Karlsruhe – Ob als Smartphone-App für die Fahrkarte im Nahverkehr, als Geldwertkarten für das Schwimmbad oder in Form einer Bonuskarte für den Supermarkt: Für viele gehören „elektronische Geldbörsen“ längst zum Alltag. Doch vielen Kunden ist nicht klar, dass sie mit der Nutzung dieser Angebote weitestgehend auf ihre Privatsphäre verzichten. Am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) entsteht ein sicheres und anonymes System, das gleichzeitig Alltagstauglichkeit verspricht. Es wird nun auf der Konferenz ACM CCS 2017 in den USA vorgestellt.
Es ist vor allem das fehlende Problembewusstsein, das den Informatiker Andy Rupp von der Arbeitsgruppe „Kryptographie und Sicherheit“ am KIT immer wieder erstaunt: „Den wenigsten Nutzern ist nach meiner Beobachtung klar, dass sie mit der Teilnahme an solchen Bonus- oder Zahlungssystemen detailgetreu offenlegen wie und was sie konsumieren oder welche Wege sie zurücklegen.“ Denn um eine Manipulation der Konten durch unehrliche Nutzer vorzubeugen, werden die Kundendaten und Kontostände bei Zahlungs- und Bonussystemen heute standardmäßig mit Hilfe einer zentralen Datenbank verwaltet. Der Kunde wird bei jedem Zahlungsvorgang identifiziert und die Details seiner Transaktion der zentralen Datenbank mitgeteilt. Dieser wiederholte Identifikationsvorgang führt zu einer Datenspur, die durch den Anbieter oder durch Dritte missbraucht werden könnte.
Mit dem scheinbaren Widerspruch von Privatsphäre und Sicherheit wollte sich der Kryptographie-Experte nicht abfinden und hat nun gemeinsam mit Gunnar Hartung und Matthias Nagel vom KIT sowie Max Hoffmann von der Ruhr-Universität Bochum die Grundlagen einer „elektronischen Geldbörse“ vorgestellt, die anonym funktioniert, gleichzeitig aber Missbrauch verhindert. Das von ihnen entwickelte Protokoll „black-box accumulation plus“ (BBA+) verlagert dabei alle notwendigen Kontoinformationen auf die verwendete Karte oder das Smartphone und garantiert mithilfe kryptographischer Methoden deren Vertraulichkeit. Gleichzeitig bietet BBA+ aber auch Sicherheitsgarantien für den Betreiber des Bonus- oder Zahlungssystems: Das Protokoll garantiert den korrekten Kontostand und ist mathematisch zudem so konstruiert, dass die Identität eines Nutzers aufgedeckt wird, sobald versucht wird, mit einem manipulierten Konto zu bezahlen.
Das neue Protokoll ist die Weiterentwicklung eines anonymen Bonuskartensystems, das ebenfalls von der KIT-Forschungsgruppe entwickelt wurde. Allerdings war es dabei notwendig beim Sammeln und Einlösen von Punkten eine Internetverbindung zu gewährleisten, um einen Missbrauch zu verhindern. „Unser neues Protokoll garantiert nun die Privatsphäre und Sicherheit der Kunden auch im Offline-Betrieb“, sagt Andy Rupp. „Das ist wichtig für die Alltagstauglichkeit eines Zahlungssystems. Denken Sie etwa an ein U-Bahn Drehkreuz oder an Mautbrücken, dort besteht vielleicht gar keine oder nur eine zu langsame Internetverbindung.“ Alltagstauglich wird das neue Protokoll auch durch dessen eindrucksvolle Effizienz: Bei ersten Testläufen konnten die Forscher Zahlungen in etwa einer Sekunde abwickeln.