Anfahrt auf den Stau im zivilen Provida-Fahrzeug. Weiterhinten ist die Gasse erstmal dicht
Anfahrt auf den Stau im zivilen Provida-Fahrzeug. Weiterhinten ist die Gasse erstmal dicht

Es sollte jeder Verkehrsteilnehmerin und jedem Verkehrsteilnehmer einleuchten, dass die Rettungsgasse ein lebenswichtiges Element im Rettungsablauf an einer Unfallstelle ist.

Dennoch musste der Gesetzgeber vor Kurzem die Strafen für das Nichtbilden einer Rettungsgasse drastisch anheben. Bis zu dieser Änderung zahlten Verkehrsteilnehmer, die sich nicht an die Vorschrift hielten, gerade Mal 20 Euro. Ein Taschengeld im Vergleich zu dem was nun droht.

Die Videoanlage dokumentiert in Zukunft auch die Rettungsgasse-Verstöße
Die Videoanlage dokumentiert in Zukunft auch die Rettungsgasse-Verstöße

Wer meint er muss, zumeist aus Egogründen oder Ignoranz, das Bilden der Rettungsgasse verhindern, der wird in Zukunft mit 200 Euro zzgl. Verwaltungsgebühr 25 Euro und 2 Punkten in Flensburg bestraft. Behindert er dann noch ein Einsatzfahrzeug dann wird es um mind. 100 Euro teurer.

Ein Schritt in die richtige Richtung bestätigen Alle an der Großkontrolle beteiligten Beamten. Und tatsächlich – Was so manche Verkehrsteilnehmerin oder Verkehrsteilnehmer abliefert, ist jenseits jeglichen Verständnisses.

Bei den Strafen wird es in Zukunft längere Diskussionen geben
Bei den Strafen wird es in Zukunft längere Diskussionen geben

Denn gerade hier, wo der Bereich der Fahrbahnen immer sehr eingeengt ist, ist es wichtig – ja oft lebenswichtig diese Gasse freizumachen. Nicht umsonst nennt man diesen Freiraum eben Rettungsgasse.

Von Ignorieren weil frau gerade die Ohrstöpsel aufhat und angeregt telefoniert, über das Hinterherfahren hinter den einfahrenden Rettungsfahrzeugen bis hin zu Wenden und schnell versuchen über den Standstreifen sich zur Ausfahrt am Stau vorbeizumogeln. Die Liste der Verstöße ist lang.

Nun hat der Gesetzgeber den eingesetzten Beamten die Möglichkeit der wirksamen Sanktionierung gegeben und die treffen den Sünder bzw. die Sünderin am Geldbeutel und im Verkehrszentralregister.

Einsatzfahrzeuge nähern sich mit hoher Geschwindigkeit und sehen sich sehr oft einer solchen Herausforderung ausgesetzt
Einsatzfahrzeuge nähern sich mit hoher Geschwindigkeit und sehen sich sehr oft einer solchen Herausforderung ausgesetzt – In der letzten Sekunde wechseln Fahrer von der Mitte. Da kann es bereits zu spät sein

Die Zeiten, wo eilige Egoisten die 20 Euro miteinkalkulierten sind nun vorbei. Wer sich in Zukunft nicht daran hält, kommt mit seinem Punktekonto sehr schnell in die Gefahr der Nachschulung oder am Ende in den Bereich des drohenden Verlustes seiner Fahrerlaubnis. Es könnte allerdings noch schlimmer kommen.

Würde durch das Nichtbilden der Rettungsgasse ein Mensch sterben, weil die Rettungskräfte zu spät zur Unfallstelle kommen, dann wäre es durchaus möglich, dass dies als Straftat durch die Staatanwaltschaft gewertet werden könnte. Hier bewegt sich der Egoist schnell im Rahmen des Strafgesetzbuches.

Dazu Rolf Spiegelhalter, Leiter der Polizeiautobahnstation Ruchheim: Wenn die Geschwindigkeit unter Schrittgeschwindigkeit fällt. Das heisst 4 bis 7 km/h dann muss zwingend eine Rettungsgasse gebildet werden. Unabhängig davon ob Rettungskräfte eintreffen oder nicht. Die rechtsfahrenden ordnen sich nach rechts ein und die linksfahrenden nach links.

Die Rettungsgasse muss zwingend immer gebildet werden

Aus diesem Grund haben die Behörden am gestrigen Freitag auf der A6 in Höhe Ludwigshafen Nord eine Kontrollstelle, gemeinsam mit dem LKA Rheinland-Pfalz eingerichtet. Es ist der Landesauftakt der Aktion Rettungsgasse. Hier werden in allen Präsidiumsbereichen in Rheinland-Pfalz Großkontrollen durchgeführt. Ziel ist es, die Fahrerinnen und Fahrer zu sensibilisieren in Zukunft auf die Einhaltung der Vorschrift zu achten.

