Frankfurt: Odin, Thor und Freyja – Skandinavische Kultplätze des 1. Jahrtausends n. Chr. und das Frankenreich

Frankfurt am Main – Eine Sonderausstellung widmet sich vom 11. Februar bis zum 6. Juni 2017 erstmals den neuen Ausgrabungen und Forschungen des Dänischen Nationalmuseums zu skandinavischen Kultplätzen des ersten Jahrtausends nach Christus. Kostbare Funde und überraschende Ausgrabungsbefunde vermitteln Einblicke in die Kultpraxis der paganen Religion des alten Nordens. Im Zentrum stehen dänische Fürstenresidenzen mit riesigen, bis zu 50 Meter langen Versammlungshallen und eigenen Kultbauten für gemeinschaftliche Opfer. Spektakulär sind die architektonischen Inszenierungen dieser Bauten im Frankfurter Museum in natürlicher Größe. Ein zweiter Themenpunkt sind die Beziehungen des Nordens zum kontinentalen Frankenreich und die Christianisierung.

Das neue Bild des alten Glaubens

Für Plinius den Älteren (23 – 79 n. Chr.) war Scatinavia eine „Insel von unerforschter Ausdehnung“. Unerforscht für die antike Welt waren vor allem die Bewohner Skandinaviens und ihre Religion. 1200 Jahre später brachten christliche, aus Island stammende Gelehrte die altnordischen Mythen und damit wichtige Informationen über das altnordische Heidentum aufs Pergament. Darauf basierte im Wesentlichen bis in die jüngste Zeit unsere Kenntnis von der vorchristlichen Religion des Nordens. Über die religiöse Praxis, über Sakralbauten und -plätze sowie über die soziale Funktion und Organisation der Religion gab es jedoch kaum gesicherte Fakten.

Neue Ausgrabungen und Forschungsprojekte

Erst umfangreiche Ausgrabungen der letzten Jahre in Skandinavien ermöglichen jetzt tiefere Einblicke in Kultpraxis und Opferrituale der paganen Religion. Vorwiegend in Dänemark und Schweden wurde eine ganze Anzahl großer Residenzen regionaler Herrscher des ersten Jahrtausends nach Christus ausgegraben – alle mit Kultarealen, Tempelbauten und Opferplätzen. Insbesondere die großangelegten Ausgrabungen der frühmittelalterlichen Fürstenresidenz bei Tissø auf Seeland erbrachten eine Fülle an Funden und Befunden.

Die Grabungen wurden seit 2010 von einem langjährigen Forschungsprojekt des Dänischen Nationalmuseums über vorchristliche Kultplätze und altnordisches Heidentum begleitet, das von Prof. Dr. Lars Jørgensen initiiert und geleitet wurde.

Goldener Armreif aus Råbylille (Foto: Archäologisches Museum Frankfurt)
Goldener Armreif aus Råbylille (Foto: Archäologisches Museum Frankfurt)

Kult und Herrschaft

Schon seit der Zeitenwende gab es in den verschiedenen Landschaften und Regionen Skandinaviens großangelegte Residenzen von Häuptlingen, Fürsten und Kleinkönigen; sie bildeten Mittelpunkte größerer Herrschaftsgebiete. Zentrum dieser Residenzen wiederum waren riesige, weiß gekälkte Hallenbauten von bis zu 50 Meter Länge, vergleichbar in Ausmaßen und Funktion den Thronhallen (Aula regia) karolingischer Pfalzen. Diesen Großhallen waren heilige, umzäunte Kultareale zugeordnet, in denen Tempelbauten errichtet worden waren. In diesen wurden die großen überregionalen jahreszeitlichen Opfer vollzogen, an denen teilzunehmen alle Mitglieder der regionalen Kultgemeinschaft verpflichtet waren.

Kultausübung war somit eng mit Adelsherrschaft verschränkt. Der „Fürst“ war in Personalunion weltlicher Herrscher und Kultleiter, sein „Regnum“ umschloss zugleich auch den Raum einer Kultgemeinschaft – der „Fürst“ war rex et sacerdos und er fungierte als Pontifex Maximus – wie die römischen Kaiser seit Augustus. Herrschaft und Politik waren religiös, Religion war politisch.

