Weinheim – „Sie können sehr stolz darauf sein, was hier geleistet worden ist“, bescheinigte Karsten Altenburg aus dem Stuttgarter Wirtschaftsministerium. Sein „Haus“ hatte jetzt eine vierköpfige Delegation nach Weinheim geschickt – zu einer Fachtagung, die sich eigentlich eher einem Bildungsthema widmete. Aber die Wertschätzung im Wirtschaftsministerium der dreifachen Mutter und Unternehmerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut zeigte, wie im Land die Intensive Berufsorientierung als Zukunfts- und Fortschrittsthema eingestuft wird.
„IBoSek1“ – so heißt die Abkürzung für „Intensive Berufsorientierung an Schulen der Sekundarstufe 1“. Diese ist das Anliegen eines Projekts, das zum Ziel hat, möglichst viele Jugendliche unmittelbar nach ihrem Schulabschluss in eine Berufsausbildung zu bringen. „IBoSek1“ ist als Teil eines Modellversuchs des Landes ein weit gedachter Lösungsansatz gegen den Fachkräftemangel.
Denn es ist wie überall: Dem „Musterländle“ in Sachen betrieblicher Ausbildung, dem Land der Tüftler, Erfinder und des Mittelstandes werden die Auszubildenden knapp. Es kommt nun auf jeden an, der nach der neunten oder zehnten Klasse die Schule verlässt. Aber nur mit einer qualitätsvollen Berufsorientierung schon während ihrer Schulzeit schaffen die Jugendlichen den Anschluss nach dem Abschluss. Der Modellversuch ist daher ein gemeinsamer von Wirtschafts- und Kultusministerium. Landesweit ziehen dafür Schulämter und die Arbeitsagenturen an einem Strang.
Aber im Bereich des Staatlichen Schulamtes Mannheim gehen die Akteure noch einen Schritt weiter: Aus dem „Duo“ ist hier ein „Trio“ geworden – und das liegt daran, dass sich hier die Großstadt Mannheim und die Mittelstadt Weinheim als bildungsaktive Kommunen und Modellstandorte des Landes gemeinsam engagieren. In beiden Städten gibt es seit Jahren einen Bildungsschwerpunkt am Übergang von der Schule in den Beruf. Auch in der bundesweit agierenden Bildungsinitiative zur Kommunalen Koordinierung des Übergangs, die den Namen der Zweiburgenstadt trägt, der „Weinheimer Initiative“, arbeiten Mannheim und Weinheim zusammen. Und beide investieren eigenes Geld in die Unterstützung der Berufsorientierung durch pädagogische Fachkräfte an ihren Schulen. So kommt es, dass der Schulamtsbezirk zum Vorreiter für das „Trio“ wurde: beide Städte, das Staatliche Schulamt Mannheim und die Agenturen für Arbeit in Mannheim und Heidelberg verbessern gemeinsam die Berufsorientierung.
Bei einer hochkarätig besetzten Fachtagung jetzt im Alten Rathaus am Weinheimer Marktplatz zogen die Beteiligten eine sehr zufriedene Bilanz. „Hier wird das Trio gelebt“, war vielfach zu hören. Weinheims Oberbürgermeister Heiner Bernhard zeigte sich vom Erfolg überzeugt: „Systematische und qualitätsvolle Berufsorientierung kann nur gelingen, wenn die daran beteiligten Institutionen und Systeme, wenn benachbarte Regionen und die beteiligten Politikebenen verlässlich und vertrauensvoll zusammenarbeiten, wie in unserer Region.“
Was das bedeutet, wurde im Gespräch mit den fünf Modellschulen (Friedrich Realschule Weinheim, Integrierte Gesamtschule Mannheim-Herzogenried, Kerschensteiner Gemeinschaftsschule Mannheim, Konrad-Duden-Realschule Mannheim und Seckenheimschule Werkreal- und Realschule Mannheim) sehr anschaulich. Sie alle haben seit 2014 ein integriertes Konzept zur Berufsorientierung entwickelt oder verbessert und erprobt. Dabei setzten sie unterschiedliche Akzente, je nach Situation und Vorarbeiten an ihrer Schule. Für die Tagungsteilnehmer fächerten sie so ein breites Spektrum praktischer Verbesserungen auf. „Mit IBoSek1“, berichtet Dr. Susanne Felger, die in Weinheim das „Kommunale Übergangsmanagement“ leitet, „hat sich die Berufsorientierung nochmal deutlich verbessert.“ Denn: „Wenn die Schulen, die Arbeitsagentur und die Kommunen die Möglichkeit haben, sich regelmäßig auszutauschen, sich auf kurzem Weg abzustimmen, zusammen zu planen und in Fortbildungen gemeinsam zu lernen, dann verbessert das die Unterstützung für die Schülerinnen und Schüler ganz deutlich“. Sie ist sich gewiss: „An allen fünf Modellschulen ist ungeheuer viel erreicht worden, so entsteht Mehrwert und Qualität.“
Ähnlich sah das Lutz Jahre vom Fachbereich Bildung der Stadt Mannheim, allerdings nicht ohne Hinweis darauf, dass weitere Anstrengungen nötig sind und man noch nicht am Ziel sei. Nicht nur um den Fachkräftebedarf zu decken, könne man sich Schulabgänger ohne Abschluss und ohne berufsqualifizierenden Anschluss nicht mehr erlauben. Das gaben die Agentur für Arbeit und das Wirtschaftsministerium den Tagungsteilnehmern mit auf den Weg.