Karlsruhe – Hurrikan Irma, der in den vergangenen Tagen auf dem Atlantik und in der Karibik wütete, hat Zerstörungen in Höhe von 10 Milliarden US-Dollar verursacht. Das haben Forscher des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) berechnet. Der Wirbelsturm der höchsten Kategorie fünf war außerdem der längste dieser stärke und hat auf Südseeinseln wie Barbuda, Saint Martin und den Virgin Islands zahlreiche Häuser zerstört und die Versorgung mit Strom, Trinkwasser und Benzin zusammenbrechen lassen.
„Gemessen an der Schadenssumme von 10 Milliarden US-Dollar war dies der schlimmste Sturm in der Karibik aller Zeiten“, sagt James Daniell vom Geophysikalischen Institut und vom Center for Disaster Management and Risk Reduction Technology (CEDIM) des KIT. „Noch nie zuvor hat jemals ein tropischer Wirbelsturm weltweit so lange eine Intensität mit Windgeschwindigkeiten von 298 Stundenkilometer oder mehr aufrecht erhalten, nämlich 37 Stunden“, sagt Bernhard Mühr von CEDIM. „Der bisherige Rekordhalter, der Taifun Haiyan, brachte es nur auf 24 Stunden.“
Besonders schwer betroffen sind unter anderem die Überseegebiete Großbritanniens, Frankreichs und der Niederlande. „Aber nach unserem Schadensmodell hat Barbuda, wo 40 bis 50 Prozent aller Güter zerstört wurden, die anteilig größten Schäden erlitten“, sagt Daniell.
In absoluten Zahlen seien jedoch die Verluste auf Saint Martin/Sint Maarten (Frankreich/Niederlande) und den Virgin Islands (USA und GB) am größten. Die direkten Schäden an Wohn- und Gewerbeimmobilien, Infrastruktur sowie Gebrauchsgütern wie etwa Autos summieren sich dort auf 4,4 bis zu 11,9 Milliarden US-Dollar.
Erstellt haben die CEDIM-Forscher diese Bilanzen mithilfe eines von James Daniell entwickelten Risikoschadenmodells, das die direkten ökonomischen Schäden nach einer Naturkatastrophe berechnet. Die Wissenschaftler haben dafür eine Naturkatastrophen-Datenbank mit 60.000 Einträgen angelegt (CATDAT). Laut CATDAT geht ein Drittel des wirtschaftlichen Gesamtschadens von 7 Billionen Dollar seit dem Jahr 1900 auf das Konto von Flutkatastrophen. Erdbeben verursachen 26 Prozent der Schäden, Stürme 19 Prozent, Vulkanausbrüche machen lediglich ein Prozent aus. „In den vergangenen hundert Jahren haben die wirtschaftlichen Schäden durch Naturkatastrophen pro Jahr – absolut gesehen – zugenommen“, sagt Daniell. Während auf den gesamten Zeitraum gesehen Flutkatastrophen die größten Verursacher wirtschaftlicher Schäden sind, geht in der jüngeren Vergangenheit, seit 1960, mit 30 Prozent der größte Anteil auf Stürme und Sturmfluten zurück.
CATDAT greift auf sozioökonomische Indikatoren wie Gebäudedaten, Human Development Index (HDI) oder Bruttoinlandsprodukt zurück und bildet die Grundlage für das Schadenmodell, das Regierungen und Hilfsorganisationen bei der Abschätzung des Ausmaßes einer Katastrophe und das Katastrophenmanagement unterstützt. Erfolgreich angewendet wurde es bereits beim Tohoku Erdbeben in Japan oder dem Taifun Haiyan über den Philippinen. Die Informationen haben die Wissenschaftler seit 2003 aus Online-Archiven, Büchern, Berichten von Institutionen, Publikationen sowie aus weiteren Datenbeständen weltweit zusammengetragen, wobei die Datenbank jährlich aktualisiert wird.