen, aufmerksam sein, die Umgebung bzw. Personen zu beobachten. Im Vorfeld hat Jeder die Möglichkeit über Präventivmaßnahmen sich zu schützen bevor eine Gefahr besteht.
Redaktion
Ist es deiner Meinung nach wichtig sich mit dem Thema zu beschäftigen?
Timo Seel
Es bleibt die Entscheidung von jedem selbst. Jeder hat die Möglichkeit Schutz zu lernen. Und allen Anderen wünsche ich viel Glück, dass niemals etwas passiert.
Redaktion
Deutliche Worte. Nehmen wir an, ich habe für mich die Entscheidung getroffen, dass ich Selbstschutz lernen will. Woran erkenne ich einen guten Kurs und woran erkenne ich die Abzocker?
Timo Seel
Aus meiner Erfahrung heraus kann ich klar sagen, dass dies ein Laie zunächst einmal nicht beurteilen kann ob ein Training gut oder schlecht ist. Jeder sollte auf jeden Fall mehrere Schulen testen, ausprobieren ob das passt. Dann vom Ausbilder die Qualifikation nicht nur zeigen lassen, sondern nachforschen was wirklich dahintersteckt.
Es gibt sehr viele selbsternannte Meister, Trainer oder Verbände. Dieser Trend nimmt immer mehr zu in Deutschland. Also muss man sehr vorsichtig sein vor solchen Leuten. Es gibt Einige die sich selbst Zertifikate ausstellen oder einen Rang zuweisen.
Da wird mal schnell eine Wochenendausbildung gemacht, ohne Erfahrung in diesem Bereich zu haben und dann arbeiten diese Leute als Trainer. Die haben natürlich keinen Background im Selbstschutzbereich.
Der Laie, der ein Schutztraining sucht muss deswegen genau hinschauen, testen über mehrere Schulen oder Trainer, Fragen stellen und kritisch bleiben.
Nach ca. 3 Probetrainings merkt man sicherlich ob der Trainer kompetent ist, ob man selbst an seine Grenzen kommt und Verbesserungen spürt.
Redaktion
Du legst großen Wert auf Fitness und Kondition. Es geht also nicht nur ums Schützen, Verteidigen oder Kämpfen.
Timo Seel
Wir trainieren den Kampf auf der Straße. Ein solcher Kampf ist kurz und sehr intensiv. Dazu benötigst du Kampfkondition. Wir verbinden viele Fitnessübungen mit unseren kämpferischen Skills (Fähigkeiten).
Das bedeutet: Wir machen kein extremes Muskelaufbautraining oder Abnehmtraining. Das ist nicht das Ziel.
Unser Ziel ist es: Eine kurze physische Auseinandersetzung möglichst unbeschadet zu überstehen. Solche Auseinandersetzungen sind meistens kurz, dynamisch und sehr heftig.
Redaktion
Du hast viele Kämpfe in deinem Leben analysiert. Wie lange dauert so ein Kampf?
Timo Seel
Ein solcher Kampf ist in wenigen Sekunden beendet. Man sollte schnellstmöglichst die Flucht suchen. Nicht in irgendwelchen Positionen verweilen und vermeiden, dass man auf den Boden geht. Sind wir auf dem Boden, dann ist das Ziel sich sehr schnell vom Angreifer zu lösen.
Je länger ein Kampf dauert, desto höher steigt die Gefahr, dass mehrere Angreifer dazukommen und im uns Rückenbereich angreifen. Deswegen ist unsere oberste Priorität, schnell den Gefahrenort zu verlassen. Es kann auch passieren, dass der Angreifer bewaffnet ist. Er steht vielleicht auf und attackiert uns hinterrücks. Aus diesem Grund gilt zuerst einmal: flüchten und in Sicherheit bringen. Danach sofort die Polizei alarmieren.
Redaktion
Wenn wir dir so zuhören, dann stellen wir uns schon die Frage, was denn so ein Kurs bringt. Bspw. 10 Wochen-Intensiv-Kurs. Das klingt nicht nach Erfolg. Man muss viele Abläufe und Techniken beherrschen und diese immer wieder trainieren. Das ist in einem kurzen Kurs nicht erledigt.
