Mannheim – Wie kann man gezielt gegen Kriminalität im öffentlichen Raum vorgehen und welche Erfahrungen haben andere europäische Großstädte in diesem Zusammenhang bereits gemacht? Mit diesen und weiteren Fragen zum Thema Sicherheit im öffentlichen Raum befasst sich die EU Mayor’s Conference, die heute in Brüssel tagt. Auch Mannheims zuständiger Erster Bürgermeister und Sicherheitsdezernent Christian Specht wurde zu der Konferenz eingeladen.
„In Mannheim haben wir ein umfassendes Sicherheitskonzept, das wir in enger Kooperation mit der Landespolizei durchführen und das hier sehr positiv bewertet wurde. Zu diesem zählen unter anderem der Runde Tisch Sicherheit, unsere Sicherheitsbefragung, der Präventionsverein ‚Sicherheit in Mannheim‘ oder das Haus des Jugendrechts“, berichtet Specht. „Mit unserer geplanten intelligenten Form der Videoüberwachung, die ebenfalls Teil dieses Konzeptes ist, setzen wir an einem ganz wesentlichen Punkt an: Wir wollen die Sicherheit der Menschen in unserer Stadt erhöhen und es dabei gleichzeitig mithilfe modernster Techniken schaffen, den Eingriff in die Persönlichkeitsrechte jedes Einzelnen so gering wie möglich zu halten“, betont Specht. „Ich freue mich, dass das von uns geplante Projekt ‚Mannheimer Weg 2.0‘, das schon jetzt bundesweit für hohe Aufmerksamkeit sorgt, auch auf europäischer Ebene auf großes Interesse stößt.“
Wie die EU im Rahmen der Konferenz verkündete, beabsichtigt sie, Fördermittel für innovative Maßnahmen zur Verfügung zu stellen. „Die EU-Vertreter haben sehr großes Interesse an unserem Instrument der intelligenten Videoüberwachung bekundet. Es würde mich freuen, wenn wir die Vertreter dafür gewinnen könnten, uns in unserem Vorhaben finanziell zu unterstützen. Immerhin könnte das Projekt auch europaweit relevant werden“, so der Mannheimer Sicherheitsdezernent.
EU Mayors‘ Conference
Die heute in Brüssel stattfindende ganztägige EU Mayors‘ Conference, die von der Europäischen Kommission und dem Europäischen Ausschuss der Regionen gemeinsam organisiert wurde, bringt Bürgermeister aus zahlreichen europäischen Städten zusammen, um über den Schutz des öffentlichen Raums und die längerfristige Herausforderung der Verhinderung von Radikalisierung zu diskutieren.
„Wenn wir wollen, dass der öffentliche Raum in unseren Städten sicherer wird, müssen unsere Überlegungen weiter reichen als nur bis zu versenkbaren Pollern, Blöcken und Barrieren am Ende von Fußgängerzonen“, so Specht. „Es geht darum, wesentlich früher anzusetzen, nämlich beim Thema Kriminalprävention. Gerade die weichen und präventiven Maßnahmen, die wir in Mannheim im Rahmen unseres Netzwerks ‚Sicherheit in Mannheim‘ (SiMA e.V.) durchführen, sind enorm wichtig.“
Erst Anfang Februar hatte der Mannheimer Präventionsverein, dessen Vorsitz Erster Bürgermeister Specht und Mannheims Polizeipräsident Thomas Köber innehaben, eine Fachtagung zum Thema „Hate Speech“ organisiert. Im Rahmen der Veranstaltung tauschten sich unter anderem Kommunale Einrichtungsträger, Polizei und Akteure in der Prävention im Bereich des Polizeipräsidiums Mannheim sowie Lehrkräfte und Sozialarbeiter zu ihren Erfahrungen und Ansätzen aus.
Auf der heutigen EU Mayors‘ Conference in Brüssel bringen die deutschen Vertreter Leitüberlegungen ein, auf die sich die Mitgliedsstädte des Deutsch-Europäischen Forums für Urbane Sicherheit (DEFUS e.V.) mit Blick auf die Herausforderung terroristischer Anschläge in Städten verständigt haben.