Die Kontrollstelle an der Brücke nach Mannheim - Das LKA Rheinland-Pfalz hat ein Info-Zelt aufgebaut
Die Kontrollstelle an der Brücke nach Mannheim – Das LKA Rheinland-Pfalz hat ein Info-Zelt aufgebaut

Federführend wurde diese Kontrolle von der Polizeiautobahnstation Ruchheim und dem Leiter Rolf Spiegelhalter durchgeführt.

Als Treffpunkt wurde 12:30 Uhr angesetzt. Nach einem kurzen Briefing ging es auf die A61, Parkplatz „Auf dem Hahnen“. Von da aus wurden die Pressevertreter in Einsatzfahrzeugen zu Kontrollstelle kurz vor der Theodor-Heuß-Brücke von Frankenthal kommend, gebracht.

Rolf Spiegelhalter, Leiter der Autobahnstation Ruchheim erklärt den Einsatz an der A6
Rolf Spiegelhalter, Leiter der Autobahnstation Ruchheim erklärt den Einsatz an der A6

Im Einsatz waren Streifenwagen, Zivilfahrzeuge und ein Polizeihubschrauber. Die Kontrollaktion war bis 17 Uhr geplant.

Das LKA hatte bereits einen Infostand aufgebaut. Der Stau hatte sich längst gebildet. Es ist der normale Freitagsstau an dieser Stelle, sagte man uns. Erschwerend kommt an dieser Stelle hinzu, dass die Fahrbahn an der Einfahrt Lu-Nord auf die A6 mit Sperrstreifen markiert ist. Doch da hält sich Niemand dran. Die Meisten fahren rücksichtslos über die abgesperrte Fahrbahn.

Die erste Kontroll-Fahrt unternahmen wir in einem Streifenwagen. Wir fuhren zurück zur Anschlusstelle Frankenthal. Dort wendeten wir und fuhren nun mit Blaulicht und Signal von hinten auf den Stau zu.

Und immer wieder das gleiche Bild - Wir nähern uns mit hoher Geschwindigkeit, Blaulicht und Martinshorn - Dennoch schaffen ein nicht Alle rechtzeitig die Rettungsgasse zu bilden
Und immer wieder das gleiche Bild – Wir nähern uns mit hoher Geschwindigkeit, Blaulicht und Martinshorn – Dennoch schaffen ein nicht Alle rechtzeitig die Rettungsgasse zu bilden

Hier sollte längst eine Rettungsgasse gebildet worden sein. Dem war nicht so. Erst als sich das Streifenfahrzeug deutlich erkenn- und hörbar näherte fuhren die ersten Verkehrsteilnehmer nach Links bzw. Rechts. Im Grunde viel zu spät.

Eine junge Frau nahm auch diese Signale nicht wahr. Erst als der Streifenwagen direkt neben ihr hielt, bemerkte Sie wieder ihre Umgebung. Da war es dann zu spät. Sie musste folgen und wurde dann angezeigt. Der Grund warum Sie die Signale nicht wahrnahm, konnte man auch deutlich sehen. Sie hatte beide Ohrstöpsel im Ohr war kräftig am telefonieren. Auch das ertappte Lächeln half ihr nicht mehr.

Sie wurde durch den Stau auf den Parkplatz gelotst und bekam dort bekam die schlechte Nachricht.

Eine zweite Kontrollfahrt unternahmen wir als Beifahrer in einem der beiden Provida-Fahrzeuge. Diese zivilen PKW sind mit Videoüberwachung ausgerüstet.

Der ertappte Belgier hatte großes Glück. Seine Videoaufnahme hakte beim Aufnehmen. So durfte er ohne Strafe weiterfahren. Denn die Beamten müssen den Verstoß gerichtssicher dokumentieren
Der ertappte Belgier hatte großes Glück. Seine Videoaufnahme hakte beim Aufnehmen. So durfte er ohne Strafe weiterfahren. Denn die Beamten müssen den Verstoß gerichtssicher dokumentieren

Wieder ging es zurück an die Anschlußstelle Frankenthal. Wir wendeten und fuhren abermals mit Sondersignal und aufgesetztem Blaulicht auf den Stau zu. Dieses Mal simulierte man eine echte Einsatzfahrt. Entsprechend hoch war das Tempo. Aber es half nichts. Der Fahrer musste rigoros Abbremsen. Erst als wir direkt am Stauende ankamen, wurde die Gasse gebildet. Es war wieder viel zu spät.

Wenn wir zu einem schweren Unfall gerufen werden, müssen wir schnellstmöglich an die Unfallstelle ran. Hier zählt jede Sekunde oder Minute. Wir sind auf die Kooperation der Verkehrsteilnehmer angewiesen. Dennoch ist es auch für uns manchmal lebensgefährlich, wenn im letzten Moment ein Fahrzeug wieder ausschert und die Gasse blockiert, sagte einer der beteiligten Beamten

Und es kam wie es kommen musste. Im letzten Moment scherte ein Belgier vor uns heraus. Unser Fahrer musste stark bremsen um eine Kollision zu vermeiden. Auch dieses ältere Ehepaar musste die Beamten zur Kontrollstelle begleiten. Da es sich um Personen ohne Wohnsitz in Deutschland handelte, erwartete die Beiden die Zahlung des Bußgeldes als Sicherheitsleistung sofort vor Ort.

