Bonn – Eine totale Sonnenfinsternis ist für Beobachter spektakulär: „Etwa 30 Sekunden bevor die Sonne ganz hinter der Mondscheibe verschwindet, wird es mitten am Tag merklich dunkler, so, als habe jemand heftig am Dimmer einer Lampe gedreht“, erläutert Dr. Manfred Gaida, Astrophysiker im Raumfahrtmanagement des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Bonn, das Phänomen. Der Mond schiebt sich vor die Sonne, bis nur noch ein leuchtender Strahlenkranz, die Korona, zu erkennen ist. Dort, wo sein kegelförmiger Kernschatten die Erde trifft, verdunkelt sich der Himmel. Etwa 75 bis 90 Minuten vorher beginnen die partiellen Phasen der Verfinsterung. Ebenso lang dauert es nach der Finsternis, bis die „Rundumdämmerung“ wieder vollkommen verschwunden ist.
Sonnenfinsternisse kommen in drei Arten vor: partiell, ringförmig und total – und im seltenen Fall als eine Kombination von ringförmig und total. Dabei ist die jeweilige Konstellation von Erde, Mond und Sonne entscheidend. Manfred Gaida: „Je weiter der Mond von der Erde entfernt ist und je näher die Sonne zur Erde steht, desto eher kommt es zu einer ringförmigen SoFi. Ist der Mond der Erde jedoch relativ nahe und die Sonne relativ fern, so wie jetzt, ist die Wahrscheinlichkeit für eine totale Sonnenfinsternis groß. Eine Rolle spielt auch, wo die Sonnenfinsternis auf der Erdoberfläche stattfindet. In den Polarregionen sind partielle Verfinsterungen die häufigsten.“
Credit: NASA/Goddard Space Flight Center Scientific Visualization Studio
Die letzte von Deutschland aus beobachtbare totale Sonnenfinsternis war am 11. August 1999. „Genau 18 Jahre, zehn Tage und acht Stunden später findet nun am 21. August 2017 ihre so genannte ‚Tochterfinsternis‘ im Saroszyklus Nr. 145 statt“, erklärt DLR-Wissenschaftler Gaida, und ergänzt: „Weil sich in acht Stunden Zeitunterschied die Erde um circa 120 Grad in geographischer Länge weiter von West nach Ost gedreht hat, verläuft der Totalitätsstreifen jetzt über dem nordamerikanischen Kontinent.“ Die Weltraumbehörde NASA berichtet live über die „Great American Eclipse“. Diese ist seit dem 8. Juni 1918 die erste totale Sonnenfinsternis, die wieder vom Pazifik bis zum Atlantik quer über die USA hinwegzieht.
Doch was ist es, das die Menschen seit jeher an diesem kosmischen Schauspiel fasziniert? „In vergangenen Zeiten deutete man Finsternisse als Zeichen des Schicksals, denn die Sonne galt als Quell des Lebens und als Gottheit. Schon die alten Babylonier kannten mathematische Regeln, mit denen sich Sonnen- und Mondfinsternisse vorhersagen ließen“, berichtet Manfred Gaida. Sie fanden heraus, dass Finsternisse ähnlicher Art und Form im Abstand von 6.585 1/3 Tagen aufeinander folgen und nannten diese spezielle Abfolge „Saros“. Nach Ablauf einer „Sarosperiode“ nehmen Mond, Erde und Sonne nahezu wieder die gleiche Stellung zueinander ein, sodass sich Sonnen- und Mondfinsternisse nach diesem Zeitraum unter fast denselben Bedingungen wie 18 Jahre zuvor wiederholen. Außer dem Saros lassen sich auch andere Finsternis-Zyklen berechnen, doch keiner ist laut Gaida so elegant und einprägsam wie dieser.
Nach einer eher geographisch-mathematischen Analyse der Sonnenfinsternisse im 17. und 18. Jahrhundert, waren diese Ereignisse ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine willkommene Gelegenheit für die damals noch junge spektroskopische Forschung. Mit ihrer Hilfe entdeckte man 1868 bei einer Finsternis in der Sonne – unter anderem – das Element Helium. Mithilfe von Fotografien konnten Astronomen damals auch klar nachweisen, dass die Sonnenkorona und die bogenförmigen, leuchtenden Materieströme, die Protuberanzen, tatsächlich zur Sonne gehören und nicht zum Mond und auch keine rein atmosphärischen Erscheinungen sind, die nur bei Sonnenfinsternissen zutage treten. „Die Sonnenfinsternis vom 29. Mai 1919 gilt aber bislang als die wissenschaftlich bedeutendste, denn sie untermauerte Albert Einsteins 1915 veröffentlichte Allgemeine Relativitätstheorie“, so Gaida, „und diese Theorie ist ja selbst nach 100 Jahren noch immer von vitalem Forschungsinteresse, wie es die jüngsten Entdeckungen der Gravitationswellen zeigen.“