Timo Seel
Das ist schwierig. Es hängt zum Einen vom Schüler ab und zum Anderen von der Qualität des Trainings. Ich empfehle lieber weniger Techniken, also den Baukasten klein halten. Dafür dann die Techniken die funktionieren. Ein Schüler hat mehr davon, wenn er wenige Sachen richtig gut beherrscht, anstatt hunderte Techniken nicht richtig. Das sind Dinge, die man regelmäßig trainieren muss. Letztlich bringen nur richtig dynamische Trainings-Szenarien, die über einen langen Zeitraum geübt werden, dem Schüler auf Dauer etwas.
Redaktion
Das heißt, dass ein Samstagskurs für Frauen im Regelfall wenig bringen wird?
Timo Seel
Ein solcher Kurs kann nur Präventivmaßnahmen vermitteln. Wie verhalte ich mich auf der Straße, wie bewege ich mich. Aber nicht dass was manche unseriösen Trainer anbieten: Wie verteidige ich mich bei einem Messerangriff oder harten Schlägen. Das wird niemals funktionieren. Das ist rausgeworfenes Geld, Abzocke und Geldmacherei.
Viele bieten so etwas an, weil sie sich bereichern wollen und die aktuelle Angst der Menschen, insbesondere der Frauen ausnutzen. Ein solcher Wochenendkurs bringt nichts.
Redaktion
Deutliche Worte
Timo Seel
In einem Wochenendkurs kann man den Interessierten zeigen wie ein realistisches Training aussieht. Es ist mehr eine Vorbereitung auf ein Gruppentraining. Da erklärt man die Grundlagen. Ein guter Trainer nimmt sich Zeit für jeden Einzelnen. Das Ziel ist dann das regelmässige, realistische Training um sich schützen zu können.
Alleine nur von einem einzigen Seminar lernt Niemand, Mann oder Frau etwas.
Redaktion
Du hast in deinem bisherigen Leben sehr viele Menschen trainiert, Erfolge erzielt und giltst als erfahrener Trainer. Wer hat es leichter? Männer oder Frauen?
Timo Seel
Das kannst du nicht einteilen nach Frauen oder Männern. Es ist vor allen Dingen eine mentale Sache.
Der erste Schritt ist, dass du erstmal ins Training kommst und das Training durchziehst. Viele Leute haben Angst. Sagen das Training wieder ab. Kommen nicht mal zum Probetraining. Oder haben Berührungsängste. Es spielt keine Rolle ob Frau oder Mann. Der, der den ersten Schritt macht und will Schutz lernen und bleibt dabei, der geht seinen Weg.
Redaktion
Wer bei deinem Training dabei bleibt und konsequent mitzieht, muss Schmerzen aushalten?
Timo Seel
Ja, das gehört in jedem Fall dazu. Statische Trainings wie sie in vielen traditionellen Systemen vorkommen, nützen im Training etwas. Im Ernstfall auf der Straße nützt das nichts mehr. Man ist es nicht gewohnt in einem dynamischen Kampf solche statischen Sachen anzuwenden. Das bringt nichts. Meine Schüler müssen Einiges aushalten und einstecken können.
Redaktion
Muss man bestimmte körperliche Voraussetzungen mitbringen?
Timo Seel
Eine Grund-Fitness ist nicht schlecht. Wenn eine Basis vorhanden ist, dann ist das von Vorteil. Wer jahrelang auf der Couch gelegen war und glaubt gleich voll mit dem Training anfangen zu können, der wird ganz schnell merken, dass das nicht klappt.
Ich mache keinen Fitnesskurs. Jeder erlernt die Techniken für Kondition und Fitness sehr schnell. So wird jeder gute Ergebnisse für sich erzielen.
Redaktion
Gibt es für dich Kriterien, wo du es ablehnst einen Schüler oder Schülerin aufzunehmen und zu trainieren?
Timo Seel
Pauschal lässt sich das nicht sagen. Heutzutage erlebe ich es, dass junge Leute körperlich ziemlich unfit sind oder mental und physisch nicht stark genug sind. Deswegen ist mein Training erst ab 18 Jahre. Ich hatte Leute die waren mit 18 nicht bereit. Andere mit 24 nicht. Bei anderen ist mit 50 oder 60 zu spät.
