Frankfurt am Main – Im Frühjahr 2018 steht mit der nächsten PISA-Erhebung zum dritten Mal ein umfassender Test der Lesekompetenz fünfzehnjähriger Schülerinnen und Schüler weltweit an. Prof. Johannes Naumann von der Goethe-Universität und PD Christine Sälzer (Technische Universität München) weisen im Vorfeld erstmals nach, dass sich die Fähigkeiten deutscher Schülerinnen und Schüler beim Lesen digitaler Texte nicht mit ihren Fähigkeiten beim Lesen gedruckter Texte decken.
Naumann und Sälzer haben den computerbasierten Teil in der PISA-Studie 2012 ausgewertet, als das Lesen digitaler Texte erstmals in Deutschland getestet wurde. Das Ergebnis erscheint im Dezember-Heft der „Zeitschrift für Erziehungswissenschaft“: Danach erfordert das Lesen digitaler Texte zum Teil andere Kompetenzen als das Lesen gedruckter Texte. Dabei handelt es sich in beiden Fällen um „Lesekompetenz“, aber die beiden Formen sind nicht deckungsgleich. Vielmehr stellt das Lesen digitaler Texte eine weitere, im gedruckten Format nicht erfasste Dimension der Lesekompetenz dar: Digitale Texte erfordern häufig in besonderem Maße und in einer für das digitale Medium spezifischen Form die selbstgesteuerte Auswahl und Bewertung von Textinformationen. Diese spezifischen Anforderungen meistern Schülerinnen und Schüler in Deutschland deutlich weniger gut als das Lesen „traditioneller“ gedruckter Texte. Wie beim Lesen gedruckter Texte besitzen Mädchen gegenüber Jungen auch beim Lesen digitaler Texte einen ausgeprägten Vorsprung.
Dabei hängt die Häufigkeit des Umgangs mit Computern und anderen digitalen Medien keineswegs stark damit zusammen, wie gut Jugendliche digitale Texte lesen und verstehen können. Dies war durchaus vermutet worden. Diese Vermutung hat sich jedoch nicht bestätigt: Die Verfügbarkeit digitaler Geräte und deren Gebrauch ist weniger relevant als erwartet; sie hängt sogar negativ mit der Lesekompetenz zusammen. Stattdessen zeigte sich, dass für eine gute digitale Lesekompetenz die Einstellungen der Schülerinnen und Schüler gegenüber Informations- und Kommunikationstechnologien besonders wichtig sind: Je mehr sich die Jugendlichen hier zutrauen, desto besser können sie digitale Texte lesen und verstehen.