Speyer – Die Besucher des Speyerer Doms bekommen derzeit einen Eindruck davon, was es bedeutet, wenn eine Orgel gereinigt wird. Pfeifen aus Metall und Holz der unterschiedlichsten Größen und Formen sind im Chorraum aufgereiht. In den zweieinhalb Wochen zuvor war noch wenig von den bereits laufenden Arbeiten zu sehen, nur das monotone Dröhnen eines Staubsaugers war bereits zu hören.
Um die Orgel im Königschor von Staub und Schmutz zu befreien, werden nun nach und nach alle beweglichen Teile ausgebaut und gereinigt. Nach dem Wiedereinbau werden die Register neu intoniert, das bedeutet im Klang untereinander und auf den Raum abgestimmt. Das kann wegen der dafür notwendigen Stille allerdings nur geschehen, wenn der Dom geschlossen ist. Abschließend werden die Pfeifen auf die richtige Tonhöhe gestimmt.
Vier Männer sind vier Wochen lang bei der Arbeit, bis die Orgel wieder einsatzbereit ist. 2410 Pfeifen, angeordnet über vier Etagen, die Mechanik und das umgebende Gehäuse sind dann gereinigt. „Der jüngste und dünnste Kollege ist für die schwierig zu erreichenden Ecken zuständig“, bemerkt Bernd Reinartz. Der junge Mann mit einer Stirnlampe auf dem Kopf, hat selbst an der Orgel mitgebaut und leitet die Reinigungsarbeiten. Zuletzt hatte er an der Orgel in der Hamburger Elbphilharmonie gearbeitet. „Wenn der Klang der Orgel die Menschen anrührt, dann haben wir gute Arbeit gemacht.“
Die Ausreinigung einer Orgel, so der Fachbegriff, ist normalerweise alle 15 bis 20 Jahre fällig, erläutert der er Zweite Domorganist und Orgelsachverständige der Diözese Christoph Keggenhoff. In Kirchen mit einem hohen Besucheraufkommen – wie dem Speyerer Dom – kann sich dieser Zeitraum deutlich verkürzen. 2008 wurde die Orgel im Königschor eingeweiht, nun ist die erste Reinigung fällig.
Hauptquelle für die Verschmutzung sind dabei die Textilfasern, die von der Kleidung der Besucher stammen. Durch thermische Bewegungen im riesigen Raumvolumen der Speyerer Kathedrale gelangen sie auch in die beiden Orgeln des Doms. Über die Zeit können diese Fasern mit dem in der Luft befindlichen Kerzenwachs verkleben. Außerdem besteht die Gefahr von Schimmelbildung. „Wenn die Wollmäuse in der Orgel dunkler werden, ist es Zeit für eine Ausreinigung“, erklärt Keggenhoff. Beim Nachstimmen gehen er und Domorganist Markus Eichenlaub regelmäßig in das Innere der Orgel und können so auch die Belastung durch Schmutz kontrollieren.
„Wenn die Kernspalte zudreckt stimmt der Ton nicht mehr“, so Keggenhoff. Mit seinem Finger zeigt er dabei auf die Öffnung auf der Pfeifenoberfläche, wie man sie auch vom Kopf einer Blockflöte kennt. „Auf einer kleinen Pfeife wirkt ein Staubkorn schon wie ein Felsbrocken“, ergänzt Orgelbauer und Intonör Reinartz. Entsprechend wichtig sei der behutsame und fachmännische Umgang mit den Orgelpfeifen. Dabei zeigt er eine kleine eckige Pfeife aus Kirschholz, nicht länger als ein kleiner Finger. Er vergleicht die Arbeiten mit der ebenfalls regelmäßig fälligen Wartung eines Fahrzeugs. Nach der Ausreinigung sei die Orgel in nahezu neuwertigem Zustand und kann im Idealfall ein paar hundert Jahre alt werden.
Die Ausreinigung kostet brutto 30.000 Euro, dazu kommen notwendige Reparaturen in Höhe von 12.000 Euro, also zusammen 42.000 Euro.