Mainz – Das Mainzer Rathaus, das im Jahr 1973 seiner Bestimmung übergeben wurde, befindet sich mittlerweile in einem sanierungsbedürftigen Gesamtzustand. Es bestehen erhebliche technische, energetische und bauliche Mängel.
Im Jahr 2015 beschloss deshalb der Mainzer Stadtrat, im Rahmen eines europaweiten Ausschreibungsverfahrens einen Generalplaner zu beauftragen, der für eine Rathaussanierung eine umfassende Entscheidungsgrundlage erarbeiten sollte, welche Maßnahmen unter Berücksichtigung aller bautechnischen, ökologischen und ökonomischen Aspekte am zielführendsten für eine Rathaussanierung sind. Der Auftrag wurde nach Beschluss des Wirtschaftsausschusses in seiner Sitzung am 8. Juni 2016 an das Generalplanerbüro agn Niederberghaus & Partner GmbH, Ibbenbüren, erteilt.
Im Rahmen eines Pressegespräches stellte Oberbürgermeister Michael Ebling gemeinsam mit dem Rathausbeauftragten Ferdinand Graffé und Dr. Stefan Nixdorf von agn Niederberghaus & Partner GmbH die Ergebnisse der Generalplanungen vor.
Zunächst erstellten die Generalplaner im Rahmen einer ersten Grundlagenermittlung Untersuchungen und Gutachten insbesondere zu den Themen Schadstoffbelastung, bautechnische Schadensfeststellung, Brandschutz und zur Fassade. Dabei wurde eine höhere Schadstoffbelastung als ursprünglich angenommen festgestellt. Außerdem wurde deutlich, dass eine wesentlich umfangreichere Fassadensanierung (Gitterwerk und Natursteinfassade) notwendig ist.
Im zweiten Schritt erarbeiteten die Generalplaner drei Entwurfsplanungen, die sie aus dem Ideenwettbewerb 2014, der Bürgerbeteiligung und Planungswerkstatt 2015 und eigenen Vorschlägen 2016 ableiteten:
Variante 1 Bestandssanierung (geometrischer Funktionserhalt)
In dieser Variante wird zunächst die Sanierung des Gebäudes ohne wesentliche räumliche Änderungen angesetzt. Diese Variante beinhaltet Maßnahmen, die in allen Varianten identisch sind, wie z.B.: die Erneuerung der Fassade, Austausch der Haustechnik, Schadstoffsanierung, Betonsanierung, Umsetzung der Brandschutzkonzepts, Sanierung der Dachfläche inkl. Herstellung eines Bürgerdaches.
Variante 2 Vorzugssanierung (funktionale Neuordnung)
In dieser Variante werden zusätzliche Maßnahmen umgesetzt, wie z.B. die Errichtung einer zukunftsfähigen Arbeitswelt mit Einrichtung von Multi-Space Zonen, Umzug der Kantine und Öffnung des Rathauses zur Rheinseite, Errichtung eines 2 stöckigen Foyers mit Zentralisierung der Dienstleistungen für die Bürgerinnen und Bürger, Herstellung eines Treppenhauses mit Aufzug zu barrierefreien Anbindung des Rheinufers bis zur Zuschauerebene des Ratssaals.
Variante 3 Konsenssanierung
In dieser Variante werden verschiedene Bausteine der Varianten 1 und 2 kombiniert, die im Wesentlichen eine Umsetzung von Multispace-Zonen in Teilbereichen und die Beibehaltung der derzeitigen Büros auf den Geschossen, sowie eine „kleine Galerie“ im Forum beinhaltet.
Das vom Stadtrat mit Beschluss vom 2. Dezember 2015 zur Verfügung gestellte Budget für eine Rathaussanierung beträgt 50 Millionen Euro. Ergebnis der intensiven Untersuchungen und Planungen durch das generalplanende Büro und die Fachingenieurbüros ist, dass eine Sanierung unter Berücksichtigung ökonomischer und ökologischer Gesichtspunkte Kosten von rund 60 Millionen verursachen wird. Es entstehen allein aufgrund der gutachtlich festgestellten Belastungen und Schäden für die Schadstoffbeseitigung Mehrkosten in Höhe von 3,0 Millionen Euro. Weitere 3,9 Mio. EUR müssen in den Austausch der Natursteinfassade und 3,3 Mio. EUR in die architektonisch prägende Gitterfassade investiert werden.
Oberbürgermeister Michael Ebling dankte dem Rathausbeauftragten Ferdinand Graffé und dem Generalplaner Dr. Stefan Nixdorf für die umfangreiche Planung und Ausarbeitung einer Entscheidungsgrundlage.
„Mit den vorliegenden Gutachten und Planungen haben wir endlich eine belastbare Entscheidungsgrundlage und können auf Basis dieser Angaben über eine konkrete Rathaussanierung sprechen. Insbesondere die vorgestellte Planungsvariante mit der Errichtung eines zweistöckigen Foyers und der Zentralisierung der Dienstleistungen für die Bürgerinnen und Bürger im Eingangsbereich sind überzeugend, denn der zentrale Standort des Rathauses in der Innenstadt und die dadurch ermöglichte Öffnung des Gebäudes für die Bürgerschaft zeigen eine erfolgreiche Zukunftsperspektive für die Zusammenarbeit von Rat, Verwaltung und Bürgerschaft in dem denkmalgeschützten Gebäude auf“,
so Ebling.
