Worms – Im vergangenen Jahr hat Prof. Dr. Dieter Borchmeyer die vielbeachtete Publikation „Was ist deutsch? Die Suche einer Nation nach sich selbst“ bei Rowohlt veröffentlicht. Über die deutsche Identitätssuche in ständigem Schwanken zwischen über-nationaler und nationaler Selbstbestimmung hält der Literaturwissenschaftler nun einen Vortrag in Worms am Mittwoch, 11. April 2018, um 19 Uhr im Raum Kreiselblick des EWR-Hauptgebäudes (Lutherring 5). Veranstalter sind die Stadtverwaltung Worms und Demokratie leben. Der Eintritt ist frei, um Anmeldung wird gebeten unter Telefon 06241/853-1053 oder E-Mail: sabine.dehoff@worms.de.
Borchmeyer lehrte seit 1988 Neuere Deutsche Literatur und Theaterwissenschaft an der Universität Heidelberg. 2004 bis 2013 war er Präsident der Bayerischen Akademie der Schönen Künste. Im Jahre 2000 erhielt er den Bayerischen Literaturpreis für wissenschaftliche Darstellungen von literarischem Rang. Sein Arbeitsfeld ist vor allem die deutsche Literatur vom 18. bis 20. Jahrhundert und das Musiktheater mit Monographien und Editionen zu Goethe, Schiller, Mozart, Richard Wagner, Nietzsche und Thomas Mann. In seinem 2017 erschienenen Buch stellt er fest, dass sich die Frage nach der eigenen Identität kaum eine andere Nation so oft gestellt hat wie die deutsche. Nie habe sie ein gesichertes Identitätsgefühl entwickelt, keine Nation habe sich so unermüdlich Rechenschaft darüber abzulegen gesucht, was sie nun eigentlich sei. Wie immer, wenn man sich seiner Sache nicht sicher sei, werde Unsicherheit oft durch Überbetonung dessen kompensiert, was einem gerade mangelt. Und so entwickelte sich im 19. Jahrhundert ein vielfach blinder Patriotismus und nationaler Chauvinismus, der nichts mehr davon wissen wollte, wie sehr noch die Goethezeit von einer kosmopolitischen Idee des Deutschseins bestimmt war. Ihren klassischen Ausdruck hat diese Idee in dem Distichon ´Deutscher Nationalcharakter´ von Goethe und Schiller gefunden. Hier wird vor dem Hintergrund der fehlenden nationalen Einheit des in Kleinstaaten zersplitterten Deutschland an seine Weltbürgerlichkeit appelliert: „Zur Nation euch zu bilden, ihr hoffet es, Deutsche, vergebens. Bildet, ihr könnte es, dafür freier zu Menschen auch aus.“ Die Deutschen haben für Goethe und Schiller also keine im engeren Sinne nationale, sondern eine allgemein-menschliche Mission.