Das LKA sieht Prävention als die wichtigste Maßnahme. Wir sprechen mit Volker Weicherding, Verkehrsunfallprävention beim LKA Rheinland-Pfalz

Redaktion

Warum ist das LKA heute vor Ort?

Volker Weicherding

Wir sind heute hier um den Verkehrsteilnehmern zu erklären wie die Rettungsgasse zu bilden ist. Wir haben die Gesetzesänderung mit den erhöhten Bußgeldern und das wollen wir mehr ins Bewußtsein der Verkehrsteilnehmer bringen.

Viele sind immer noch der Meinung, dass die Rettungsgasse erst dann gebildet werden muss, wenn die Rettungskräfte mit Blaulicht und Martinshorn anrücken und nicht bereits bei Schrittgeschwindigkeit bzw. wenn der Stau sich gebildet hat. Doch da muss die Rettungsgasse längst stehen.

Wenn die Gasse erst dann gebildet wird, wenn die Rettungskräfte mit Signal anrücken, ist es meistens zu spät. Dann stehen die Fahrzeuge kreuz und quer und es ist kaum ein Durchkommen möglich.

Die Personalien eines weiteren Ertappten werden über Funk abgefragt
Die Personalien eines weiteren Ertappten werden über Funk abgefragt

Große Fahrzeuge von Feuerwehr und Rettungsdienst kommen dann nicht mehr durch. Dann ist es vielleicht schon zu spät. Auf der Autobahn oder bei einem schweren Unfall zählt jede Minute bzw. Sekunde um Erste-Hilfe-Maßnahmen durchzuführen. Es geht letztlich um Leben und Tod.

Redaktion:

Gibt es eine besondere Gruppe, die dabei auffällt? Junge Fahrer, ältere Fahrer, PKW, LKW …?

Das geht quer durch alle Schichten. Wir können nicht speziell sagen, dass es eine bestimmte Gruppe gibt. Es sind alle Verkehrsteilnehmer davon betroffen.

Redaktion

Was ist der Grund dafür, dass Einige sich sehr egoistisch verhalten?

Volker Weicherding

Es liegt an der Verkehrsdichte aber auch an den vielen Baustellen, die wir auf unseren Autobahnen haben. Dennoch ist das Hauptziel die Rettung bei Unfällen und da muss die Polizei in Zukunft verstärkt die Einhaltung der Rettungsgasse kontrollieren und gegebenfalls auch sanktionieren. Es zählt jede Minute.

Redaktion

Halte Sie die Höhe des Bußgeldes für gerechtfertigt, oder ist es immer noch zu niedrig?

Volker Weicherding

200 Euro ist bereits ein stolzer Preis und das gilt nur für das Nichtbilden der Rettungsgasse. Kommt noch Behinderung dazu, bewegen wir uns bei 320 Euro. Dann addieren sich die 2 Punkte noch und das sehe ich als gerechtfertigt an, denn es geht am Ende immer um Menschenleben.

Redaktion

Wir haben bei der Anfahrt gesehen, dass Einige telefonieren oder anderweitig abgelenkt sind.

Volker Weicherding

Ablenkung wird ebenfalls ein kommendes Thema bei uns werden. Auch da sind wir beim LKA präventiv tätig um den Leuten klarzumachen: Wenn du ein Fahrzeug fährst, dann benutz kein Handy. Ablenkung kann tödlich enden.

Mit speziellen Flyern macht die Polizei auf die geänderte Gesetzeslage aufmerksam
Mit speziellen Flyern macht die Polizei auf die geänderte Gesetzeslage aufmerksam. Rechts unten der Normalfall auf deutschen Autobahnen. Rechts oben der hoffentlich bald kommende Idealfall.

Deshalb gilt in Zukunft: Wenn Ihr Schrittgeschwindigkeit in einem Stat erreicht habt, dann bildet sofort die Rettungsgasse und nicht erst wenn die Einsatzfahrzeuge eintreffen.

Wir bedanken uns bei der Polizeiautobahnstation Ruchheim und dem LKA Rheinland-Pfalz für die Einladung.

Zur gestrigen Kontrolle schreibt die Polizeiautobahnstation Ruchheim:

Frankenthal / Autobahn 6 (ots) – Die Autobahnpolizei führte am Freitag, 24.11.2017, zusammen mit dem Landeskriminalamt-Verkehrsunfallprävention, der Hubschrauberstaffel und den Zentralen Verkehrsdiensten eine Überwachung der Rettungsgassenvorschrift auf der Autobahn 6 bei Frankenthal durch.

Bei der vierstündigen Aktion, zu der auch die Presse eingeladen war, wurden 27 Fahrer/innen wegen Nichtbildung der Rettungsgasse angehalten. Die Betroffenen müssen mit Bußgeldbescheiden über 200 Euro und zwei Punkten in Flensburg rechnen.

Weitere Kontrollen sind geplant. Deshalb noch einmal die Bitte der Polizei: Bilden Sie die Rettungsgasse. Rettungsgasse rettet Leben!