„Vor dem Hintergrund der öffentlich sehr kritisch geführten Diskussion zum Erhalt des Arne Jacobsen Gebäudes und der auch schon im Rat diskutierten Aufgabe des Gebäudes als Rathaus, sehe ich mich deshalb auch verpflichtet, eine machbare Alternative zu benennen. Möglich ist auch die Aufgabe des Gebäudes am Jockel-Fuchs-Platz und die Verlagerung des Rathauses an einen anderen Standort, den man anmietet oder ankauft“,
erläutert Oberbürgermeister Ebling. Eine konkrete Alternative wäre der dauerhafte Umzug in eine Büroimmobilie in der Großen Bleiche 46. Hierbei handelt es sich um die ehemaligen Flächen der Westdeutschen Immobilienbank und Teilflächen der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW). Die angebotenen Flächen decken zwar nicht den vollständigen Bedarf der Verwaltung ab, dies könne man jedoch durch die Anmietung weiterer Flächen ausgleichen. Die Immobilie wird von der Aareal Estate AG vermarktet. Der Stadt wurde das Gebäude für circa 20 Millionen Euro zum Kauf oder für jährlich 1,2 Millionen Euro zur Miete angeboten. Zwei entsprechende Angebote liegen vor. Hinzu kämen Kosten für die Anmietung weiterer umfangreicher Flächen um den notwendigen Gesamtflächenbedarf der Verwaltung zu decken. Allein für zusätzliche Büroflächen muss mit jährlichen Mietkosten in Höhe von ca. 500.000 Euro zuzüglich Nebenkosten gerechnet werden.
Ein Rathaus Neubau stellt keine Alternative dar, da die Wirtschaftlichkeitsuntersuchung im Rahmen der bisherigen Projektphase zum Ergebnis kommt, dass die Sanierung des Bestandsgebäudes im Vergleich zu einem Neubau – zudem auf einem fiktiven, weil derzeit nicht vorhandenen Grundstück – die wirtschaftlichere Alternative ist.
„Nachteil der Alternative Großen Bleiche 46 ist das geringere Flächenangebot. Wir müssten dann die Verwaltung neben Zitadelle, Stadthaus und Bonifaziustürmen möglicherweise auf weitere Standorte im Stadtgebiet aufteilen, was die verwaltungsinternen Abläufe und Abstimmungswege nicht gerade vereinfachen wird. Sitzungsräume müssten ebenfalls an einen anderen Standort verlegt werden. Ein weiteres großes Manko ist zudem, das in dem ehemaligen Gebäude der Westdeutschen Immobilienbank kein Ratssaal vorhanden ist. Dieses Schmuckstück würden wir dann verlieren.“
Kurzzeitig sei eine Nutzung des provisorischen Plenarsaales des Landtages im Landesmuseum denkbar, so Ebling. Ob der provisorische Plenarsaal dauerhaft als Einrichtung im Landesmuseum verbleiben wird, hat das Land aktuell noch nicht entschieden. Auch die Gremienarbeit wird sich bei dieser Alternative schwieriger gestalten, da im Objekt nur ein großer Besprechungsraum vorhanden ist, der möglicherweise für Ausschüsse mitgenutzt werden kann. Parallel stattfindende Sitzungen wären dann zukünftig im gewohnten Umfang nicht mehr möglich. Öffentliche Veranstaltungen, wie zum Beispiel von Vereinen, Bürgerinitiativen oder Ausstellungen, sind in dem Gebäude in der Großen Bleiche aufgrund mangelnder Räume kaum möglich. Hier müsste auf andere Flächen, zum Beispiel in den sanierten Bürgerhäusern ausgewichen werden. Mittelfristig wären auch Räume im Kurfürstlichen Schloss nutzbar.
Ebling erklärte auch, dass ein dauerhafter Umzug die Aufgabe des bestehenden Rathauses und den Verkauf der Liegenschaft zur Folge hätte. In wie weit sich die Immobilie vor dem Hintergrund des Sanierungsstaus und der denkmalpflegerischen Auflagen verkaufen ließe, sei im Rahmen eines Interessenbekundungsverfahrens zu ermitteln.
Dem Stadtrat wird für die Ratssitzung am 29. November 2017 eine Beschlussvorlage mit den aufgezeigten Alternativen vorgelegt. Oberbürgermeister Michael Ebling betonte, dass diese Entscheidung keine alltägliche sei und eine große Tragweite habe. „Wir entscheiden hier über die Zukunft des Rathauses der Landeshauptstadt Mainz und eine mögliche Aufgabe des Arne Jacobsen Gebäudes als Verwaltungssitz.
Mainz hat in seiner mehr als 2.000jährigen Geschichte nur in verhältnismäßig kurzen Epochen ein eigenes Rathaus besessen, daher ist eine solche Entscheidung über das 1973 eingeweihte Gebäude keine leichte. Eine Entscheidung dieser Dimension braucht klare und möglichst breite Mehrheiten. Ich schlage deshalb vor, dass nicht nur der Rat über die Zukunft des Gebäudes entscheiden soll, sondern empfehle dem Stadtrat angesichts der Tragweite dieser Entscheidung, einen Bürgerentscheid nach §17a GemO über die Sanierung des Rathauses zu initiieren. In diesem Bürgerentscheid könnte geklärt werden, ob das Rathaus am bisherigen Standort erhalten werden oder ein Umzug in eine Alternative erfolgen soll.“
Oberbürgermeister Ebling informierte am 14.11.17 den Ältestenrat des Stadtrates und den Stadtvorstand und signalisierte, dass der Stadtrat über die dargelegten Möglichkeiten und Konsequenzen in der Novembersitzung zunächst beraten und in einer darauffolgenden Sitzung über das weitere Vorgehen beschließen soll.