Darmstadt – Ende Juni 2015 wurde im Klinikum Darmstadt die erste endovaskuläre Behandlung eines intrakraniellen Aneurysmas durchgeführt von Dr. Regina Tröscher-Weber, Fachärztin für Diagnostische Radiologie mit Zusatzbezeichnung Neuroradiologie (Assistenz: Angiographie-Pflegekraft Claudia Fograscher).
Aneurysmen sind arterielle Gefäßaussackungen u.a. an den Hirnarterien: Die Wandveränderungen eines Aneurysmas stellen ein Risiko für dessen Ruptur dar. Die resultierende Blutung in die Liquorräume des Kopfes ist ein lebensbedrohliches Krankheitsbild, führt häufig zu schwerer Behinderung und verläuft nicht selten tödlich.
Hauptziele der medizinischen Diagnostik und Therapie sind es, rupturgefährdete Aneurysmen frühzeitig zu erkennen und durch Verschluss zu behandeln. Dies geschieht im Normalfall zunächst über die Schnittbilddiagnostik (CT und MRT). Im akuten Notfall bei bereits stattgehabter Ruptur eines Aneurysmas ist der Verschluss der aneurysmatischen Gefäßaufweitung durch einen frühzeitigen, notfallmäßig dringlichen Eingriff erforderlich.
Es gibt verschiedene Faktoren, die an der Entstehung eines Aneurysmas beteiligt sein können bzw. ursächlich sind, z.B. erbliche Risiken (z.B. Zystennieren), Bluthochdruck und das Rauchen.
Grundsätzlich gibt es zwei unterschiedliche Behandlungsoptionen, um intrakranielle Aneurysmen zu therapieren: zum einen die ursprüngliche Methode, bei der nach Eröffnung der Schädeldecke eine Metallklammer (operatives Clipping) von außen auf das Aneurysma gesetzt wird – diese Behandlung nimmt die Klinik für Neurochirurgie unter Dr. Karsten Geletneky im Klinikum Darmstadt vor.
Zum anderen die neuere Methode "von innen" durch einen interventionell tätigen Neuroradiologen. Dabei wird das Aneurysma zunächst angiographisch dargestellt und danach endovaskulär ohne Eröffnung des Kopfes mittels feinster Platinspiralen (Coils) verschlossen. Die Coils werden mit einem Gefäßkatheter über Aorta, Halsarterie und Kopfarterie in Teleskoptechnik ins Aneurysma eingebracht – mit dem Ziel, den Blutstrom in dieses zu stoppen, es somit ganz auszuschalten und die Blutungsgefahr damit zu beseitigen.
Diese Fachexpertise hat Dr. Regina Tröscher-Weber mit ans Klinikum Darmstadt in das Institut für Radiologie, Neuroradiologie und Nuklearmedizin unter der Leitung von Prof. Dr. Peter Huppert gebracht.
Nach den Ergebnissen der ISAT Studie (International Subarachnoid Aneurysm Trail, 2002) und zahlreichen Fallserien ergibt sich die Empfehlung, Aneurysmen, die nach technischen Kriterien für ein Coiling geeignet sind, bevorzugt endovaskulär zu behandeln.
Für eine optimale Therapie, so Dr. Tröscher-Weber, ist eine enge Kooperation mit der Neurochirurgie (Leitung Dr. Geletneky), aber auch Neurologie (Leitung Prof. Kollmar) und Anästhesie (Leitung Prof. Welte) als interdisziplinäres Team erforderlich.
Bevor mit der eigentlichen endovaskulären Therapie begonnen werden kann, erhält der Patient eine Vollnarkose, um jegliche Bewegung des Kopfes zu vermeiden. Um zu dem Aneurysma zu gelangen, wird zuerst eine Leistenschlagader punktiert und ein etwa 2-4 mm dickes Röhrchen eingelegt. Über diese sogenannte Schleuse wird dann ein Katheter eingebracht, der unter Durchleuchtung in der entsprechenden Halsschlagader positioniert wird. Anschließend erfolgt eine 3D-Gefäßdarstellung. Über den Führungskatheter erfolgt anschließend die Einlage eines zweiten, sehr feinen Katheters (Mikrokatheter, der Durchmesser der Spitze beträgt ca. 0,4 mm), der über das Aneurysma-Trägergefäß in dieses gesteuert wird. Mit ultradünnen Platinspiralen in unterschiedlicher Länge, Dicke und Konfiguration, die sich in das Aneurysma legen, erfolgt so eine schrittweise Auffüllung des Aneurysmasackes bis zum Verschluss. Die Kontrolluntersuchungen können im Gegensatz zum Clipping nicht nur angiographisch, sondern auch im MRT erfolgen.
Dr. Regina Tröscher-Weber hat von 2002 bis 2005 eine Ausbildung zur Neuroradiologin an der Uniklinik Abteilung Neuroradiologie in Erlangen bei Prof. Huk absolviert, von 2005 bis 2006 arbeitete sie dort als Oberärztin bei Prof. Dörfler, 2006 erfolgte die Prüfung für die Zusatzbezeichnung Neuroradiologie in München, von 2006 bis 2008 war sie im Institut für Diagnostische und Interventionelle Neuroradiologie im Klinikum Ludwigsburg bei Stuttgart tätig, von 2008 bis 2014 dort Leitende Oberärztin und Chefarzt-Vertretung. Am Klinikum Darmstadt ist sie seit Oktober letzten Jahres die Sektionsleitung der Neuroradiologie mit dem Hauptziel, die endovaskuläre Behandlung von intrakraniellen Aneurysmen, die ihren interventionellen Schwerpunkt darstellt, zu etablieren.