Ludwigshafen – Es hat lange gedauert, sogar sehr lange. Nach 17 Spielen ohne Sieg sind die Eulen wieder in die Erfolgsspur zurückgekehrt. Mit einer starken Leistung in den letzten 15 Minuten machten die Schützlinge von Trainer Ben Matschke gegen die HSG Wetzlar das schier Unmögliche noch wahr. Sie sicherten sich trotz eines Sechs-Tore-Rückstandes im „1-Euro-Spiel“ mit großer Moral und Leidenschaft einen 31:29 (10:15) Sieg und verließen zugleich in der DKB Handball-Bundesliga den letzten Tabellenplatz. Jetzt dürfen sie weiterhin auf den Ligaverbleib hoffen. Erfolgreichster Torschütze bei den Pfälzern war David Schmidt mit neun Treffern.
Nach dem Abpfiff hielt es auch den langjährigen Routinier und Kapitän Philipp Grimm nicht mehr auf seinem Platz. Er rannte auf das Spielfeld und gab Kevin Klier einen Kuss. Einen besonderen, einen Siegeskuss. Die Mannschaft, aber auch die Fans waren nach sechzig nervenaufreibenden Minuten völlig aus dem Häuschen. Der Sieg glich einer kleinen Sensation. Denn die Gastgeber lagen bereits mit 19:26 zurück und starteten in den letzten 15 Minuten eine kaum für möglich gehaltene Aufholjagd. Die Eulen bewiesen wieder einmal eine enorme Moral und ließen diesmal keine Gelegenheit aus, um den Rückstand zu verkürzen. Sie hielten sich an die Taktik ihres Trainers, zeigten auch im Abschluss mehr Geduld und suchten stets konsequent die Lücke zum gegnerischen Tor. Da sah Wetzlars Weltklasse-Keeper Benjamin Buric manchmal schlecht aus. Seine Vorderleute hatten ihn in der Schlussphase einfach im Stich gelassen. Dagegen waren die Eulen nach ihrem zwischenzeitlichen Tiefschlaf ab der 20. Minute wieder erwacht und ließen den Mittelhessen kaum noch eine Chance. „Wir waren eigentlich tot“, gestand Ben Matschke. Die Einwechslung und die ersten Parade von Torhüter Kevin Klier waren der Impuls, den die Mannschaft brauchte. So rückten sie von Minute zu Minute dem Ausgleich immer näher.
Der Knackpunkt in der Partie war die Zwei-Minute-Strafe gegen Filip Mirkulovski, der nach einem groben Foulspiel beim 29:27 (55.) vom Parkett musste. Es kam noch schlimmer. Bereits im nächsten Angriff konnte Joao Ferraz, Spielmacher Alexander Feld nur mit einem Foul stoppen und sah wegen seiner dritten Zeitstrafe auch die Rote Karte. Die doppelte Unterzahl spielte den Gastgebern in die Karten. Als Alexander Falk drei Minuten vor dem Ende in Ballbesitz kam und alleine auf das gegnerische Tor zu lief, das Buric zugunsten eines weiteren Feldspielers verlassen hatte, gab es kein Halten mehr. Das Eulen-Eigengewächs traf zum 29:29. „Die rote Wand“ stand wie eine Mauer hinter der Mannschaft. Es war aber auch eine nervige Angelegenheit. Als Denni Djozic zum dritten Mal an den Strich schritt und erneut eiskalt den Siebenmeter verwandelte, war der Höllenlärm nicht mehr zu überbieten. Es wurde nur noch einmal ganz still. Genau 61 Sekunden vor dem Abpfiff als Kristian Björnsen ebenfalls für die Gäste zum Siebenmeter-Strich ging. Da zeigte Kevin Klier, der schon in den bisherigen 16 Minuten mit vier Paraden überzeugte, erneut seine Klasse und parierte den Strafwurf. Da erhob sich auch der letzte Zuschauer von seinem Sitzplatz. Der Sieg rückte immer näher. Noch ehe die beiden Unparteiischen in der Schlussminute Zeitspiel anzeigten, legte Ben Matschke die Grüne Karte zur Auszeit auf den Tisch. „Unser Ziel war es einen langen Spielzug zu spielen, um die Gäste nicht noch einmal in Ballbesitz zu bringen“, sagte Matschke erleichtert. Und mit dem Schlusspfiff „hämmerte“ Alexander Feld den Ball ins Netz. Die Aufholjagd war vollzogen und diesmal blieben die Punkte in Ludwigshafen.
