Schwetzingen / Heidelberg – Er war ein misstrauischer Mensch. Um sich abzuhärten, lebte er in seiner Jugend allein in der Wildnis. Gegen einen möglichen Giftmordanschlag wappnete er sich über Jahre hinweg mit der gezielten Einnahme kleiner Dosen tödlicher Substanzen: Mithridates VI. (ca. 134 v. Chr. – 63 v. Chr.), König von Pontos.
Auch zu seinen Söhnen Sifare und Farnace hatte er ein zwiespältiges Verhältnis. In der Oper schreckt er nicht davor zurück, ihnen die jeweiligen Angetrauten streitig zu machen und hierfür selbst das göttliche Orakel zu manipulieren. Doch schlussendlich siegen Liebe und Treue und auch der Vater kann in seinem Tode die Missgunst überwinden.
Die letzten Tage des Königs Mithridates sind Gegenstand zahlreicher Opern, von denen Mozarts Vertonung die bekannteste ist. Nicola Antonio Porpora (1686–1768) widmete sich einige Jahrzehnte vor dem Salzburger Wunderkind diesem Stoff und schuf gleich zwei Fassungen: Eine für Rom (1730) und eine für London (1736), mit der er Georg Friedrich Händel direkte Konkurrenz machte und die das Theater und Orchester Heidelberg als Deutsche Erstaufführung am 29. November um 19.30 Uhr auf die Bühne des Rokokotheaters Schwetzingen bringt. Die Partie der Titelrolle übernimmt der Starcounter David DQ Lee, der regelmäßig an den größten Opernhäusern der Welt auftritt, so z. B. an der Mailänder Scala, am Theater an der Wien, in Barcelona Liceu. Die Musikalische Leitung dieser Inszenierung liegt bei Felice Venanzoni. Die Regie übernahm Jacopo Spirei.
Anlässlich des 250. Todestages von Nicola Antonio Porpora wird mit „Mitridate“ das Barock-Fest, der 12. „Winter in Schwetzingen“, eröffnet und der auf sieben Spielzeiten angelegte Zyklus der opera napoletana beendet.
Seit 2011|12 unternimmt das Musiktheater des Theaters und Orchesters Heidelberg den bisher in Deutschland – möglicherweise auch darüber hinaus – einmaligen Versuch, in einem auf sieben Spielzeiten angelegten Zyklus die historisch bedeutsame, aber bis dato der Vergessenheit weitestgehend anheimgefallene Epoche der scuola napoletana systematisch von den Anfängen bis zu ihrem Ende vorzustellen. Eine Besonderheit besteht darin, dass es sich bei den meisten der aufgeführten Werke um Deutsche Erstaufführungen handelt, in speziell für die Heidelberger Opernsparte angefertigten Editionen. Dazu zählen in diesem Zyklus bisher Antonio Scarlattis „Marco Attilio Regolo“, eine der drei wichtigsten Wiederentdeckungen der Spielzeit 2011|12 laut der Jahresumfrage der Fachzeitschrift „Opernwelt“. Ebenfalls müssen Porporas „Polifemo“ sowie Tommaso Traettas „Ifigenia in Tauride“, 2014 vom Deutschlandfunk live aufgezeichnet, genannt werden. Diese Oper ist eine besonders interessante Wiederentdeckung. Nach der Uraufführung von Glucks „Orfeo ed Euridice“, dem Prototyp der Wiener Opernreform, wurde sie für den Wiener Hof geschrieben, so dass hier Wechselwirkungen zwischen Neapolitanischer Innovation und Wiener Opernreform offenkundig wurden. Die letztjährige Inszenierung von Leonardo Vincis „Didone abbandonata“ war mutmaßlich die erste szenische Aufführung seit ihrer Uraufführung im Jahre 1737. Basierend auf dieser Inszenierung produzierte Sony Music im November 2016 eine Gesamteinspielung auf CD als Studioaufnahme in Kooperation mit Radio Berlin Brandenburg und dem WDR. Keine Deutschen Erstaufführungen waren die Wiederentdeckungen von Jommellis für den Stuttgarter Hof geschriebenen „Fetonte“ anlässlich des 300. Geburtstag des Komponisten und Zingarellis „Giulietta e Romeo“, einer Oper, die beim „Winter in Schwetzingen“ 2016|17 erstmalig seit einer Neuinszenierung an der Münchener Hofoper im Jahre 1829 szenisch in Deutschland zu erleben war. Zum Abschluss dieses Zyklus kehrt das Heidelberger Theater anlässlich von Nicola Antonio Porporas 250. Todestag mit der Deutschen Erstaufführung von „Mitridate“ zu einem ihrer wichtigsten Komponisten und zu ihrem zentralen Gesangspädagogen zurück.
Selbstverständlich gehören zu dem Programm des Barock-Fests 2017/18 auch wieder die beliebten Konzerte:
- 01.12. „Alto Giove“ Gala Opera Napoletana I-VII;
- 14. und 17.12. Weihnachtskonzert;
- 23.12. 2. Bachchor-Konzert (Peterskirche Heidelberg);
- 29.12. „Misterio: Biber trifft Piazzolla“;
- 14.01.2018 „Benedetto“ -Psalmenvertonungen von Benedetto G. Marcello;
- 27.01. Preisträgerkonzert der Austria Barock Akademie
Ein besonderes Highlight im Rahmen des 12. „Winter in Schwetzingen“ bildet das interdisziplinäre Symposion „AFFEKT!“ – Barock-Oper heute, das am 30.11. und am 01.12. in Kooperation mit dem Musikwissenschaftlichen Seminar der Universität Heidelberg im Orchestersaal des Theaters und Orchesters Heidelberg stattfindet. Die Barock-Oper jenseits vom Monteverdi und Händel ist auf den Theaterbühnen noch immer eine Rarität. Dennoch – oder gerade deshalb – stellt sich die Frage nach dem praktischen Umgang mit ihr. Das Heidelberger Theater hat sich in den letzten Jahren intensiv mit diesem Themenkomplex beschäftigt. Nun soll der in eine kritische Auseinandersetzung eingebunden werden. Eingeladen dazu sind Experten aus Theorie und Praxis.
Programm:
30.11. 12.00-17.00 Uhr „Von Scarletti bis Zingarelli“ (Orchestersaal); 17.30 Uhr „Salon Venezia-Napoli“ Musikalischer Salon von Studierenden der Universität Heidelberg (Alter Saal, Eintritt frei!);
01.12. 13.00-18.00 Uhr „Il Ritorno di Claudio – Monteverdis Wiederentdeckung im 20. Jahrhundert“ (Orchestersaal); 19.30 Uhr „Alto Giove“ Galakonzert mit Höhepunkten u. a. aus „Polifemo“, „Ifigenia in Tauride“, „Fetonte“, „Didone Abbandonata.
Tickets und weitere Informationen zum Programm:
06221|5820.000; www.winter-in-schwetzingen.de, www.theaterheidelberg.de, Schwetzinger Zeitung, Carl-Theodor-Str.1, Schwetzingen; 06202|205.205