Heidelberg – Ein Medikament von vor-vorgestern bietet vielversprechende Perspektiven für die Malaria-Therapie von morgen: Das älteste synthetische Malariamittel, der Farbstoff Methylenblau, eliminiert in Kombination mit modernen Präparaten innerhalb kürzester Zeit sämtliche Erreger der Malaria tropica im Körper infizierter Patienten. Es wirkt dabei insbesondere gegen die Parasitenformen, die von Stechmücken nach einer Blutmahlzeit bei Erkrankten weiter verbreitet werden. Zu diesen Ergebnissen kommen Arbeiten unter Federführung von Wissenschaftlern des Instituts für Public Health, Universitätsklinikum und Medizinische Fakultät der Universität Heidelberg, zuletzt eine klinische Studie von Kooperationspartnern in Mali, veröffentlicht im renommierten Fachjournal „The Lancet Infectious Deseases“. Darüber hinaus scheint Methylenblau der gefürchteten Resistenz-Entwicklung bei den Malaria-Parasiten vorzubeugen.
Der Farbstoff Methylenblau wurde erstmals 1876 von Heinrich Caro in der BASF synthetisiert und wenige Jahre darauf von Nobelpreisträger Paul Ehrlich in der Behandlung von Malaria-Patienten getestet, im weiteren Verlauf dann intensiv neben Chinin in Malariagebieten eingesetzt, bis es wenige Jahrzehnte später von neueren Medikamenten, z.B. Chloroquin, abgelöst wurde. Nachdem sich gegen Ende des 20. Jahrhunderts Resistenzen gegen einen Großteil der verfügbaren Malariamittel entwickelt hatten, rückte Methylenblau wieder in den Fokus der Forscher. Die in China entwickelten Artemisinin-Kombinationspräparate haben sich zwar seitdem als hochwirksame Standardtherapie etabliert, es gibt aber bereits eine bedrohliche Resistenzentwicklung gegen Artemisinine in Süd-Ost Asien.
Übertragung der Erreger vom Mensch zurück auf Moskitos zu 100 Prozent gestoppt
Die aktuell veröffentlichte Studie wurde auf Heidelberger Initiative hin am Malaria Research and Training Centre der Universität von Bamako, Mali, durchgeführt. Eingeschlossen wurden 80 männliche Malaria-Patienten im Alter zwischen fünf und 50 Jahren ohne schwere Symptome. Sie wurden zufällig in vier Gruppen eingeteilt. Zwei Gruppen erhielten drei Tage lang je eine gängige Zweifach-Medikamentenkombination, eine Gruppe zusätzlich das für die Malariatherapie zugelassene Mittel Primaquin, die vierte Gruppe den bisher nur in Studien zugänglichen Farbstoff Methylenblau. Am Tag Zwei und Tag Sieben der Behandlung ließen sie sich von im Labor geschlüpften und daher Malaria-freien Moskitos stechen. „Dieser Praxistest wurde für die jeweiligen Wirkstoffkombinationen bisher noch nicht durchgeführt“, erklärt Professor Dr. Olaf Müller, Projektleiter im Institut für Public Health Heidelberg. Das Ergebnis: Weder die mit Primaquin noch die mit Methylenblau behandelten Patienten übertrugen infektiöse Malaria-Erreger, so genannte Gametozyten, auf die Mücken. Anders als bei den Gruppen mit Zweifach-Therapie – diese töteten die Gametozyten nicht vollständig ab. Alle Wirkstoffkombinationen wurden insgesamt gut vertragen, schwere oder gehäufte Nebenwirkungen traten nicht auf.
Gametozyten sind der Schlüssel zur Ausbreitung der Malaria. Gelangen diese Erregerformen bei einem Stich vom Patienten zurück in den Moskito, entwickeln sie sich dort zu infektiösen Stadien weiter – und werden dann wieder auf Menschen übertragen. Nur wenn es gelingt, die Gametozyten schnell im Blut der Betroffenen abzutöten, kann der Kreislauf unterbrochen werden.
Methylenblau als verträgliche Alternative
„Sowohl Primaquin als auch Methylenblau erwiesen sich in den jeweils getesteten Dreifach-Kombinationen als hochwirksam, um eine Übertragung von Malaria-Erregern zu verhindern. Mit Methylenblau haben wir daher eine zuverlässige Ausweichmöglichkeit, wenn beispielsweise Primaquin nicht vertragen wird. Zum anderen schützt eine Dreifachkombination durch seine schnelle und zuverlässige Wirkung vor Resistenzentwicklung und kann wesentlich zu der langfristig von der internationalen Roll Back Malaria-Initiative angestrebten Ausrottung beitragen“, ist der Experte überzeugt. Primaquin birgt das Risiko schwerer Nebenwirkungen bei einem bestimmten, in Malariagebieten häufigen Gendefekt (G6PD-Mangel), für diese Patienten könnte daher Methylenblau eine bessere Alternative darstellen.
Da Methylenblau von der Heidelberger Arbeitsgruppe bereits seit Jahren im Rahmen von Studien in Westafrika eingesetzt wurde, ist es klinisch gut getestet. „Nun wäre die Zeit gekommen, die noch ausstehende Zulassungsstudie durchzuführen. Wir hoffen in absehbarer Zeit eine entsprechende Förderung einwerben zu können“, so Müller. Malaria ist nach wie vor die bedeutendste von Parasiten ausgelöste Tropenkrankheit. Zwar ist die Anzahl der Betroffenen dank internationaler Maßnahmen zur Malaria-Bekämpfung seit Beginn des 21. Jahrhunderts deutlich gesunken. 2016 erkrankten aber weltweit immer noch 216 Millionen Menschen, rund eine halbe Million starben daran. Betroffen sind vor allem Kinder im Afrika südlich der Sahara.
Basierend auf bahnbrechender Grundlagenforschung am Biochemie-Zentrum der Ruprecht-Karls Universität Heidelberg nehmen Heidelberger Tropenmediziner und Global Health-Experten seit 15 Jahren in der klinischen Testung von Methylenblau für die Malariabekämpfung international eine Vorreiterrolle ein. Die Heidelberger Studien – von denen viele im Studiengebiet der Partnerorganisation „Centre de Recherche en Santé de Nouna“ im ländlichen Burkina Faso durchgeführt wurden – erhielten in den ersten Jahren finanzielle Unterstützung von dem Chemieunternehmen DSM und der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Sonderforschungsbereichs „Kontrolle tropischer Infektionskrankheiten“. BASF unterstützt seit 2014 die Methylenblau-Forschung in der Gruppe von Prof. Müller.