Lorsch – Für die Lorscher Tabakpflanzer hätte das Jahr nicht besser beginnen können: Ganz vorne an stand die Erfüllung eines lang gehegten Wunsches. Diese jedoch erforderte weniger gedrückte Daumen als vielmehr tatkräftige Hände. Es ging um die Reparatur und verkehrstechnische Instandsetzung des Projektmaskottchens, eines himmelblauen Bulldogs Marke Eicher. Der hat immerhin schon stolze einundsechzig Jahre auf seiner knuffigen Haube und war durch seinen Zustand immer wieder nur bedingt einsetzbar. Der rettende Mechaniker-Engel wurde schließlich in Martin Fleer gefunden. Der Besitzer einer Bensheimer Autowerkstatt hat laut eigener Aussage „einen Faible für alte Autos“. Den alten Eicher würde er sofort „mit Kusshand nehmen“, beteuert er und ist überzeugt: „Das ist doch der Traum eines jeden!“ Ob die Liebe wohl auch auf dem in dem Falle etwa gleichen Lebensalter von Mensch und Maschine beruht?
Es gibt sie noch, die Guten!
Jetzt kam der alte Eicher rechtzeitig vor der neuen Tabaksaison zurück nach Lorsch, was kräftig mit Apfelwein begossen wurde. Martin Fleer erinnert sich an die Anfrage von Wolf-Rainer Novender aus dem Lorscher Tabakprojekt: „ Ob ich mal kurz Zeit hätte, hat er gefragt“, erzählt er schmunzelnd. Am Ende hat er über 50 Arbeitsstunden in die Instandsetzung gesteckt. Seinen Arbeitseinsatz schenkt er dem Lorscher Tabakprojekt und will keinen Cent dafür: „Ich unterstütze sehr gerne, dass man damit ein altes Kulturgut und Brauchtum bewahrt“, begründet er seine Großzügigkeit. „Und außerdem“, zwinkert er, „der Sarg hat ja bekanntlich keine Anhängerkupplung…“
Gabi Dewald dankte dem so humorvollen wie uneigennützigen Bensheimer Werkstattchef auch im Namen der Stadt Lorsch sehr herzlich für seine ungewöhnliche Form interkommunaler Zusammenarbeit. Lorscher Zigarren und eine Einladung für Fleer samt Gattin in deren Lieblingslokal wurden als dankbare Anerkennung seiner großen Hilfe überreicht. Jetzt soll der alte Bulldog noch neu gespritzt werden und zum Frühlingsmarkt in ganz neuem Glanz erstrahlen.
Aller Anfang ist: klein
Bei den Tabakpflanzern blieb es spannend, denn schon nahte der Sankt Josephs-Tag, der traditionelle Termin, an dem man den Tabak aussäht. Im letzten Jahr war die vorgekeimte Saat zunächst nicht aufgegangen. „Learning by doing“ nennt man das wohl und in diesem Jahr hatte der Projektleiter Bernhard Stroick extra einen Probelauf angesetzt, um zum Saattermin alles parat zu haben. Mittlerweile ist die Projektgruppe schon beim nächsten heiklen Schritt: der Betreuung des Frühbeetes. Nicht zu heiß, nicht zu kalt, nicht zu nass, nicht zu trocken, keine Schnecken – es gibt viele Gründe, warum der Samen am Ende nicht aufgeht – was auch schon vorkam. „Aber noch haben wir immer alles hingekriegt“, sagen die tabakbegeisterten Laien, die in jedem Jahr mehr Respekt vor dem Wissen und der Fertigkeit der alten Tabakbauern bekommen und immer wieder dazu lernen.
Guter Duft – ganz ohne Rauch!
Bei einem andern Kapitel können sie jedoch nicht auf die Expertise einstiger lokaler Tabakpflanzer zurückgreifen: beim Fermentieren. Denn das wurde in Lorsch nie gemacht. Da es in Deutschland jedoch keine Fermentieranlagen mehr gibt, griffen die Lorscher schon zum zweiten Mal zur Selbsthilfe. In einer Art Fermentierkäfig, unterstützt von einer zuschaltbaren Heizmatte und einem dicken Biomantel aus Heuballen, gelang in diesem Winter das Fermentieren schon bedeutend besser als 2016. „Riecht gut“, attestierten kundige Nasen den goldbraunen Blätterbüscheln, bevor sie endgültig aus dem Käfig kamen und zu so genannten „Bänken“ gehortet wurden. Mittlerweile ist die Ernteausbeute vom vergangenen Sommer – nur ein kleiner Teil der möglichen erntbaren Blätter – zur Verarbeitung nach Bruchsal gebracht worden.
Tabak auf dem Feld: ab Mitte Mai
Für die Lorscher Tabakpflanzer ist der nächste große gemeinsame Schritt das Setzen der Sämlinge aus dem Frühbeet auf den Acker. Traditioneller Weise geschieht das direkt nach den Eisheiligen, dieses Jahr wieder entlang der Kulturachse, westlich anschließend an den Tabakschuppen. Das wird auch dann wohl der erste Feldeinsatz für den alten blauen Eicher-Bulldog werden. „Klar werden wir den neuen Paten dazu einladen“, freuen sich die Männer und Frauen immer wieder über ihren dazu gewonnenen Projekt-Freund Fleer aus Bensheim.