Speyer – Der Schriftsteller Björn Kuhligk erhält den mit 5.000 Euro dotierten Arno-Reinfrank-Literaturpreis der Stadt Speyer. Ausgezeichnet wird er für seine Lyrik, vor allem für Die Sprache von Gibraltar, sein „XXL-Gedicht“, wie er es nennt, in dem er das Schicksal der Flüchtlinge in der spanischen Exklave Melilla verarbeitet. Es sei im Sinne Arno Reinfranks (1934-2001), wie Björn Kuhligk gesellschaftspolitische und ökonomische Zusammenhänge in lyrische Sprache übersetze, heißt es in der Begründung der Jury, die kürzlich unter Vorsitz von Oberbürgermeister Hansjörg Eger in Speyer tagte.
Juryentscheid
Björn Kuhligks eindringliche Verse, das Ergebnis seiner Reise im Oktober 2015 nach Gibraltar, ans Ende Europas, Europas Ende, sei eine Poesie der Fakten im Sinne Arno Reinfranks, befindet die Jury. In gebundener Sprache in der Nähe zur Prosa spiegeln sich wechselseitig objektive Fakten und Impressionen, persönliche Sensibilität und Reflexion. „Kuhligks Langgedicht ist kritisch und selbstkritisch, angerührt und schuldbewusst – aber illusionslos, unpathetisch, abwechselnd ernsthaft und spielerisch-distanziert“, so die Jury.
Kuhligks Lyrik berührt Grenzen: die der Gesellschaft und die des poetisch Sagbaren. Angekommen in der Krise am Rande der Gesellschaft, sieht er sich als VISA-König, als einer der Satten und Sieger aus einer Überflussgesellschaft dem Elend der Ausgegrenzten gegenüber. Er hat es aufgegeben, hier zwischen Patrouillenbooten und Hügeln nach Schönheit zu suchen. „Und genau aus dieser Begegnung entsteht seine Poesie der Fakten“, resümiert die Jury.
Arno-Reinfrank-Literaturpreis
Alle drei Jahre wird der Arno-Reinfrank-Literaturpreis vergeben, dessen Preisgeld die Witwe des Schriftstellers, Jeanette Koch-Reinfrank, stiftet. Die bisherigen Preisträger waren Jan Wagner, Monika Rinck, Daniela Dröscher und Svenja Leiber. Die Preisverleihung wird am Mittwoch, dem 24. Oktober 2018, um 19:30 Uhr im Historischen Rathaus der Stadt Speyer stattfinden.
In Erinnerung an den 2001 in London verstorbenen Reinfrank sollen laut Satzung mit dem Preis deutschsprachige Schriftstellerinnen und Schriftsteller für herausragende literarische Leistungen in Lyrik oder Prosa ausgezeichnet werden, die im Sinne des Werks von Arno Reinfrank den Idealen des Humanismus und der Aufklärung verpflichtet sind beziehungsweise sich literarisch mit den Prozessen und Phänomenen von Wissenschaft und Technik auseinandersetzen. So wird sich der Preisträger Björn Kuhligk auch in seiner Festrede bei der Preisverleihung im Oktober 2018 mit dem literarischen Werk Arno Reinfranks beschäftigen. Am Abend darauf lädt die Stadt Speyer zur Autorenlesung mit Björn Kuhligk in den Historischen Ratssaal ein.
Björn Kuhligk wurde 1975 in Berlin geboren, wo er lebt und arbeitet. Er ist Mitglied im PEN-Zentrum Deutschland und erhielt bereits zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Kunstpreis Literatur der Land Brandenburg Lotto GmbH (2013) sowie Arbeitsstipendien des Berliner Senats (2008 und 2015) und das Grenzgänger-Stipendium der Robert Bosch Stiftung (2015). Vor seinem Gedichtband Die Sprache von Gibraltar (2016) erschienen im Hanser Verlag bereits Es gibt hier keine Küstenstraßen (2001), Am Ende kommen Touristen (2002), Großes Kino (2005), Von der Oberfläche der Erde (2009) und Die Stille zwischen null und eins (2013).
Jury Arno-Reinfrank-Literaturpreis
Der Jury gehören neben Jeanette Koch-Reinfrank als Stifterin und dem Oberbürgermeister der Stadt Speyer, Hansjörg Eger, die vorangegangene Preisträgerin Svenja Leiber, als Vertreter des rheinland-pfälzischen Ministeriums für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur Michael Au sowie der an der Wayne University in Detroit in den USA lehrende Literaturwissenschaftler und Reinfrank-Kenner Prof. Dr. Guy Stern und Reinfrank-Freund Dr. Eckhart Pilick an.
Arno Reinfrank (1934-2001), in Mannheim geboren und in Ludwigshafen aufgewachsen, ging nach diversen Studienaufenthalten in Paris und Berlin 1955 aus Protest gegen die restaurative Politik der Bundesrepublik nach England und lebte bis zu seinem Tode am 28. Juni 2001 in London. Reinfrank war Generalsekretär des P.E.N.-Zentrums deutschsprachiger Autoren im Ausland und ist Träger zahlreicher Ehrungen und Literaturpreise. Sein vielgestaltiges und umfangreiches Werk umfasst publizistische Arbeiten, Prosa, Theaterstücke, Mundartgeschichten und Lyrik. Im Zentrum seines lyrischen Schaffens steht sein dichterisches Hauptprogramm, die zehnbändige Poesie der Fakten, in der er sich zu den Fragen einer industrialisierten Welt äußert und auf symbolische Weise wissenschaftliche Fakten der modernen Welt auf den schriftstellerisch-ästhetischen Bereich überträgt.
Weitere Infos: http://www.arno-reinfrank.de