Heidelberg – Dr. Elena-Sophie Prigge, Wissenschaftlerin am Pathologischen Institut des Universitätsklinikums Heidelberg, wird auf einer neuen Liste des US-amerikanischen Wirtschaftmagazins Forbes geführt.
Die Liste "30 Under 30 Europe" benennt in zehn Kategorien jeweils 30 junge Menschen aus ganz Europa unter 30 Jahren, die sich in besonderer Weise hervorgetan und ihre innovativen Ideen erfolgreich umgesetzt haben. Ihre Leistungen reichen von technischen Erfindungen und neuen Geschäftsideen über pfiffige Apps, bemerkenswerte Berichterstattung und sportliche Erfolge bis hin zu wegweisenden medizinischen Fortschritten. So wie die 29-jährige Heidelberger Medizinerin: Sie entwickelt mit ihrem Gründerteam "ViMREX" eine neue, lokal wirksame Behandlungsstrategie gegen Krebsvorstufen, die durch bestimmte Viren, humane Papillomviren, verursacht werden. Solche Gewebeveränderungen führen häufig zu Krebs z.B. im Gebärmutterhals. Derzeit bereitet das Team die erste klinische Prüfung des Medikaments vor.
Das Wirtschaftsmagazin Forbes erstellt regelmäßig Ranglisten zu verschiedenen Themen, vielfach beachtet sind die Listen der reichsten und mächtigsten Menschen sowie der 100 mächtigsten Frauen der Welt. Bereits länger gibt es auch eine "30 under 30"-Liste, allerdings nur für erfolgreiche junge Menschen in den USA. Nun ist erstmals eine europäische Version erschienen. Unter den 300 Ausgezeichneten finden sich 52 Personen oder Teams aus Deutschland. Dr. Prigge steht hier in einer Reihe mit dem Fußballer Thomas Müller, Rennfahrer Sebastian Vettel, Philipp Oettershagen, der das Solarmodellflugzeug AtlantikSolar mit entwickelte, Peter Scholze, der mit 24 Jahren Deutschlands jüngster Professor wurde, oder dem mehrfach ausgezeichneten Dokumentarfilmer Lukas Augustin. Eine Jury, die sich jeweils aus führenden Experten der jeweiligen Bereiche zusammensetzt, beurteilt die Leistungen bzw. Geschäftmodelle der Nominierten. Sie müssen wegweisend sein, unternehmerisches Denken erkennen lassen und das Potential haben, Veränderungen in Gang zu setzen. Die Jurymitglieder in der Kategorie "Wissenschaft und Gesundheit" sind der Molekularbiologe Professor Dr. Hans Lehrach, Direktor am Max-Planck-Institut für Molekulare Genetik in Berlin, Professor Dr. Steven Salzberg, Professor für Biomedizintechnik, Informatik und Biostatistik an der Johns Hopkins University, Baltimore, USA, und Professor Dr. Alvaro Sanchez, Physiker an der Freien Universität Barcelona.
Medikament gegen krebsauslösende Papillomviren
Dr. Elena-Sophie Prigge, und ihre Kolleginnen Dr. Miriam Reuschenbach und Dr. Christina von Knebel Doeberitz entwickeln gemeinsam mit ihrem Mentor, Professor Magnus von Knebel Doeberitz, eine Lokaltherapie, die humane Papillomviren (HPV) im infizierten Gewebe "entschärfen" soll: Der Wirkstoff löscht wichtige Informationen auf dem Erbgut der Viren, woraufhin diese ihre krebsauslösenden Eigenschaften verlieren.
"Gefährliche Veränderungen im befallenen Gewebe können so rückgängig gemacht werden. Das könnte in Zukunft vielen Patientinnen chirurgische Eingriffe ersparen", erklärt Elena-Sophie Prigge. "Wir gehen davon aus, dass durch die Lokaltherapie betroffene Patienten effektiver, nachhaltiger und kostengünstiger behandelt werden könnten als bisher."
Eine erste klinische Studie ist in Vorbereitung. Bisher gibt es noch kein zugelassenes Medikament, das die Entwicklung von HPV-Krebsvorstufen zum invasiven Tumor stoppt. Die Krebsvorstufen, z.B. im Gebärmutterhals, werden in der Regel vom Arzt chirurgisch entfernt, können jedoch später wieder auftreten.
Mit ihrer Geschäftsidee zur Weiterentwicklung des Medikaments setzten sich Dr. Prigge und ihre Kolleginnen 2015 im Wettbewerb um die begehrte Förderung "eXist-Forschungstransfer" des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie gegen rund 75 Mitbewerber durch. Ihnen werden bis 2017 rund 600.000 Euro zur Verfügung gestellt, um eine Existenzgründung vorzubereiten.
Der neue therapeutische Ansatz hat das Potential, HPV-verursachte Krebserkrankungen mit einer relativ einfachen und schonenden Behandlungsmaßnahme vorzubeugen. Davon würden Millionen Patienten weltweit profitieren: Zwei Drittel der Weltbevölkerung infiziert sich im Laufe des Lebens mit den weit verbreiteten Viren. Diese können verschiedene Erkrankungen an unterschiedlichen Körperstellen verursachen – das reicht von gutartigen, aber störenden Warzen über Krebsvorstufen bis zu unbehandelt tödlich verlaufenden Tumoren. Jährlich werden bei mehr als einer halben Million Menschen in den Industrienationen solche Krebsvorstufen an Geschlechtsorganen oder am Enddarm entdeckt, in den Entwicklungsländern ist die Anzahl um ein Vielfaches höher. Die chirurgische Entfernung ist gegenwärtig die Standardtherapie bei HPV-Krebsvorstufen im Anogenitalbereich und kann mit kosmetischen Entstellungen und/oder Nebenwirkungen wie anhaltenden Schmerzen oder einem erhöhten Risiko von Frühgeburten einhergehen. Es besteht daher ein großer Bedarf für nicht-invasive medikamentöse Therapien.