Das hängt Alles vom Kopf ab. Selbstschutz ist 90% Kopf. 5% die Skills die man im Training erlangt und 5% das Körperliche wie Kondition und Fitness.
Bei älteren Menschen oder Menschen mit körperlichen Einschränkungen rate ich zuerst mit dem Arzt zu sprechen und testen lassen zu ob die Voraussetzungen für Sport gegeben sind.
Ich sehe es sehr schnell im Probetraining ob und wie der Schüler an seine Grenzen stößt. Gerade solche Schüler müssen zusätzlich ihre Hausaufgaben machen. Wir trainieren einmal die Woche Selbstschutz. Wenn Jemand zuhause noch Fitness-Training oder Konditionstraining macht, dann ist das als Ausgleich ausreichend.
Was der Schüler zuhause machen kann an effektiven und wirksamen Übungen erlernt er bei mir im Kurs. Das kann er dann immer wieder für sich wiederholen und vertiefen und dann passt das.
Redaktion
Wie lange dauert es bis ich einigermaßen sicher bin und halbwegs unbeschadet aus einem Angriff herauskomme?
Timo Seel
Das hängt von jedem selbst ab. Ich gehe aber von einem Minimum von 6 Monaten mindestens aus um sich einigermaßen schützen zu können. Denn das dauert. Zuerst müssen die Grundlagen gut sitzen, bevor man mit dem dynamischen Training einsteigt. Ohne Grundlagen gleich in ein dynamisches Szenario zu wechseln ist Schwachsinn. Das dient nur dazu um die Schüler zu beeindrucken.
Meine Schüler lernen die Basics. Darauf bauen wir dann auf. Bei dem Einen geht es schneller. Bei Anderen dauert es länger.
Redaktion
Du machst einen vernünftigen und gefestigten Eindruck. Gibt es Personen die du wegschickst? Die du nicht trainierst?
Timo Seel
Ich trainiere nur Personen, die zu uns passen. Ich wähle sehr genau aus. Ich sehe das während der Probetrainings ob es passt oder nicht. Das Wichtigste ist, dass innerhalb der Gruppe die Chemie stimmt. Ich erwarte von Interessenten, dass die ihr Ego an der Tür ablegen und während der Trainings offen sind.
Wer bspw. in der Gruppe Trainer spielen will oder sich mit einem übersteigerten Ego nur prügeln will oder religiöse, politische Absichten verfolgt, wird vom Training ausgeschlossen. Wer ernsthaft trainieren will und dabei offen ist und mitarbeitet, ist herzlich willkommen.
Ich biete dieses Training nicht an um die Masse zu trainieren oder die Halle vollzukriegen. Ich wähle sehr mit Bedacht aus. Und sollte es nicht passen, dann kann ich jederzeit sagen, dass der Interessent gehen muss.
Gehen mussten auch Personen, die auf ihren Trainingspartner keine Rücksicht nahmen oder ihn sogar verletzten. Solche unkontrollierten Personen schließe ich sofort und ohne Diskussion aus.
Redaktion
Wir danken wie immer für das aufschlussreiche Gespräch. Wer jetzt Interesse hat, ernsthaft Selbstschutz lernen will und im Rhein-Neckar-Kreis wohnt, darf sich jederzeit bei Timo Seel melden und ein Probetraining vereinbaren. Aktuell sind noch wenige Plätze frei. Ein Schnuppern für Interessierte lohnt sich in jedem Fall. Die Emailadresse für den ersten Kontakt steht in der Kurz-Vita von Timo.
Timo Seel, 32 Jahre alt ist der Gründer von Functional Combatives Concepts (FCC) und unterrichtet seit mehreren Jahren realistischen Selbstschutz im Rhein-Neckar Kreis. Er wurde von ehemaligen Mitgliedern einer israelischen Anti-Terror Einheit im PROTECT Krav Maga, KAPAP zertifiziert und im britischen Combatives unterrichtet und ist somit einmalig in der Region. Er bildet sich regelmäßig rund um den Globus weiter und trainiert nur Konzepte die der Schadenskontrolle dienen und in gefährlichen Situationen das Leben schützen können. Sein Motto: „Realität statt Illusion“.
Wer Interesse hat, schreibt an: Kravmagalu@gmail.com