Da erinnerte sich niemand mehr an die vielen Möglichkeiten, die die Matschke-Sieben in der ersten Hälfte hatte. Nach der 6:3 Führung gerieten die Eulen ins Hintertreffen, nachdem Benjamin Buric gleich reihenweise die Würfe von Hruscak, Dietrich, Schmidt und Haider parierte. Ganz bitter waren die letzten acht Spielminuten als Wetzlar nach der 10:9 Führung noch mit deutlich mit 15:10 zum Pausenpfiff davon zog. Da glaubte kaum noch jemand an die Wende. Am Ende war sie dennoch gelungen!
„Unglaublich, was die Mannschaft geleistet hat. Es freut mich, dass sich meine Jungs endlich mal belohnen durften“, meinte Matschke schweißgebadet. Da hatte auch Kai Wandschneider, der Trainer der HSG Wetzlar einige nette Worte parat. „Die Eulen haben eine unglaubliche Moral, sie schauen immer noch vorne. Hier wird sensationelle Arbeit geleistet“, meinte Wandschneider und zeigte Verständnis für die Euphorie in der Eberthalle. „Ich kenne das Gefühl, wenn man verliert, denn das macht irgendwann keinen Spaß mehr. Heute hat man gesehen, dass die Mannschaft lebt, sie hat nicht aufgegeben.“ Dagegen war HSG Geschäftsführer Björn Seipp über den blutleeren Auftritt seiner zweiten Garde sauer. „Es war ein verrücktes Spiel, das habe ich selten gesehen, dass meine Mannschaft so auseinander fällt“, sagte Wandschneider.
Es herrschte pure Freude in der fast ausverkauften Friedrich-Ebert-Halle. Einer strahlte diesmal ganz besonders: Kai Dippe. Nach fast sechs Monaten gab es wieder einmal die legendäre „Dippe-Humba“. Der Kreisläufer hatte die Worte keinesfalls vergessen. Im Gegenteil: Er hatte auch so manches neu erfunden. Dippe, der Schlitzohr, der auch diesmal kämpfte und keinesfalls zurücksteckte. „Ich habe der Mannschaft gesagt, tut Euch Gefallen, dass wir wieder die Humba anstimmen können“, verriet Matschke am Ende. Das war Ansporn genug. Es soll aber nicht die Letzte in dieser Spielzeit sein. Am Sonntag (15:00 Uhr, Kampa-Halle) geht es nach Minden. Auswärts haben die Eulen noch eine Rechnung offen. Sie konnten in dieser Spielzeit noch nie in der Fremde doppelt punkten. „Es geht dort wieder von vorne los, wir haben einen Plan und wir werden auch in Ostwestfalen engagiert und konzentriert, wie zuletzt, in diese Partie gehen“, versprach Matschke.
Statistik
Die Eulen Ludwigshafen – HSG Wetzlar 31.29 (10:15) Tore
Die Eulen Ludwigshafen: Klier (4/5), Peribonio (4/22), Hannemann (0/2) – Hurscak, Dietrich (4), Scholz (2), Haider (1), Feld (2), Falk (2), Durak (1), Bührer, Djozic (3/3), Dippe (1), Valiullin (5), Schmidt (9).
HSG Wetzlar:: Klimpke (n.E.), Buric (1/10/30), Weber (0/1) – Kneer, Bjornsen (4/1), Pöter, Ferraz (5), Mirkulovski (2), Volnetics, Holst (9/3), Schefvert (3), Kvist, Klesniks, Landskog (2), Cavor (1), Kohlbacher (2).
Spielfilm: 3:2 (6.), 5:3 (8.), 6:6 (14.) 7:9 (17.), 10:11 (26.), 10:15 (30.), 12:18 (36.), 17:22 (42.), 21:25 (46.), 26:27 (53.), 29:29 (57.), 31:29 (60.)
Siebenmeter: 3/3 -6/4 – Zeitstrafen: 12 (Dippe, 2x Schmidt, Feld, Heider, Dietrich) : 14 (Kohlbacher, Schefvert 2x, Ferraz 3 x, Mirkulovski)) Min. – Rote Karte: Ferraz (56., 3. Zeitstraffe) – Beste Spieler: Schmidt, Dietrich, Klier – Ferraz, Buric, Holst – Zuschauer: 2294 – Schiedsrichter: Thiyagarah/Thiyagarah (Gummersbach)