Diese Doppelfunktion von Herrschaft und Kult wird exemplarisch durch einen riesigen Halsreif aus acht geflochtenen Goldsträngen symbolisiert, der südlich der Residenz Tissø gefunden wurde. Mit 34 Zentimetern Durchmesser bei einem Gewicht von etwa 1.800 Gramm (ursprünglich etwa 2.000 Gramm) ist es der größte Goldreif der Wikingerzeit. Er wurde sicherlich nur zu besonderen zeremoniellen Anlässen vom Herrscher und Kultleiter getragen und zierte vermutlich zwischenzeitlich eine Götterstatue, so wie man es aus der Antike kennt. Die zentrale Bedeutung des gemeinschaftlichen Opfers wird in der Ausstellung mit der Runeninschrift auf dem Stein von Stentoften in Südschweden, einem Menschenopfer aus dem Hundstrup-Moor sowie weiteren Opferfunden aus Seeland demonstriert.

Die Residenzen Hoby, Gudme und Tissø

Die frühen Herrensitze von Hoby (Lolland; um Chr. Geb.) und von Gudme (Fünen; 3. bis 6. Jh. n. Chr.) werden mit neuen 3D-Film-Rekonstruktionen der Anlagen und kostbarsten Grab- und Schatzfunden vorgestellt. Im Zentrum der Ausstellung steht die königliche Residenz von Tissø (Seeland; 6. bis 11. Jh. n. Chr.). Einen Höhepunkt bildet dabei die architektonische Inszenierung des Kultbaus und der riesigen Versammlungshalle in natürlicher Größe. Eine Vielzahl seltener und faszinierender Funde des altnordischen Opfer- und Götterkultes, darunter Figürchen der Hauptgottheiten Odin, Thor und Freyja, sowie der adeligen Lebenswelt (Gefolgschaft, Frauen, Feste, Jagd, Handwerk, Handel) illustrieren eindrucksvoll die herausragende Funktion dieses Platzes.

Das Frankenreich und der neue Glaube

Mit der langwierigen, wechselvollen Übernahme des Christentums ab dem 9. Jahrhundert wurde auch der Norden Teil des christlichen Europas. Die vorangehende Zeit des 6. bis 9. Jahrhunderts war von engen Kontakten zwischen skandinavischen und fränkischen Eliten geprägt. Zwischen den nordischen Herrensitzen und den fränkischen Königshöfen und Pfalzen auf dem Kontinent, wie Frankfurt und Ingelheim, zeigen sich auffällige bauliche und funktionale Parallelen. Mit dem adeligen Kindergrab aus dem Frankfurter Dom und dem königlichen Bootkammergrab von Haithabu werden singuläre Zeugnisse dieser tiefgreifenden persönlichen Beziehungen präsentiert.

Römischer Silberbecher aus Hoby (Foto: Archäologisches Museum Frankfurt)
Römischer Silberbecher aus Hoby (Foto: Archäologisches Museum Frankfurt)

Begleitprogramm und Eintritt

Ein umfangreiches Begleitprogramm vermittelt vertiefende und unterhaltsame Einblicke in die Götterwelt des paganen Nordens und präsentiert mit Gastvorträgen namhafter Experten aktuelle archäologische und runologische Forschungsergebnisse. Kinder können außerdem mit dem Rätselheft zur Sonderausstellung „Odin, Thor und Freyja“ die Götterwelt der Wikingerzeit entdecken. An der Kasse wartet eine kleine Belohnung.

Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren haben freien Eintritt. Erwachsene zahlen den regulären Eintritt (7, ermäßigt 3,50 Euro). An jedem letzten Samstag im Monat ist der Eintritt frei. Öffentliche Führungen durch die Sonderausstellung gibt es sonntags um 14 und 15.30 Uhr, mittwochs um 18 Uhr. Die Führung ist kostenlos, es gilt der reguläre Eintritt. Informationen und die Möglichkeit zur Anmeldung zu Führungen für Erwachsene, Kinder und Schulen gibt es telefonisch (Dienstags bis freitags von 10 bis 13 Uhr) unter 069/212-39344 oder per E-Mail an fuehrungen.archaeologie@stadt-frankfurt.de.