Frankfurt am Main – Astrophysiker am Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn und in Nijmegen, die im Rahmen des Projekts “BlackHoleCam” zusammenarbeiten, beantworten diese Frage durch die erstmalige Berechnung von Bildern Schwarzer Löcher aufgrund alternativer, nicht-Einsteinscher Gravitationstheorien. Zurzeit ist es noch schwierig, diese von klassischen Schwarzen Löchern aufgrund der allgemeinen Relativitätstheorie zu unterscheiden. Die Ergebnisse werden als “Advance Online Publication” (AOP) am 16. April 2018 auf der Website von Nature Astronomy veröffentlicht.
Eine der fundamentalsten Vorhersagen von Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie ist die Existenz von Schwarzen Löchern. Doch trotz der erst kürzlich gelungenen Entdeckung der Gravitationswellen binärer Schwarzer Löcher am LIGO-Experiment steht ein direkter Nachweis mit Radioteleskopen noch aus. Zum ersten Mal haben nun Astrophysiker der Goethe-Universität Frankfurt, des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie in Bonn und der Universität Nijmegen im Rahmen des vom Europäischen Forschungsrat geförderten Projekts „BlackHoleCam“ realistische „Schattenbilder“ von Sagittarius A* (Sgr A*) erstellt, dem Kandidaten für ein supermassereiches Schwarzen Lochs im Zentrum unserer Milchstraße. Sie wollen damit nicht nur prüfen, ob Schwarze Löcher existieren, sondern auch, ob sich Schwarzen Löcher im Rahmen von Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie von denjenigen unterscheiden lassen, die in alternativen Schwerkrafttheorien auftreten.
Materie, die in den „Ereignishorizont“ am Rande eines Schwarzen Lochs gerät, wird endgültig verschluckt und ist nicht mehr nachweisbar. Doch einige der Lichtteilchen (Photonen), welche die Materie als letzte Signale aussendet, können entkommen und von fernen Beobachtern registriert werden. Die Größe und Form des dadurch erzeugten Schattens hängt dabei von den Eigenschaften des Schwarzen Lochs und der in die Rechnung eingehenden Gravititationstheorie ab.
Da die größten Abweichungen von Einsteins Relativitätstheorie sehr nahe am Ereignishorizont erwartet werden, und da alternative Gravitationstheorien unterschiedliche Vorhersagen über die Eigenschaften des Schattens treffen, sind direkte Beobachtungen von Sgr A* ein vielversprechender Ansatz, die Auswirkung der Gravitation unter den extremsten Bedingungen zu testen. Solche Bilder vom Schatten eines Schwarzen Lochs zu erzeugen, ist das oberste Ziel der internationalen „Event Horizon Telescope“-Kollaboration (EHTC), die Radiodaten von Teleskopen aus der ganzen Welt kombiniert und so ein Riesenteleskop von nahezu Erddurchmesser simuliert.
Wissenschaftler aus dem „BlackHoleCam“-Team in Europa, die der EHT-Kollaboration angehören, sind nun einen Schritt weiter gegangen und haben untersucht, ob es möglich ist, zwischen verschiedenen Typen von Schwarzen Löchern zu unterscheiden, die von unterschiedlichen Gravitationstheorien vorhergesagt werden. In Einsteins Theorie ist das der sogenannte „Kerr“-Typ, während der „Dilaton“-Typ die repräsentative Lösung einer anderen Gravitationstheorie darstellt.
Die Forscher untersuchten was passiert, wenn Materie auf diese zwei sehr unterschiedlichen Arten von Schwarzen Löchern fällt und berechneten die entstehende Strahlung als Grundlage, um die Bilder zu erzeugen. „Zur Erfassung der Effekte verschiedener Schwarzer Löcher benutzten wir realistische Simulationen von Akkretionsscheiben mit fast identischen Ausgangsbedingungen. Diese kostspieligen numerischen Simulationen benötigten hochmoderne Rechencodes und beanspruchten mehrere Monate Rechenzeit auf dem LOEWE-CSC-Supercomputer unseres Instituts“, sagt Erstautor Dr. Yosuke Mizuno.
Die erwarteten Radiobilder werden von Natur aus eine begrenzte Auflösung und Bildgenauigkeit haben. Als die Wissenschaftler ihren Rechnungen realistische Bildauflösungen zugrunde legten, fanden sie zu ihrem Erstaunen heraus, dass selbst Schwarze Löcher, die sich in ihren Eigenschaften stark von klassischen Schwarzen Löchern im Einstein’schen Sinne unterscheiden, sich in den simulierten Erscheinungsbildern kaum noch voneinander unterscheiden lassen.
“Unsere Ergebnisse legen nahe, dass man in manchen Gravitationstheorien, Schwarze Löcher ähnlich aussehen können, wie die in der Relativitätstheorie. Vermutlich brauchen wir neue Datenanalysemethoden für das EHT, um diese auseinander zu halten.“, sagt Luciano Rezzolla, Professor der Goethe-Universität und Leiter des Frankfurter Teams. „Wir müssen offen dafür sein, dass zu Einstein das letzte Wort noch nicht gesprochen ist. Glücklicherweise werden zukünftige Beobachtungen und fortgeschrittene Technologien diese Zweifel ausräumen können“, ist seine Schlussfolgerung.
„Tatsächlich werden unabhängige Informationen, beispielsweise von Pulsaren, die das zentrale Schwarze Loch umlaufen und nach denen wir intensiv suchen, uns dabei helfen, diese Mehrdeutigkeit zu klären“, sagt Michael Kramer, Direktor am Max Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn. Heino Falcke, Professor an der niederländischen Radboud-Universität, ist optimistisch. „Es gibt keine Zweifel, dass das EHT letztlich starke Beweise für den Schatten des Schwarzen Lochs liefern wird. Diese Ergebnisse hier fordern uns heraus, die Techniken noch weiter zu entwickeln und schärfere Bilder zu erzeugen.“ Falcke hat vor fast 20 Jahren als erster vorgeschlagen, Radioteleskope zu benutzen, um die Schatten von Schwarzen Löchern abzubilden.
BlackHoleCam ist ein ERC-finanziertes Synergie-Projekt, um astrophysikalische Schwarze Löcher vermessen und verstehen zu können. Die Projektleiter Falcke, Kramer und Rezzolla testen die grundlegenden Vorhersagen von Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie. Die Teammitglieder des BlackHoleCam-Projekts sind aktive Partner der globalen Event Horizon Telescope Collaboration (EHTC). Die Goethe-Universität ist als Anteilshalter im Vorstand der EHTC vertreten.