Karlsruhe – Der Betrieb der Stadtbahnlinien S1 und S11 wird ab sofort von Karlsruhe aus gesteuert.
Die Albtal-Verkehrs-Gesellschaft (AVG) hat ihre Zugleitung vom Bahnhof in Ettlingen in die moderne Leitstelle in der Gerwigstraße im Osten der Fächerstadt verlegt. Damit hat das kommunale Verkehrsunternehmen die Zusammenlegung von Fahrdiensten und Zugleitungen an einem zentralen Standort erfolgreich abgeschlossen. In der Leitstelle, die im Juli 2010 eingeweiht wurde und die die AVG gemeinsam mit den Verkehrsbetrieben Karlsruhe (VBK) nutzt, wird bereits unter anderem der Verkehr der Murgtal-, Kraichgau-, Enztal- oder der Wieslauterbahn koordiniert und überwacht.
„Der Umzug bringt viele Vorteile mit sich. Unsere Mitarbeiter können an dem neuen Standort auf eine moderne Informations- und Kommunikationstechnik zurückgreifen. Die ist eine deutliche Verbesserung zum Stellwerk am Ettlinger Bahnhof“, erklärt Markus Fettig, der Chef der AVG-Leitstelle. „Zudem profitieren wir in den neuen Räumen von den kurzen Kommunikationswegen zwischen den anderen Zugleitern und Disponenten. Dies erleichtert Abstimmungsprozesse, so dass wir schneller auf betriebliche Änderungen und Notfallsituation reagieren und bei Bedarf Kollegen zur Unterstützung hinzuziehen können.“ Durch den Standortwechsel könnten betriebliche Abläufe weiter optimiert werden, ist Fettig überzeugt. „Auch unsere Kunden werden von diesen neuen Strukturen profitieren. Denn die Kollegen, die beispielsweise die Fahrgastinformation für die Anzeigetafeln an den Haltestellen oder für den Verkehrsticker auf der Homepage einpflegen, sitzen jetzt im gleichen Raum nur einige Meter weiter. Dadurch werden auch hier die Informationsabläufe deutlich verbessert.“
An insgesamt 16 Arbeitsplätzen steuern und überwachen rund 80 Mitarbeiter der AVG und VBK den Tram- und Stadtbahnverkehr in Karlsruhe und der Region. Damit ist die Leitstelle in der Gerwigstraße eine der größten in Süddeutschland. „Die Leitstelle ist so etwas wie das Gehirn der beiden Verkehrsunternehmen AVG und VBK. Hier laufen alle Fäden zusammen. Die Arbeit ist vergleichbar mit der von Fluglotsen, nur dass wir hier nicht den Luftraum, sondern eben den Verkehr auf der Schiene überwachen“, erklärt Fettig.
Dafür sind die Frauen und Männer in der Leitstelle im Schichtbetrieb rund um die Uhr im Einsatz. In dem lichtdurchfluteten Rund erhalten die Disponenten und Fahrdienstleiter an 16 hochmodernen Arbeitsplätzen über eine Vielzahl an Monitoren alle relevanten Informationen zum Fahrbetrieb. Sie können zudem auf Video-Signale der Kameras an Bahnübergängen zugreifen. Per Funk ist die Leitstellen-Mannschaft mit den Fahrern der Bahnen verbunden, über das rechnergesteuerte Betriebsleitsystem kann sie alle Zugbewegungen genau verfolgen und korrigierend eingreifen.
„Die Kollegen leiten bei Bedarf Bahnen um, tauschen defekte Fahrzeuge aus, ziehen Busse für den Ersatzverkehr heran oder setzen Reparaturtrupps in Marsch. Und dies so, dass die betrieblichen Auswirkungen für die Fahrgäste möglichst gering sind oder diese im Idealfall gar nicht spüren“, beschreibt Fettig diese komplexe Arbeit, bei der Handlungsschnelligkeit sowie kreative und individuelle Lösungen gefragt sind.
In Spitzenzeiten sind bis zu 250 Bahnen der AVG und VBK in einem Schienennetz von mehr als 700 Kilometern Länge gleichzeitig unterwegs. Da ist es wichtig, den Überblick zu behalten. „Beim Bahnbetrieb kann sich bereits eine kleine Störung wie bei einem Dominoeffekt ausweiten. Bei einer Beeinträchtigung im System kommt es dann nicht nur zu Verspätungen oder Fahrtausfällen auf der direkt betroffenen Linie, die Wirkung dieses Störung ist dann sofort auch in anderen Teilen des Liniennetzes spürbar“, macht Fettig deutlich. Deshalb arbeitet die Leitstelle pausenlos daran, Störungen so schnell wie möglich zu beseitigen, damit alle Fahrgäste pünktlich und sicher ihr Ziel erreichen.
Dem nun verlagerten Stellwerk in Ettlingen kam bei der Steuerung des Stadtbahnverkehrs eine besondere Bedeutung zu, wie ein Blick auf weitere Zahlen deutlich macht. Denn allein von dem Bahnhofsgebäude in der Wilhelmstraße wurden über 50 Kilometer Eisenbahnstrecke, 19 Bahnhöfe, 68 elektrische Weichen und circa 200 Signale fernbedient. Aus fünf Abstellanlagen schickten die Mitarbeiter in den Hauptverkehrszeiten rund 40 Stadtbahnwagen auf die Schiene. Täglich werden für die zu erbringenden 140 Fahrten fünf Zugleiter und 58 Triebfahrzeugführer benötigt. „Das Stellwerk in Ettlingen war eines der am stärksten ausgelasteten im AVG-Netz, deshalb bin ich sehr erleichtert, dass der Umzug der Mitarbeiter in die zentrale Leitstelle nach Karlsruhe so gut funktioniert hat“, so Fettig. Damit der Standortwechsel so geräuschlos vollzogen werden konnte, wurde bereits ein Jahr zuvor der Probebetrieb aufgenommen.
Für die Steuerung der komplexen Abläufe in der Leitstelle können Fettig und sein VBK-Pendant Peter Hornberger auf erfahrene Kollegen zurückgreifen, die nicht nur ein hohes Maß an Kompetenz und Improvisationsfähigkeit einbringen, sondern vielfach auch selbst als Triebfahrzeugführer tätig waren oder immer noch sind: „Den Betrieb aus der Perspektive der Fahrer zu kennen, ist ungemein wichtig. So können Entscheidungen, die dann der Fahrer vor Ort rumzusetzten hat, besser eingeschätzt werden“, erklärt Fettig. „Zudem kennt man viele Fahrer durch die gemeinsamen Dienstjahre persönlich und findet dann über eine ganz andere Gesprächsebene auch die passende Ansprache über den Funk.“