Wiesbaden – Wiesbaden ist eine sichere Stadt, auch im Bundesvergleich. Das belegen die Fallzahlen und die Aufklärungsquote der Wiesbadener Polizei aus der aktuellen Polizeilichen Kriminalstatistik.
Doch statistische Zahlen sind die eine, das Gefühl der Menschen, die in einer Stadt leben, die andere Seite der Medaille. Hinweise aus der Bevölkerung und Befragungen deuten darauf hin, dass sich das Sicherheitsgefühl der Wiesbadener Bürgerinnen und Bürger verändert hat. Die Diskussion über Straftaten im öffentlichen Raum, die Verfügbarkeit von Messern und auffällige Personengruppen in der Innenstadt bleiben in der öffentlichen Wahrnehmung nicht ohne Wirkung.
Dieser Entwicklung möchten die für die Sicherheit in der Landeshauptstadt zuständigen Behörden frühzeitig und entschieden entgegentreten. Die Erfahrungen der Vergangenheit haben gezeigt, dass die Herausforderungen der Kriminalitäts-bekämpfung und der Gefahrenabwehr nur durch ein enges Miteinander aller be-teiligten Institutionen zu bewältigen sind. Aus diesem Grund haben sich Bürgermeister Dr. Oliver Franz und Polizeipräsident Stefan Müller auf die Erstellung eines Gesamtkonzeptes „Gemeinsam Sicheres Wiesbaden“ verständigt, welches im Wesentlichen folgende Punkte umfasst:
Videoüberwachung in Wiesbaden
Ein wichtiger Bestandteil der Sicherheitsarchitektur stellt die Neuinstallation von zwei Videoüberwachungsanlagen in unterschiedlichen Beobachtungs-bereichen dar. Zum einen wird das Areal rund um den Hauptbahnhof, einschließlich des Zugangs zum Kulturpark, mit einer neuen Videoüber-wachungsanlage versehen. Die aktuelle Anlage entspricht nicht mehr den technischen Anforderungen. Zum anderen werden die ÖPNV-Knotenpunkte in der Bleichstraße und Schwalbacher Straße zukünftig videoüberwacht. Bei beiden Beobachtungsbereichen handelt es sich um Kriminalitätsschwerpunkte. Die Videoüberwachungsanlagen werden durch die Landeshauptstadt Wiesbaden beschafft und betrieben. Für die Nutzung durch die Landespolizei besteht ein Kooperationsvertrag. Beide Beobachtungsbereiche werden 24/7 aufgezeichnet und anlassbezogen im Live-Betrieb überwacht.
Sperrkonzept gegen Amokfahrten
Die Fußgängerzone der Landeshauptstadt Wiesbaden wird derzeit häufig illegal befahren. Um dies zu verhindern und die Besucher der Fußgängerzone besser gegen Amokfahrten zu schützen, haben die Gefahrenabwehr- und Polizeibehörden unter der Federführung des Ordnungsamtes ein Sperrkonzept erstellt. Dieses Konzept sieht verschiedene Arten und Dimensionen von versenkbaren und/oder stationären Einfahrtsperren vor. Zusätzlich zur Innenstadt wurden noch weitere schützenswerte Bereiche durch die Gefahrenabwehr- und Polizeibehörden definiert. Dazu gehören die Wilhelm-straße, das Rhein-Main-Congress-Center, der Kulturpark und der Helmut- Schön-Sportpark. Derzeit befindet sich das Projekt in der Bearbeitung beim Verkehrsdezernat. Bis zur endgültigen Realisierung werden an vier Einfahrtsbereichen der Fußgängerzone zeitnah die schon im Stadtgebiet bekannten Betonsperren dauerhaft aufgestellt. Damit soll sichergestellt werden, dass es Fahrzeugen nicht möglich ist, enorme Geschwindigkeiten aufzunehmen und in Menschenansammlungen zu fahren.
Steigerung der Veranstaltungssicherheit
Der Fußgängerzonenbereich beherbergt nicht nur Einkaufsmöglichkeiten, dort finden auch viele Veranstaltungen statt. Um deren Sicherheit zu gewährleisten, findet zwischen den Gefahrenabwehr- und Polizeibehörden über das gesamte Jahr hinweg ein ständiger Austausch statt. Dies gilt auch für alle Veranstaltungen ohne Veranstalter, wie zum Beispiel in der Silvesternacht. Insgesamt stehen beim Ordnungsamt aktuell 44 Betonblöcke bereit, welche Veranstaltern zur Verfügung gestellt werden. Zusätzlich wurde der Kräfteeinsatz von Stadt- und Landespolizei bei Veranstaltungen deutlich erhöht. Allerdings ist die Bedrohungslage dynamisch, neue Entwicklungen können jederzeit zu veränderten Sicherheitsanforderungen führen. Auch zukünftig werden alle vorhandenen rechtlichen, personellen und technischen Maßnahmen eingesetzt bzw. getestet, um die Sicherheit bei Veranstaltungen zu optimieren. Derzeit befindet sich z.B. ein mobiler Videoanhänger in der Erprobung.
