Bad Kreuznach – Wie ist es in Bad Kreuznach mit der Barrierefreiheit bestellt? Oberbürgermeisterin Dr. Heike Kaster-Meurer betrachtete dieses Thema aus der Perspektive der Betroffenen.
Bei ihrer rund 90-minütigen Tour im Rollstuhl durch die Innenstadt stellte sie fest: Hier muss noch viel getan werden. Für ihr Engagement bedankte sich die Geschäftsführerin des Zentrums für Selbstbestimmtes Leben (ZSL), Cindy Davi, bei der Oberbürgermeisterin. Das ZSL hatte im Vorfeld ihres „Europäischen Protesttages für Menschen mit Beeinträchtigung“, am Samstag, 5. Mai, in Bad Kreuznach auf dem Europaplatz (am Bahnhof), die Oberbürgermeisterin um die öffentlichkeitswirksame Aktion gebeten. In diesem Jahr heißt das Motto von Aktion Mensch: „Inklusion von Anfang an!“
Begleitet wurde die OB von Hansjörg Rehbein, der das Projekt „Bad Kreuznach huerdenlos“ koordiniert. Nach der Sommerpause werden das ZSL und die Berufsbildenden Schulen Technik, Gewerbe, Hauswirtschaft und Soziales (TGHS) mit der Stadtverwaltung eine Homepage erstellen, die Informationen darüber liefert, wie hoch die Hürden noch sind, wo Barrierefreiheit schon gut umgesetzt und was ist geplant ist. Das betrifft alle Bereiche des öffentlichen Lebens in Bad Kreuznach. Im September wird es dazu ausführliche Informationen geben.
Für die Oberbürgermeisterin und ihren Begleiter Hansjörg Rehbein war die Tour in den Rollstühlen mit eigenem Muskelantrieb eine sportliche Herausforderung. Nach dem Start am Stadthaus wird auf dem Weg durch die Neustadt und weiter an der Baustelle Kornmarkt vorbei durch die Fußgängerzone deutlich, dass der Zugang zu vielen Geschäften nicht barrierefrei ist. Vorbildlich sind z.B. die Löwenapotheke (Neustadt), die an einem der beiden Eingänge die Stufen entfernt hat und das Lebensmittelgeschäft „Frisch und Lecker“ in der Kreuzstraße, an deren Eingang eine Rampe liegt. Im Cineplex ist es in vier rollstuhlgerechten Kinosälen möglich, den Wunschfilm zu sehen. Doch dem Kino gibt das ZSL insgesamt keine guten Noten.
„In einem neu gebauten Kinosaal müssen Rollstuhlfahrer, maximal sind nur zwei zugelassen, in die erste Reihe.“
Die große Schwingtür, die am Montagnachmittag offen stand, sei normalerweise verschlossen und könne von außen nicht geöffnet werden, so Cindy Davi weiter. Dadurch seien die Rollstuhlfahrer auf fremde Hilfe angewiesen.
Der Bodenbelag in der Kreuzstraße ist nahezu ideal für Rollstuhlfahrer. In vielen anderen Straßen- und Wegen ist es durch das unterschiedliche Gefälle schwer, die Spur zu halten. Die Kurhausstraße ist für Rollstuhlfahrer ein Wagnis. Sie müssen sich gegen die Konkurrenz aus Autos im Begegnungsverkehr, Radfahrern, Fußgängern, bei recht schmalen Fußgängerfurten entlang der Parkbuchten behaupten. Auch das Überqueren des gepflasterten Eiermarktes ist für den Rollstuhlfahrer mit Muskelantrieb eine schweißtreibende Angelegenheit.
Die Oberbürgermeisterin steuerte auf ihrer Tour unter anderem noch die SB-Halle der Sparkasse an und konnte dort problemlos Geld am Automaten ziehen. Auch der Einstieg in den Bus für die Rückfahrt vom Bahnhof ans Stadthaus verlief reibungslos.
„Das Verhalten des Busfahrers war sehr freundlich und rücksichtsvoll. Das gilt auch für Passanten, die mir begegnet sind.“
Dass der Busfahrer die Rampe auslegte, ist „nicht selbstverständlich“, sagt. Cindy Davi:
„Häufig müssen andere Fahrgäste die Rampe auslegen. Oder Rollstuhlfahrer werden erst gar nicht mitgenommen.“
Das Fazit der Oberbürgermeisterin ist auch eine Empfehlung:
„Es wäre gut, wenn die Kommunalpolitiker, die über Projekte der Barrierefreiheit entscheiden, mal eine kleine Testfahrt mit dem Rollstuhl unternehmen. Das schärft den Blick und sieht die Probleme und die Hürden aus einer ganz anderen Perspektive.“
Cindy Davi, die in ihrem Rollstuhl die Tour begleitete, sagt abschließend:
„Es wurden so viele schlechte Beispiele deutlich, sodass es mir wichtig war, auch die wenigen guten Beispiele aufzuzeigen.“