Pirmasens – In ihrer Forderung nach einer grundlegenden Neuordnung des Kommunalen Finanzsystems sieht sich das parteiübergreifende Aktionsbündnis „Für die Würde unserer Städte“ durch ein aktuelles Urteil des Landesverfassungsgerichtes Schleswig-Holstein bestätigt.
„Die gründliche Auswertung der am 27. Januar verkündeten Entscheidung führt mit Hilfe wissenschaftlicher Berater zu dem Ergebnis, dass den Kommunen eine ‚aufgabenadäquate‘ Finanzausstattung zusteht“, fasst Dr. Bernhard Matheis, Pirmasenser Oberbürgermeister und einer der Sprecher des Aktionsbündnisses das Urteil zusammen. Die Bundesländer, die laut Grundgesetz für die Finanzausstattung der Kommunen verantwortlich sind, dürften also nicht aus eigenem Ermessen bestimmen, was sie angesichts begrenzter Mittel lediglich für „angemessen“ halten, so Matheis weiter.
In dem Urteil des Landesverfassungsgerichtes Schleswig-Holstein zur Gewährleistung einer kommunalen Mindestausstattung heißt es unter anderem: „Den Kommunen müssen gemäß Art. 54, Absatz 1 Landesverfassung, Mittel in einem Umfang zur Verfügung stehen, die es ihnen ermöglicht, neben den Pflichtaufgaben noch ein Mindestmaß an freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben zu erledigen“. Finanzdezernent Michael Schieler verdeutlicht das Dilemma am konkreten Beispiel von Pirmasens. Der städtische Haushalt umfasst ein Volumen von rund 128 Millionen Euro. Nur etwa fünf Millionen Euro davon, also weniger als fünf Prozent der gesamten Mittel, stehen der 42 000 Einwohner starken Kommune zur Verfügung, um freiwillige Ausgaben wie Kultur, Sport, Vereinsförderung, Grünanlagen etc. zu finanzieren. Um die von Bund und Land per Gesetz verordneten Pflichtaufgaben und die freiwilligen Ausgaben finanzieren zu können, muss die Stadt Pirmasens jährlich zusätzliche Kredite in Höhe von 20 Millionen Euro aufnehmen.
„Weil der größte Teil der kommunalen Schuldenberge eine Folge von Gesetzen ist, die den Kommunen von Bund und Ländern ohne ausreichende Finanzierung immer wieder zusätzliche Aufgaben zugewiesen haben, ist dieses Urteil aus Schleswig-Holstein für die kommunale Familie von großer Bedeutung“, betont Dr. Bernhard Matheis. Mit der Entscheidung werde der Grundsatz „Wer bestellt, bezahlt!“ nochmals bestätigt. „Die Länder müssen die kommunalen Bedarfe zum Kriterium der Finanzzuweisungen machen“, unterstreicht der Pirmasenser Finanzdezernent Michael Schieler. Dass dies in der Vergangenheit nicht der Fall war, habe wesentlich zu der hohen Verschuldung vieler Kommunen beigetragen. Deshalb fordert das parteiübergreifende Aktionsbündnis Bund und Länder als Veranlasser vieler gesetzlicher Aufgaben mit Nachdruck dazu auf, hier endlich zu handeln.
Die begonnene Neuordnung des Kommunalen Finanzsystems müsse nun zügig weiter vorangetrieben werden, mahnt Dr. Matheis zur Eile: „Durch die stark gestiegenen Steuereinnahmen von Bund und Ländern und die stabil gute Konjunktur ist die Gelegenheit zu einer Reform so gut wie nie. Das Signal dazu müsse zeitnah in einer konzertierten Aktion von Bund und Ländern kommen. Schließlich liege die Finanzverantwortung für die Städte und Gemeinden bei den Bundesländern, während auf Bundesebene immer neue kostenintensive Sozialgesetze aus der Taufe gehoben werden.
Unter den gegebenen Voraussetzungen werde in den vom Strukturwandel besonders stark betroffenen und mit hohen Sozialausgaben belasteten Städte nicht mehr, die laut Verfassung geforderte Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse gewährleistet, betont Dr. Bernhard Matheis. Es sei nicht hinnehmbar, dass durch von Bund und Land zugewiesene Sozialleistungen hochverschuldete Städte aus Sparzwängen ihre Infrastruktur verfallen lassen müssten und damit in Deutschland eine Zweiklassengesellschaft der Städte untereinander entstehe.
Seit Jahrzehnten hätten Bund und Länder eine Neuordnung der Kommunalen Finanzsystems versprochen. „Statt die Zusagen einzulösen, übertragen sie den Städten und Gemeinden per Gesetz immer neue zusätzliche Aufgaben, jedoch ohne angemessene Gegenfinanzierung“, kritisiert der Pirmasenser Verwaltungschef und nennt exemplarisch die Bereiche Inklusion, U3-Betreuung und Schulbuchausleihe. „Das erklärt im Wesentlichen die hohen Schulden, die finanzschwache Kommunen wie Pirmasens trotz vielfältiger eigener Sparmaßnahmen niemals in den Griff bekommen und auch in 200 Jahren nicht zurückzahlen können“, so Matheis.
Diesen Zuwachs an Aufgaben könnten insbesondere finanzschwache Städte im Strukturwandel deutlich schwerer bewältigen und drohen in eine Spirale aus Verschuldung und Investitionsstau zu geraten, führt Finanzdezernent Michael Schieler aus und appelliert: „Städte, die besonders hohe Soziallasten zu tragen haben, müssen wieder in die Lage versetzt werden, diese auch zu stemmen“.
Die strukturelle Unterfinanzierung sei bei weitem nicht durch weitere Einsparungen bei Personal- und Sachkosten der Städte in den Griff zu bekommen. „Hier hilft einzig und allein eine nachhaltige Strukturreform“, appelliert Dr. Bernhard Matheis an die Gesetzgeber. Es sei kein Zufall, dass unter den 20 Gebietskörperschaften mit den bundesweit höchsten Kassenkreditschulden je Einwohner acht aus Rheinland-Pfalz sind, weil hier die Finanzausstattung von Städten mit hohen Soziallasten am prekärsten sei. Laut einer Erhebung der Bertelsmann-Stiftung gehören dazu neben Pirmasens die Städte Kaiserslautern, Zweibrücken, Ludwigshafen, Worms und Trier sowie der Donnersbergkreis, die Kreise Kusel und Kaiserslautern.
Die zentrale Forderung zur Wiederherstellung der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse durch ein gerechtes Gemeindefinanzsystem ist auch Thema der nächsten Kämmererrunde des Aktionsbündnisses, die auf Einladung von Finanzdezernent Michael Schieler am 17. März 2017 im Forum Alte Post in Pirmasens stattfinden wird.