Ludwigshafen – Die Hafenbetriebe Ludwigshafen am Rhein GmbH haben keinen Anspruch auf Erteilung eines Bauvorbescheids für den Wiederaufbau der im Juni 2013 abgebrannten Lagerhalle auf der Parkinsel in Ludwigshafen. Dies hat das Verwaltungsgericht Neustadt a.d. Weinstraße am 16. September 2015 entschieden.
Die Klägerin ist Betreiberin der Hafenbetriebe Ludwigshafen am Rhein. Auf der zum Luitpoldhafen gehörenden Parkinsel befand sich eine für die Lagerung von Kunststoffen genehmigte 170 m lange und 56 m breite Halle, die bei einem Großbrand am 22. Juni 2013 zerstört wurde. Bei dem Großbrand brannte die Lagerhalle, in der von einer Spedition im Auftrag der BASF SE 4.800 Tonnen Kunststoffgranulat gelagert wurden, bis auf wenige Stellen vollständig ab. Brandursache war vermutlich ein technischer Defekt an der Photovoltaik-Anlage auf dem Dach. Das Grundstück wurde inzwischen vollständig abgeräumt.
Im Dezember 2013 stellte die Klägerin eine Bauvoranfrage zum Wiederaufbau der zerstörten Halle mit einer Gesamtnutzfläche von 9.485,20 m². Zur Nutzung wurde im Antrag angegeben: „Die gelagerten Güter in der Lagerhalle werden, wie bisher genehmigt, in erster Linie aus Kunststoffen der BASF SE bestehen. […] Auf der Dachfläche wird die genehmigte Photovoltaikanlage wiederinstalliert.“
Im August 2014 lehnte die beklagte Stadt Ludwigshafen die Erteilung eines Bauvorbescheids für das beantragte Bauvorhaben mit der Begründung ab, das Vorhaben füge sich nicht in die nähere Umgebung ein. Die geplante Nutzung sei geeignet, bodenrechtliche Spannungen auszulösen. Die Lagerung von bis zu 10.000 Tonnen und der dadurch entstehende LKW-Verkehr von ca. 30 Frequentierungen pro Tag seien mit der benachbarten Wohnnutzung unverträglich. Das Lagergut könne zudem zu einer Gefährdung der Anwohner führen, wie sie sich beim Großbrand im vergangen Jahr realisiert habe. Damit seien die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse aufgrund der Immissionen nicht gegeben.
Die Klägerin hat nach erfolgloser Durchführung eines Widerspruchsverfahrens im März 2015 Klage erhoben und geltend gemacht, sie habe einen Anspruch auf Erteilung des Bauvorbescheids aus Bestandsschutzerwägungen. Das fragliche Gebäude sei bereits seit mehreren Jahrzehnten rechtmäßig vorhanden gewesen und habe nicht zuletzt im Hinblick auf Dimension und örtliche Lage die Umgebung maßgeblich mitgeprägt. Somit fehle nach einer „gewachsenen“ Verkehrsauffassung das Gebäude an dieser Stelle geradezu, weshalb sich eine Neuerrichtung regelrecht aufdränge. Das Einfügenserfordernis sei bei der Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbebetriebes entbehrlich.
Die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Neustadt a.d. Weinstraße hat die Klage nach Durchführung einer Ortsbesichtigung mit Urteil vom 16. September 2015 abgewiesen. Zur Begründung haben die Richter ausgeführt: Die Klägerin könne die Zulässigkeit des Wiederaufbaus der im Juni 2013 abgebrannten Lagerhalle zunächst nicht aus Bestandschutzerwägungen herleiten. Mit der Beseitigung des Gebäudes sei der Bestandsschutz erloschen. Dabei sei es unerheblich, dass das Gebäude durch ein zufälliges Ereignis wie dem Brand beseitigt worden sei.
Der Klägerin stehe auch aus einfach-gesetzlichen Vorschriften kein Anspruch auf Erlass des Vorbescheids zu. Das Vorhaben befinde sich in einem faktischen Gewerbegebiet und füge sich zwar nach der Art der baulichen Nutzung in die nähere Umgebung ein, nicht aber nach dem Maß der baulichen Nutzung. Die flächenmäßige Ausdehnung des geplanten Baukörpers überschreite den aus der prägenden Umgebungsbebauung zu entnehmenden Rahmen in dem faktischen Gewerbegebiet um mehr als das Dreifache und würde im Falle seiner Realisierung bodenrechtlich bewältigungsbedürftige Spannungen auslösen.
Das Bauvorhaben der Klägerin könne schließlich nicht nach § 34 Abs. 3a Satz 1 Baugesetzbuch (BauGB) zugelassen werden. Danach kann im Einzelfall vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung abgewichen werden, wenn die Abweichung u.a. der Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbebetriebs dient, städtebaulich vertretbar ist und auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Nach Ansicht der Kammer lägen die Voraussetzungen einer Zulassung nach § 34 Abs. 3a BauGB nicht vor. Denn die Neuerrichtung einer im Vergleich zur gewerblichen Umgebungsbebauung mehr als dreimal so großen Halle zur Lagerung von Gütern mit einer hohen Brandgefährdung unmittelbar gegenüber einer Wohnbebauung halte die Kammer nicht für städtebaulich vertretbar. Östlich der Hafenstraße befänden sich in dem betreffenden Bereich nahezu ausschließlich Wohngebäude. Der Abstand zwischen den Wohnhäusern, die bereits vor Errichtung der abgebrannten Halle gebaut worden seien, und der geplanten 170 m langen Lagerhalle betrage nur ca. 26 m. Nördlich der Schwanthaler Allee seien in den letzten zehn Jahren nur Wohngebäude errichtet worden. Der Brand im Juni 2013, der vermutlich durch einen technischen Defekt an der Photovoltaik-Anlage auf dem Dach der Lagerhalle verursacht worden sei, habe einen Großeinsatz der umliegenden Feuerwehren und Rettungskräfte ausgelöst. 2300 Menschen hätten ihre Häuser verlassen müssen. Dass an den Nachbargebäuden keine größeren Schäden entstanden seien, sei auch der günstigen Wetterlage zu verdanken gewesen.
Der Vorfall im Juni 2013 habe den bestehenden städtebaulichen Missstand des Nebeneinanders von gewerblicher Nutzung mit der Lagerung von Gütern mit hoher Brandgefährdung und Wohnnutzung offenbart. Insbesondere die Größe der Lagerhalle mit ihrer im Verhältnis zu den benachbarten Gewerbebetrieben vielfach höherer Lagerkapazität stelle auch bei angenommener Einhaltung der Brandschutzvorschriften ein unkalkulierbares Risiko für die umgebende Wohnbebauung dar, da technische Defekte ebenso wie z.B. Blitzeinschläge nicht ausgeschlossen werden könnten. Die Risiken im Falle eines Brandes seien bei einem so großen Gebäude mit solch gefährlichen Gütern ungleich höher als einem deutlich kleineren Gebäude mit weniger gefährlichen Gütern. Die genannte Gefahr bestünde im Falle des Wiederaufbaus der Halle mit anschließender Nutzung wie zuvor.
Gegen das Urteil kann die Zulassung der Berufung durch das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in Koblenz beantragt werden.
Verwaltungsgericht Neustadt, Urteil vom 16. September 2015 – 3 K 245/15.NW –