Heidelberg – Die Stadt Heidelberg erinnert daran, dass es ab diesem Jahr keine sogenannte Walpurgisnachtfeier auf der Thingstätte mehr gibt.
Die Stadt hatte bereits im Dezember 2017 angekündigt, dass sie damit die Konsequenzen aus mehreren bedenklichen Vorfällen in der jüngeren Vergangenheit zieht – im Jahr 2017 gab es zum Beispiel einen Schwerverletzten sowie einen Waldbrand. Das Event mit bis zu 15.000 Besucherinnen und Besuchern auf dem Heiligenberg hatte keinen offiziellen Veranstalter oder ein grundlegendes Sicherheitskonzept. Eine von der Stadt in Auftrag gegebene Gefährdungsbeurteilung hatte jedoch eine Reihe von hohen, zum Teil auch unzumutbaren Gefahrenquellen aufgezeigt. Ausführliche Infos dazu gibt es online unter www.heidelberg.de/walpurgisnacht.
Gefahrenvorsorge für die Walpurgisnacht 2018
Für die Thingstätte und den Heiligenberg besteht ab Montag, 30. April 2018, ab 14 Uhr, bis Dienstag, 1. Mai, 6 Uhr, ein Betretungsverbot. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Polizei und der Stadt sowie weitere Sicherheitskräfte werden in der Walpurgisnacht vor Ort sein. Die gesamte Thingstätte wird in diesem Zeitraum ausgeleuchtet und eingezäunt. Die Haupt-Waldwege sind gesperrt und werden kontrolliert. An den Zugangswegen zum Heiligenberg weisen zudem Hinweisschilder auf das Betretungsverbot hin.
Wer den Wald trotz der Sperrung betritt, womöglich noch mit Fackeln oder vergleichbaren brennenden Gegenständen, begeht eine Ordnungswidrigkeit, die mit einer empfindlichen Geldbuße belegt werden kann. Jede Person, die versucht, die Thingstätte zu betreten, macht sich wegen Hausfriedensbruchs strafbar, und dies kommt konsequent zur Anzeige.
Bürgermeister Erichson: „Walpurgisnachtfeier ist ein untragbares Sicherheitsrisiko geworden“
„Wir können die Gesundheit und die Sicherheit der Menschen nicht gewährleisten. Das Gelände ist unübersichtlich, nicht ausgeleuchtet, es gibt unzählige Sturzfallen und keinerlei Organisationsstruktur. Die jüngsten Ereignisse und erforderlichen Sicherheitsanforderungen sowie die nun vorliegende Gefährdungsbeurteilung zeigen ganz klar, dass das Risiko dieses Events sowohl für die Besucherinnen und Besucher als auch für die Stadt nicht länger zu verantworten ist. Die Walpurgisnachtfeier ist ein untragbares Sicherheitsrisiko geworden und wir haben keinen Ermessensspielraum mehr, die Untersagung ist zwingend“, erklärt Bürgermeister Wolfgang Erichson.
Die Stadt Heidelberg ist nicht nur als Eigentümerin der Thingstätte in der Pflicht – sie trägt als Ortspolizeibehörde auch die Verantwortung für die öffentliche Sicherheit. In der Vergangenheit hatte die Stadt zwar Vorkehrungen getroffen, um ein Mindestmaß an Sicherheit für die Besucherinnen und Besucher zu schaffen. Die Ereignisse im Jahr 2017 machen nun ein rigoroseres Handeln notwendig.
Gefährdungsbeurteilung: 23 Kategorien, 17 Mal höchste Risikostufe
Zu diesem Schluss kommt auch die Gefährdungsbeurteilung der Firma Event Consult Europa. Der aktuelle Zustand sei für die Stadt Heidelberg und für die Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben nicht hinnehmbar. „In der Gesamtbetrachtung ist das Happening baulich und organisatorisch als mangelhaft einzustufen und kann in dieser Form auf keinen Fall weitergeführt werden“, heißt es im Fazit der Beurteilung.
Event Consult Europa hat für sein Gutachten 23 Kategorien begutachtet – von der Geländebeschaffenheit über Zu- und Abgangswege bis hin zum Besucherverhalten oder einer eventuellen Räumung des Areals im Schadensfall. Bei 17 Kategorien sehen die Gutachter „nicht zu vertretende und kalkulierbare Risiken“ – das ist die höchstmögliche von sechs Risikostufen.
Als besonders kritische Punkte nennt das Gutachten:
- Kein offizieller Veranstalter und kein organisierter Ablauf
- Unkontrollierte Feuerstellen im Waldgebiet mit hoher Brandgefahr
- Vielzahl von Sturzstellen und Stolperfallen auf dem Gelände
- Kein System für Zu- oder Ableitung von Besuchern, kein System von Rettungs- und Fluchtwegen
- Keine Beleuchtung
Hintergrund: Die Heidelberger Thingstätte auf dem Heiligenberg ist ein Beispiel für nationalsozialistische Architektur und eine nach dem Vorbild antiker griechischer Theater errichtete Freilichtbühne. Die Thingstätte wurde von 1934 bis 1935 vom Reichsarbeitsdienst und Heidelberger Studenten erbaut. Die Bühne sollte vor allem für Propagandaveranstaltungen genutzt werden. Doch schon bald verloren die Nationalsozialisten das Interesse an der Anlage. Während des Zweiten Weltkriegs war die Thingstätte weitgehend ungenutzt. Heute ist die Thingstätte ein Kulturdenkmal, das für Touristen, Wanderer und Waldspaziergänger frei zugänglich ist. Sie verfügt über keine baulichen Anlagen und ist weder eingezäunt noch beleuchtet.