Heidelberg – Wer heute Mitte 60 ist, fühlt sich nicht nur jünger, sondern weist in der Regel auch einen besseren Gesamtgesundheitszustand auf als Gleichaltrige noch vor zwanzig Jahren – hinzu kommt eine größere Lebenszufriedenheit. Das ist eines der aktuellen Ergebnisse der Interdisziplinären Längsschnittstudie des Erwachsenenalters (ILSE), die 1993 am Institut für Gerontologie der Universität Heidelberg gestartet wurde. Die aktuelle Untersuchungswelle im Rahmen der Studie wurde jetzt abgeschlossen. Die beteiligten Wissenschaftler, darunter auch Forscher des Universitätsklinikums Heidelberg und der Universität Leipzig, präsentieren die Ergebnisse während des Heidelberger Symposiums zur interdisziplinären Arbeit in der Sozialpsychiatrie, das Ende Oktober 2017 stattfindet.
Zu den Besonderheiten der Langzeitstudie zählt, dass die Teilnehmer zwei verschiedenen Generationen – den Geburtsjahrgängen 1930 bis 1932 und 1950 bis 1952 – angehören. Damit lassen sich deren Wege ins Alter parallel verfolgen und Vergleiche ziehen. Die Untersuchung baut dabei auf einer sehr breiten Basis von Gesundheitsparametern auf. Dazu gehören neben lebensgeschichtlichen, psychologischen und psychiatrischen auch medizinische und zahnmedizinische Aspekte. Außerdem haben die Forscher Daten über sensorische Leistungen und Alltagskompetenzen der Teilnehmer erhoben. „Wir haben festgestellt, dass leichte kognitive Beeinträchtigungen als Risikosyndrom für Alzheimer Demenz aktuell weniger häufig auftreten als bei Gleichaltrigen zwanzig Jahre zuvor. Auch eine Verbesserung der neuropsychologischen Leistungsfähigkeit ist zu beobachten – ein Effekt, der auf einen insgesamt besseren Gesamtgesundheitszustand verweist“, erläutert Prof. Dr. Hans-Werner Wahl vom Psychologischen Institut der Universität Heidelberg.
„Die Ergebnisse belegen, dass es den heute 65-Jährigen körperlich und geistig besser geht. Eine solch gute Verfassung in dieser Altersstufe gab es wohl historisch noch nie“, betont Prof. Dr. Johannes Schröder, Leiter der Gerontopsychiatrischen Forschung am Universitätsklinikum Heidelberg. Nach den Worten von Hans-Werner Wahl holt sich die Generation der sogenannten Babyboomer das, was sie benötigt, mit einer ganz anderen Zielgerichtetheit als die Vorgängergeneration. Das hängt, so der Psychologe, nicht zuletzt mit persönlichen Einstellungen gegenüber dem Älterwerden zusammen, die mit einer größeren Lebenszufriedenheit einhergehen. Auch die wichtige Rolle von sozialen Beziehungen für „gutes Altern“ bestätigt die Studie.
Die Befunde der Interdisziplinären Längsschnittstudie dienen einem besseren Verständnis des Älterwerdens. Sie besitzen aber auch, da sind sich die Wissenschaftler sicher, eine weitreichende Bedeutung für die Entwicklung präventiver Maßnahmen, die die Lebensqualität im mittleren und höheren Erwachsenenalter verbessern und gerontopsychiatrischen Erkrankungen vorbeugen können. „Die ILSE-Daten unterstreichen, dass lebenslang aufgebaute kognitive Reserven und körperliche Aktivität vor allem dann relevant sind, wenn geistige und funktionale Verluste im höheren Lebensalter auftreten. Ein anregender und aktiver Lebensstil früh im Leben zahlt sich also gewissermaßen spät im Leben aus“, sagt Dr. Christine Sattler vom Psychologischen Institut.
Die vierte Untersuchungswelle der Interdisziplinären Längsschnittstudie des Erwachsenenalters wurde von der Dietmar Hopp Stiftung mit 400.000 Euro gefördert. Die über verschiedene Messzeitpunkte erhobenen Daten konnten bereits in unterschiedlichen Zusammenhängen wissenschaftlich ausgewertet werden. So sind in den vergangenen drei Jahren sechs Dissertationen und vier Masterarbeiten mit ILSE-Daten entstanden.
Das Symposium, mit dem die aktuellen Auswertungen vorgestellt und diskutiert werden sollen, trägt den Titel „Emotionale und kognitive Altersentwicklung – Ergebnisse der Interdisziplinären Längsschnittstudie des Erwachsenenalters für die Praxis“. Die Veranstaltung findet am 25. Oktober in Heidelberg statt.
Informationen im Internet:
ILSE-Homepage der Abteilung Psychologische Alternsforschung