Mainz – 13.000 Tütchen mit einer ganz besonderen Saatgutmischung werden ab sofort quer durch Rheinland-Pfalz an über 400 weiterführende Schulen verschickt.
Den Auftakt machte an diesem Freitag die Integrierte Gesamtschule Anna Seghers in Mainz, wo Bildungsministerin Dr. Stefanie Hubig das erste Forscher-Set der „didaktischen BLUMEnmischung“ im Rahmen der Initiative „mint läuft“ des Landes Rheinland-Pfalz übergeben hat. Lehrerinnen und Lehrer können mit dem Inhalt der kleinen Papiertüten und dem dazugehörenden Begleitmaterial das Thema „Vielfalt“ im Biologieunterricht praxisorientiert und schülernah vermitteln. Die Schülerinnen und Schüler im Wahlpflichtfach Ökologie der Jahrgangsstufe 7 konnten am Freitag auch gleich starten: Mit Hilfe eines Bestimmungsschlüssels haben sie das Saatgut einzelner Arten identifiziert und anschließend gezeichnet.
„Durch die BLUME“ ist ein biologiedidaktisches Forschungs- und Entwicklungsprojekt, das Schülerinnen und Schülern die Vielfalt der Pflanzenwelt und botanische Themen nahebringen möchte, wobei BLUME für „Blütenbiologie im Unterricht – Materialien & E-Learning“ steht. Es wurde während zwei Jahren in der Arbeitsgruppe Didaktik der Biologie an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) entwickelt und erfolgreich getestet. Nun erhält das Uni-Projekt eine Förderung durch das rheinland-pfälzische Bildungsministerium in Höhe von 15.000 Euro, um die Samenmischung allen 413 Sekundarstufe-I-Schulen im Land bereitzustellen. Damit werden demnächst bis zu 61.000 Schülerinnen und Schüler im Bio-Unterricht mit der didaktischen BLUMEnmischung arbeiten können.
„Wir wollen Rheinland-Pfalz zu einem starken MINT-Land machen. MINT steht dabei für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. ‚Durch die BLUME‘ passt deshalb hervorragend zur MINT-Initiative des Bildungsministeriums. Wir wollen Mädchen und Jungen möglichst früh für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik begeistern. Das gelingt mit der neuen Blumenmischung ganz sicher, denn die Schülerinnen und Schüler erfahren und lernen hautnah, wie die Pflanzenwelt funktioniert“,
sagte Bildungsministerin Dr. Stefanie Hubig.
„Als offene Universität stehen wir in ständigem Wissensaustausch mit allen Bereichen der Gesellschaft und insbesondere natürlich auch mit den Schulen des Landes“,
erklärte der Präsident der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Prof. Dr. Georg Krausch.
„Hier wird der Grundstein dafür gelegt, Schülerinnen und Schüler nachhaltig für Wissenschaft zu begeistern. Das bietet nicht nur individuelle Chancen und Perspektiven für die Jugendlichen, sondern trägt insgesamt zur gesellschaftlichen Entwicklung bei. Unsere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in den Fachdidaktiken leisten nicht nur mit der Ausbildung von Lehramtsstudierenden, sondern auch mit Forschungs- und Entwicklungsprojekten zu neuen Konzepten und innovativen Materialien für den Unterricht hierzu einen maßgeblichen Beitrag“,
so Krausch.
Pflanzen bewusst wahrnehmen und biologische Vielfalt verstehen
„Die didaktische BLUMEnmischung enthält Saatgut von acht verschiedenen, einjährigen Blumenarten aus sechs verschiedenen Pflanzenfamilien – und zu jeder Blume gibt es eine kleine Geschichte“,
erläuterte Lisa Kissi, die das Projekt „Durch die BLUME“ im Rahmen ihrer Doktorarbeit an der JGU entworfen hat. Die Materialien für den Bio- und NaWi-Unterricht hat sie bereits an verschiedenen Schulen in der Region erfolgreich getestet und nach einem Feedback von Schülern und Lehrern entsprechend optimiert. Die Siebtklässler können das Saatgut zunächst unter dem Binokular betrachten, sortieren und die einzelnen Arten bestimmen.
„Ab Mitte März kann dann in Töpfen ausgesät werden und nach der Keimung nimmt jeder Schüler eine Pflanze mit nach Hause.“
Wachstum und Entwicklung von Blumen wie Acker-Senf und Borretsch, Kornblume und Türkischer Drachenkopf werden in einem BLUMEn-Tagebuch dokumentiert, das mit den Samentüten verteilt wird – „Langzeitbeobachtung“ nennen dies die Biologiedidaktiker der JGU. Der krönende Abschluss vor den großen Ferien ist eine Poster-Session, bei der die einzelnen Arten und deren Gedeihen anhand von Präsentationsplakaten der ganzen Klasse vorgestellt werden. Insgesamt steht am Ende, so der Wunsch der Biologiedidaktiker, die Auseinandersetzung mit dem Begriff „Vielfalt“ und die Erkenntnis, dass wir Menschen ohne biologische Vielfalt nicht überleben könnten.
„Heterogenität und Vielfalt im menschlichen Miteinander sind für uns als IGS selbstverständlich und bereichernd. Es gilt nun durch das Projekt auch den Blick für den Reichtum der Vielfalt in der Natur zu öffnen“,
bemerkte Ernst Schäfer, der Schulleiter der IGS Anna Seghers, dazu.
„‘Durch die BLUME‘ ist weit mehr als eine Saatgutmischung für den Bio-Unterricht. Es ist hier ein komplettes Unterrichtskonzept mit umfassenden Arbeitsmaterialien entstanden, das sich sehr gut für die siebten Klassen, aber auch schon für Fünft- und Sechstklässler eignet“,
teilte Prof. Dr. Daniel Dreesmann, Leiter der AG Didaktik der Biologie, mit.
„Pflanzen werden im Biologieunterricht häufig als langweilig empfunden. Dabei sind sie unsere Lebensgrundlage und erfreuen uns mit ihrer Blütenpracht“,
so Dreesmann weiter. Mit Hilfe der didaktischen BLUMEnmischung sei es jetzt möglich, naturwissenschaftliche Kompetenzen des Faches Biologie gleichsam „durch die Blume“ zu vermitteln. Hierfür wurden zudem Aufbaumodule für den Unterricht zu Blütenbiologie, Pflanzenphysiologie und Evolution konzipiert. Wie bei anderen Eigenentwicklungen, wie dem A.N.T.S.-Experimentierkoffer, der Ameisenforschung im Unterricht ermöglicht, war den Mainzer Biologiedidaktikern auch hier ein enger Austausch mit Biologielehrern während der Entwicklungsphase wichtig.
Weil es sich in nachahmenswerter Weise für die Erhaltung der biologischen Vielfalt einsetzt, hat „Durch die BLUME“ vergangenen Herbst die offizielle Auszeichnung als Projekt der UN-Dekade Biologische Vielfalt erhalten.