Bodenheim / Mainz – Am 13. Juli 2017 fand auf dem Hofgut der Familie Acker „Sankt Wendelinshof“ in Bodenheim die diesjährige Erntepressekonferenz des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Pfalz Süd e.V. (BWV) statt. Im Mittelpunkt standen die außergewöhnlichen Wetterkapriolen und deren Auswirkungen auf die landwirtschaftlichen Kulturen. BWV-Präsident Eberhard Hartelt sprach mit Blick auf das laufende und die beiden vergangenen Jahre von einer Zunahme der Häufigkeit extremer Witterungsphasen, die eine große Herausforderung für die Betriebe in Rheinhessen und der Pfalz darstelle. Daneben wurden auch die derzeitige Situation auf den Agrarmärkten und das Einkaufsverhalten des Lebensmitteleinzelhandels bei Gemüse und Frühkartoffeln aus der Region thematisiert.
Auf den wärmsten März seit Wetteraufzeichnungen folgte ein Wintereinbruch in der zweiten Aprilhälfte mit Temperaturen, die an mehreren Tagen flächendeckend deutlich unter den Gefrierpunkt gefallen waren. Durch die Kombination dieser beiden Wetterextreme kam es zu erheblichen Frostschäden im Weinbau und Obstbau. Die sich daran anschließende wochenlange Trockenheit, mit teilweise sehr heißen Phasen, hatte wiederum deutliche Einbußen im Futterbau zur Folge und beeinflusste auch die Ergebnisse der derzeit laufenden Getreideernte.
Die Ernte der Wintergerste im südlichen Rheinland-Pfalz ist nahezu abgeschlossen und auch die Ernte der Sommergerste ist weit vorangeschritten. Laut Hartelt gebe es sehr große Ertragsunterschiede zwischen und innerhalb der Regionen; insgesamt werde man eine leicht unterdurchschnittliche Ernte bei zufriedenstellenden Qualitäten einfahren. Bei den frühen Getreidesorten hätte der mangelnde Regen in der sogenannten Kornfüllphase nicht so große Auswirkungen gehabt wie befürchtet. Beim Weizen, der mehr als die Hälfte der Getreidefläche im südlichen Rheinland-Pfalz ausmacht, sehe dies anders aus. Erste Ernteergebnisse seien bei großen Schwankungen insgesamt bisher unterdurchschnittlich. Der BWV-Präsident geht deshalb über alle Getreidearten hinweg von einer Erntemenge aus, die zwar über der des schlechten Vorjahres liegen werde aber deutlich unterhalb des möglichen Potentials des Verbandsgebietes bleibt. Dies gelte auch für den Raps, dessen Ernte ebenfalls gerade begonnen hat. Der Niederschlag der vergangenen Tage käme für diese Kulturen zu spät.
Für Zuckerrüben und Mais komme der Regen gerade noch rechtzeitig, um die bisher gute Entwicklung nicht zu unterbrechen. Die entscheidende Phase stünde zwar noch bevor, aber derzeit überwiege eine positive Ertragserwartung. Auch für die Grünlandflächen sei der Niederschlag mehr als notwendig, da der Futterertrag bisher deutlich hinter den notwendigen Mengen zurückgeblieben sei.
Vor diesem Hintergrund hatte der BWV erfolgreich Unterstützungsmaßnahmen, wie Steuererleichterungen, die Nutzung von brachliegenden Flächen und vergünstigte Kredite für die Betriebe gefordert. Dies sei auch für den Obstbau erreicht worden, der frostbedingt mit erheblichen Einbußen bis hin zu Totalausfällen zu kämpfen hat. Da eine Versicherung im Obstbau derzeit nicht möglich ist, setzte sich der BWV zusätzlich für die Anerkennung der Frostschäden als außergewöhnliches Naturereignis ein, um Finanzhilfen durch das Land möglich zu machen. Dieser Forderung ist der rheinland-pfälzische Landwirtschaftsminister, Dr. Volker Wissing, inzwischen gefolgt. Die betroffenen Betriebe können ihre Schäden melden.
Neben dem Obstbau hatte der Frost auch den Weinbergen zugesetzt. Zwar hätten sich anschließend noch Seitentriebe entwickeln können, aber nicht so stark wie erhofft. Auch wenn die verbleibenden Trauben einen Teil der Ausfälle kompensieren könnten, rechnet Hartelt mit einer Erntemenge, die unterhalb des Durchschnitts der letzten Jahre liegen werde. Im Hinblick auf die Qualität sei aber weiterhin ein hochwertiger Jahrgang möglich. Getroffen hatten die kalten Nächte auch die Erdbeeren, bei denen ein erheblicher Teil der Blüten erfror und es deshalb zu Ernteausfällen kam. Beim Spargel wiederum hatten die hohen Märztemperaturen zu einem sehr frühen Erntestart mit bereits großen Mengen geführt, die auf eine noch zurückhaltende Nachfrage trafen. Das Überangebot führte zu schnell fallenden Preisen, die sich auch durch den Kälteeinbruch im April nur bedingt erholten.
Mit Blick auf die Getreidemärkte sprach BWV-Präsident Hartelt zwar von aktuell tendenziell steigenden Erzeugerpreisen, aber diese seien bei den diesjährigen Erträgen zu niedrig, um Kostendeckung zu erreichen. Er hoffe auf eine weiter positive Preisentwicklung, die den weltweit nach unten korrigierten Ernteprognosen Rechnung trage. Auch im Gemüsebau und bei Frühkartoffeln seien die Erzeugerpreise nicht akzeptabel. Der Grund dafür sei das Einkaufsverhalten des Lebensmitteleinzelhandels (LEH) zu Beginn der Saison gewesen. Statt qualitativ hochwertige Ware aus heimischer Produktion in die Regale zu nehmen, die schon früh verfügbar gewesen war, sei auf Billigimporte zurückgegriffen worden. Hartelt kritisierte die absolute Fokussierung einiger Handelsunternehmen auf den Einkaufspreis. Dies sei eine Abkehr von der Regionalität, die von den Märkten nicht nur aktiv beworben werde, sondern darüber hinaus auch gesellschaftlich erwünscht sei. Auch könne es nicht sein, dass der LEH den Betrieben immer höhere, kostenintensive Auflagen mache, die Ware dann aber nicht abnehme. Hier sei dringend eine Änderung in der Einkaufspolitik erforderlich, um den Anbau im Sinne der Verbraucher in der Region zu halten.