Die Grundlage der weiteren Anstrengungen zur Sicherung des öffentlichen Raums werden demnach sein:
- Die Städte sollen offene Orte bleiben, die jedermann zu jeder Zeit zugänglich sein sollen. Das Hochziehen von ‚Stadtmauern‘ und das ‚Schließen der Stadttore‘ verträgt sich nicht mit dem Bild einer pluralistischen und offenen Gesellschaft.
- Die Produktion von Sicherheit für den öffentlichen Raum ist eine gemeinsame Herausforderung. Die Polizei, die Städte aber auch weitere staatliche Institutionen sowie wissenschaftliche, private und zivilgesellschaftliche Akteure sind aufgefordert, Lösungen zu entwickeln, die effektive Sicherheit herstellen, und gleichzeitig dem Anspruch an eine offene Gesellschaft genügen.
- Die Bürgerinnen und Bürger haben einen Anspruch auf einen angstfreien Aufenthalt auf den Straßen und Plätzen unserer Städte. Mögliche Risiken, durch Terror und Gewalt an Leib und Leben verletzt zu werden, müssen daher durch Polizei und Kommunen minimiert werden. Absolute Sicherheit kann in einer freien Gesellschaft aber nicht gewährleistet werden. Eine Haltung in der Bevölkerung, die zugleich von Sensibilität auf ungewöhnliche Veränderungen in ihrem Umfeld als auch von Widerstandskraft (Resilienz) im Falle eines Anschlags geprägt ist, muss Grundlage eines gesellschaftlichen Konsenses werden. Nur so ist zu verhindern, dass das eigentliche Ziel von Anschlägen, das freie und offene gesellschaftliche Leben durch Angst einzuschränken, erreicht werden kann. Dieses Bewusstsein zu fördern, ist auch eine staatliche Aufgabe.
- Die Prävention von Radikalisierung sowie politischem und religiös begründetem Extremismus ist ein entscheidender Faktor für die langfristige Gewährleistung von Sicherheit im öffentlichen Raum. Ein ganzheitlicher Ansatz, der präventive städtebauliche Maßnahmen mit sozialen und politischen Präventionsmaßnahmen kombiniert, ist die Voraussetzung für die Herstellung tatsächlicher und gefühlter Sicherheit im öffentlichen Raum.
- Die Städte brauchen dynamische Sicherheitsstrategien, die nicht lediglich auf vergangene Ereignisse reagieren, sondern zukünftige Gefahrenszenarien vordenken und geeignete Maßnahmen zur Prävention potentieller Gefahren frühzeitig entwickeln. Ein ‚vor die Lage kommen‘ ist sicherlich ein herausforderndes Ziel, muss aber mit Blick auf die katastrophalen Auswirkungen terroristischen Handelns Maßstab unseres Handelns sein.
- Präventionsmaßnahmen zum Schutz des öffentlichen Raums dürfen sich nicht im ‚Zupollern‘ unserer Städte erschöpfen. Denn hier wird lediglich EIN terroristisches Anschlagsszenario mit großem finanziellem und personellem Aufwand bekämpft. Städtebauliche und weitere technische bzw. digitale/smarte Lösungen müssen in Modellversuchen entwickelt werden. Aus einem dann entstehenden Instrumentenkasten können die Städte ihre individuellen Lösungsstrategien entwickeln.
- Die Abwehr von terroristischen Anschlägen ist keine originäre Aufgabe der Städte. Insbesondere die finanziellen Belastungen, z.B. Sicherung von Großveranstaltungen, dürfen nicht auf die Städte abgewälzt werden. Städte müssen zudem auch inhaltlich entlastet werden, zum Beispiel durch die Stärkung von Präventionsgremien auf Landesebene, die die Kommunen durch Beratung unterstützen.
- Kommunen erwarten, dass Standards und Normen zur Zertifizierung entsprechender flexibler und dauerhafter baulicher Sicherungssysteme zügig entwickelt bzw. kontinuierlich weiterentwickelt werden.
(vergl.: http://defus.de/nano.cms/Standpunkte)
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