Karlsruhe – Sicher, zügig, komfortabel: Mit Radschnellwegen möchte das Land ins Radverkehrsnetz von Baden-Württemberg für die längeren Distanzen eine neues Radfahrangebot einweben. Überlegungen hierzu für den Regionalverband Mittlerer Oberrhein (RVMO) trug Verbandsdirektor Prof. Dr. Gerd Hager am Dienstag im Karlsruher Rathaus im Radlerforum vor. Das Expertengremium zum Thema Radverkehr – mit Vertretern aus Verbänden, Initiativen und Gemeinderat – trifft sich unter Leitung von Bürgermeister Michael Obert regelmäßig, um Ziele der Radverkehrspolitik und aktuelle Rad-Projekte zu diskutieren.
Bauträgerschaft bei Radschnellwegen sollte beim Land liegen
Das Land forciert das Thema Radschnellweg, es möchte bis 2025 landesweit zehn schnelle Trassen fertiggestellt sehen. In der Region wurden drei wichtige Achsen ausfindig gemacht, die möglicherweise das vom Land geforderte Verlagerungspotenzial von 2.000 Radfahrten am Tag aufweisen, informierte Hager, „dazu zählt etwa eine Radtrasse von Rastatt nach Karlsruhe entlang der B 36, „denn hier reihen sich die Ortschaften wie an einer Perlenschnur auf“. Es gilt, Trassen zu definieren, auf denen der Radverkehr möglichst konfliktarm geführt werden kann. Gefunden werden sollen diese über ein mehrstufiges Verfahren, beginnend mit einer Potenzialanalyse und darauf aufbauend einer Machbarkeitsstudie, die neben technischen Aspekten auch Zielkonflikte mit dem Umwelt- und Naturschutz beleuchtet.
Für die Realisierung der zehn Routen landesweit, die das höchste Verlagerungspotenzial bei geringstem Zielkonflikte aufweisen, stellt der Bund pro Jahr 25 Millionen Euro zur Verfügung. „Das ist in etwa die Summe, die ein Kilometer Autobahn kostet“, machte Bürgermeister Obert deutlich. Und sieht auch mit Blick auf die möglichen Zielkonflikte mit dem Umweltschutz ein Umsetzungshindernis: „Es kann nicht sein, dass für Radschnellwege strengere Umweltvorgaben angelegt werden als für eine Landstraße.“ Einig war man sich im Radlerforum mit dem RVMO, was die Bauträgerschaft angeht. „Radschnellweg müssen in der Baulast des Landes liegen, um eine zusammenhängende Realisierung und Betrieb zu gewährleisten“, betonte Hager.
An Baustellen konsequent an Radfahrende denken
Die Verkehrsführung für Radfahrende an Baustellen ist nicht optimal – das fanden viele Radfahrer beim ADFC Fahrradklimatest 2014, Karlsruhe erhielt damals daher die Schulnote „Vier minus“. Welche Erkenntnisse die KASIG aus dem bisherigen Bauverlauf gezogen hat, erläuterte Johannes Häberle. Dabei sei es eine immerwährende Herausforderung, alle Verkehrsteilnehmer und als Bauherr zugleich auch Gesichtspunkte wie Bauzeitenplan und Baukosten unter einen Hut zu bekommen.
Die meisten Stadträte wünschten sich bei den kommenden Baustellen eine konsequentere Beachtung der Belange des Radverkehrs. Es könne nicht sein, dass Umleitungen nicht konsequent ausgeschildert werden und man „im Nichts“ endet, hieß es etwa. Hinzu komme, so ein weiterer Hinweis aus dem Radlerforum, dass manche Umleitungen für Radfahrende mit Hängern oder Lastenräder nicht fahrbar gewesen seien. Auch solle im Bereich der Radschulwege darauf geachtet werden, dass das begleitete Radfahren von Kindern auf Gehwegen lückenlos möglich sei, schließlich dürften die Kleinsten nicht auf die Fahrbahn ausweichen.
Fahrradparken ist Dauerthema
Ein Dauerthema im Forum ist das Fahrradparken – wo immer häufiger in die Pedale getreten wird, muss das Angebot an Fahrradabstellmöglichkeiten mithalten, ist man sich im Forum einig. Und verkennt nicht, dass in jüngerer Zeit an zahlreichen Stellen im Stadtgebiet neue Fahrradständer errichtet wurden. „Wo immer es geht, kümmern wir uns um zusätzliches Fahrradparken“, informierte Ulrich Wagner vom Stadtplanungsamt in seinem Sachstandsbericht. Das sei zum Teil mit erheblichem Abstimmungsaufwand verbunden. Wer irgendwo Bedarf für Fahrradständer sieht, kann dies über KA-Feedback melden, dies werde dann von der Verwaltung geprüft.
Ein Anreiz, sich beim Parken für das stadtverträgliche Fortbewegungsmittel Rad einzusetzen, ist auch die Rezertifizierung als Fahrradfreundliche Stadt seitens des Landes. Hier hat das Land beim Fahrradparkierungskonzept für die Innenstadt mehr und überdachte Fahrradabstellanlage gefordert. „Das Thema überdachte Fahrradabstellanlagen müssen wir angehen“, gab denn auch Bürgermeister Obert einen Schwerpunkt bei der Umsetzung des Radförderkonzepts vor.
Besonders hoch ist der Bedarf an Abstellplätzen auch am Hauptbahnhof. Hier soll am Hauptbahnhof-Süd eine neue Fahrradstation entstehen. Denn das Parkdeck P3, das nicht mit den anderen Parkdecks verbunden ist, wird aufgegeben, da es baustellenbedingt mit dem Auto nicht mehr anfahrbar ist. Aus den rund 40 Pkw-Stellplätzen entstehen, so Wagner, daher über 400 Fahrradabstellanlagen.
Kein Rückgang bei Unfällen mit schwer verletzten Radfahrern
Nach wie vor konnte der Trend bei Unfällen mit schwer verletzten Radfahrenden nicht umgekehrt werden. In den letzten zehn Jahren blieben die Unfallzahlen in etwa konstant. Da sich gleichzeitig der Radverkehrsanteil deutlich erhöht hat, so Wolfgang Ott vom Polizeipräsidium bei der Vorstellung der Radunfallstatistik 2016, sei es damit aber für Radfahrer „relativ“ gesehen sicherer geworden.
Erfreulich ist, dass 2016 deutlich weniger Kinder unter 13 Jahren mit dem Rad verunglückten – hier gingen die Zahlen von 54 auf 32 zurück. Dagegen weisen die Zahlen bei den jungen Erwachsenen stark nach oben, von 72 auf 89 Unfälle. In den anderen Altersgruppen waren keine signifikanten Veränderungen zu beobachten. Bei den rund 400 Unfällen zwischen Rad und Pkw waren in zwei von drei Fällen die Autofahrenden die Hauptunfallverursacher. Sie machten insbesondere Fehler beim Abbiegen und beachteten die Vorfahrt nicht. Bei den Radfahrenden waren das „Geisterradeln“ und das Missachten der Vorfahrt die Hauptunfallursachen.