Neustadt an der Weinstraße / Weingarten – Mehrere Bewohner eines Wohngebiets im südpfälzischen Weingarten haben sich in einem Eilverfahren mit Erfolg gegen eine von der Kreisverwaltung Germersheim einem Bauherrn erteilte Baugenehmigung für die Nutzungsänderung der zuvor genehmigten Garage in eine mechatronische Werkstatt zur Wehr gesetzt.
Die Antragsteller wohnen ebenso wie der beigeladene Bauherr in einem nicht beplanten Wohngebiet in Weingarten. Am 25. Juni 2015 genehmigte die Kreisverwaltung Germersheim dem Beigeladenen die Nutzungsänderung einer aus Trapezblech hergestellten Garage in eine Werkstatt unter zahlreichen Auflagen. So waren die Betriebszeiten auf den Tageszeitraum 8 – 20 Uhr beschränkt und die angegebenen Betriebszeiten für den Einsatz von Metallbearbeitungsmaschinen – Fräse 90 min, Drehmaschine CNC 45 min, Drehmaschine konventionell 45 min, Schweißgerät 45 min, Ständerbohrmaschine 45 min – sowie des Gabelstaplers (45 min) einzuhalten. Der An- und Auslieferverkehr durfte nicht durch Dritte erfolgen; der Empfang von Kunden war ausgeschlossen und das Gebäude durfte ausschließlich vom Antragsteller genutzt werden, um mit den in der Betriebsbeschreibung angegebenen Maschinen Arbeiten durchzuführen. Schließlich durften die Immissionsrichtwerte für Geräusche von tags 55 dB(A) und nachts 40 dB(A) für das nächst gelegenes Wohnhaus unter Berücksichtigung der Gesamtbelastung nicht überschritten werden.
Die Antragsteller legten dagegen Widerspruch ein und suchten mit der Begründung um vorläufigen gerichtlichen Rechtschutz nach, die mechatronische Werkstatt des Beigeladenen sei ein störender Gewerbebetrieb und daher bauplanungsrechtlich unzulässig.
Dem Eilantrag der Antragsteller hat die 4. Kammer des Gerichts mit folgender Begründung stattgegeben:
Es könne offen bleiben, ob sich das Bauvorhaben des Beigeladenen in einem faktischen reinen Wohngebiet oder einem faktischen allgemeinen Wohngebiet befinde. Gehe man von einem faktischen reinen Wohngebiet aus, verstoße der genehmigte Betrieb des Beigeladenen gegen den Gebietserhaltungsanspruch der Antragsteller, da der Betrieb kein ausnahmsweise zulässiger nicht störender Handwerksbetrieb sei, der zur Deckung des täglichen Bedarfs für die Bewohner des Gebiets diene.
Nehme man stattdessen ein faktisches allgemeines Wohngebiet an, seien zwar ausnahmsweise sonstige nicht störende Gewerbebetriebe zulässig. Der genehmigte Betrieb sei aber kein „nicht störender Gewerbebetrieb“. Auf der Grundlage einer typisierenden Betrachtungsweise sei eine Ausnahme unzulässig, wenn das Vorhaben – bezogen auf den Wohngebietscharakter – aufgrund seiner typischen Nutzungsweise störend wirke. Relevant für die Beurteilung der Gebietsunverträglichkeit seien alle Auswirkungen, die typischerweise von einem Vorhaben der beabsichtigten Art ausgingen, insbesondere nach seinem räumlichen Umfang und der Größe seines betrieblichen Einzugsbereichs, der Art und Weise der Betriebsvorgänge, dem vorhabenbedingten An- und Abfahrtsverkehr von Beschäftigten, Kunden und Lieferanten sowie der Dauer dieser Auswirkungen und ihrer Verteilung auf die Tages- und Nachtzeiten. Entscheidend sei nicht, ob die mit der Nutzung verbundenen immissionsschutzrechtlichen Lärmwerte eingehalten würden. Die geschützte Wohnruhe sei nicht gleichbedeutend mit einer immissionsschutzrechtlich relevanten Lärmsituation.
Die mechatronische Werkstatt des Beigeladenen weiche auch nicht wesentlich von dem typischen Bild eines der Kategorie eines (auch) metallverarbeitenden Betriebes unterfallenden Gewerbes ab. Insbesondere könne der Antragsgegner die Erteilung der Baugenehmigung vom 25. Juni 2015 nicht mit dem Erlass zahlreicher Nebenbestimmungen, die eine Beschränkung des Betriebs zum Gegenstand hätten, rechtfertigen. Die Kammer verkenne zwar nicht, dass die mechatronische Werkstatt des Beigeladenen nach der Baugenehmigung nur als Einmannbetrieb genutzt werden dürfe, Kundenverkehr ausgeschlossen werde und die Betriebszeiten beschränkt seien. Es handele sich deshalb nur um einen Kleinbetrieb.
Dennoch weise der Betrieb des Beigeladenen keine solchen Besonderheiten auf, die es rechtfertigten, hier von einem „nicht störenden Gewerbebetrieb“ auszugehen. Die Werkstatt befinde sich in einer einfachen Trapezblechhalle, die nicht im Geringsten schallgedämmt sei. Der Einsatz von lärmintensiven Metallbearbeitungsmaschinen und einem Gabelstapler sei im Zeitraum zwischen 8 und 20 Uhr für die Dauer von 5,25 Stunden erlaubt. Selbst wenn der Beigeladene sich an diese Auflagen halte, führe er in dieser Zeit störende Tätigkeiten durch. Arbeiten, die mit den genannten Maschinen ausgeführt würden und mit Hämmern, Schlagen und Schleifen verbunden seien, verursachten impulsartige Geräusche, die unvermeidbar nach außen drängen und daher besonders störend wirkten. Eine zeitliche Begrenzung ändere daran nichts. Die Nutzung der Metallbearbeitungsmaschinen durch den Beigeladenen verursachten auch nicht nur kurzzeitige Geräuschspitzen. Vielmehr handele es sich dabei um Dauerereignisse. Der Versuch des Antragsgegners, den Betrieb des Beigeladenen durch eine stark individualisierte maßgeschneiderte Baugenehmigung mit zahlreichen Nebenbestimmungen für ihre – an sich ungeeignete Umgebung – passend zu machen, sei daher nicht geeignet, die Atypik zu begründen.
Liege damit ein Verstoß gegen den Gebietserhaltungsanspruch der Antragsteller vor, sei dem Antrag stattzugeben.
Der weitere Antrag der Antragsteller, dem Antragsgegner aufzugeben, die von dem Beigeladenen begonnenen Arbeiten zur Umnutzung des Vorhabens mit einer für sofort vollziehbar erklärten Verfügung stillzulegen, hatte demgegenüber keinen Erfolg.
Gegen den Beschluss ist das Rechtsmittel der Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz zulässig.
Verwaltungsgericht Neustadt, Beschluss vom 19. August 2015 – 4 L 677/15.NW –