Einrichtung einer Waffenverbotszone und Überprüfung der Alkoholverbots-zone
Im Jahr 2017 wurden bei Straftaten im öffentlichen Raum in den Revier-bereichen 1 und 3 in 189 Fällen (2016: 161) Waffen eingesetzt, davon handelte es sich 92-mal (2016: 81) um Stich- und Schnittwaffen. Zusätzlich erfolgte in 66 Fällen in 2017 (2016: 38) in den genannten Revierbereichen die Sicherstellung von Waffen nach dem Hessischen Sicherheits- und Ordnungsgesetz, davon in 32 Fällen (2016: 18) Stich- bzw. Schnittwaffen. In der Summe wurden somit in 2017 bei 255 Anlässen (2016: 199) Waffen oder gefährliche Gegenstände in der Innenstadt von Straftätern eingesetzt oder durch die Polizei präventiv sichergestellt. Das entspricht einer Steigung um 28 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Dabei ist das Dunkelfeld noch nicht eingerechnet. Die Kernzeit, in denen die Polizei vermehrt Waffen sicherstellte, lag im Zeitraum zwischen 21.00 und 05.00 Uhr. Daher wäre die Einrichtung einer Waffenverbotszone eine sinnvolle Ergänzung der bisherigen rechtlichen Möglichkeiten. Darüber hinaus würde die unausweichliche öffentliche Diskussion über das Thema zu Verhaltens- und Bewusstseinsänderungen führen. Eine rechtliche Voraussetzung ist jedoch, dass das Land die erforderliche Regierungsverordnung gemäß § 42 Abs. 5 WaffG erlässt. Die Landeshauptstadt Wiesbaden könnte dann die “Gefahrenabwehrverordnung über die Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in der Landeshauptstadt Wiesbaden” zur Regelung einer Waffenverbotszone entsprechend anpassen. Dies würde zu einer veränderten Prioritätensetzung bei der Stadtpolizei führen. So müsste beispielsweise vor der Verlängerung der Alkoholverbotszone über den 31.08.2018 hinaus eine kritische Überprüfung stehen. Diese wurde im September 2008 am Platz der Deutschen Einheit eingeführt. Die räumlichen Gegebenheiten haben sich seitdem durch den Bau der Sporthalle und die Neugestaltung des Platzes massiv verändert. Nur mit ordnungsrechtlichem Vorgehen kann dem Problem des Alkoholkonsums in der Öffentlichkeit nicht begegnet werden. Hier ist vielmehr Straßensozialarbeit gefordert.
Verstärkung der Präsenz – und Präventivstreifen in der Innenstadt
Polizeiliche Präsenz auf Straßen, Wegen und Plätzen erhöht das Sicher-heitsgefühl der Menschen; eine direkte Ansprechbarkeit von Polizeikräften wirkt sich positiv auf das Verhältnis zwischen Bürgern und Polizei aus. Daher wird zukünftig auf der Basis einer gemeinsamen Sicherheitsanalyse von Stadt- und Landespolizei eine gemeinsame Einsatzplanung erfolgen. Zu Kernzeiten sollen, an zuvor definierten Örtlichkeiten, flexible und gezielte polizeiliche Maßnahmen, mit Unterstützung der Hessischen Bereitschaftspolizei, stattfinden. Dazu wird das personalstärkste Innenstadtrevier durch zusätzlich fünf Beamtinnen und Beamte zum 01.08.2018 verstärkt. Die Wahrnehmbarkeit von Polizeikräften wird darüber hinaus noch einmal, durch den neuen Standort der Stadtpolizei in der Innenstadt und zusätzliches Personal (plus 51 auf dann 80 Außendienstkräfte) bis Ende des Jahres, deutlich steigen.
Gezieltes Vorgehen gegen Intensivtäter
Die bestehenden und bewährten Programme zum gezielten Vorgehen gegen Mehrfach- und Intensivtäter werden, auf der Grundlage von Ermittlungen und Auswertungen, durch weiterführende operative Maßnahmen ergänzt. Dazu sind bei der Polizeidirektion Wiesbaden zehn Polizeibeamtinnen und Beamte für den Dienst in ziviler Kleidung freigestellt. Als verlängerter “operativer Arm” des Haus des Jugendrechts widmen sie sich zukünftig gezielt der Intensivtäterbekämpfung in der Wiesbadener Innenstadt, ohne dass sie durch andere Aufträge gebunden sind.
Verstärkte Überprüfung des Personals im Taxigewerbe
Gegenwärtig gibt es in Wiesbaden rund 330 Taxikonzessionen. Insgesamt haben 1041 Taxifahrerinnen und Taxifahrer eine Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung. Nicht alle Fahrerlaubnisinhaberinnen und -inhaber halten sich stets an die geltenden Regelungen und sorgen damit für Unsicherheit in der Bevölkerung. Im Rahmen von “Gemeinsam Sicheres Wiesbaden” werden das Ordnungsamt und die Landespolizei ab sofort regelmäßig Kontrollen von Inhabern/innen von Fahrerlaubnissen zur Fahrgastbeförderung durchführen, um den “Schutzraum Taxi” für die Bürgerinnen und Bürger auch in Zukunft zu gewährleisten. Die Wirtschaftlichkeit der Unternehmen wird bereits seit einigen Jahren überprüft. Außerdem werden Taxikonzessionen und Personenbeförderungsscheine zeitlich begrenzt vergeben. So kann sichergestellt werden, dass wirtschaftlich und personell unzuverlässige Betriebe und Personen schnell aus dem Verkehr gezogen werden.
Dialogforum zur Steigerung der Aufenthaltsqualität in der Innenstadt
Unter dem Titel “Gemeinsam Sicheres Wiesbaden” soll es auch Maßnahmen geben, die zur Steigerung der Aufenthaltsqualität in der Innenstadt beitragen. Dafür wird ein Dialogforum eingerichtet. Diesem Gremium sollten Vertreter der Landespolizei, des Ordnungsamtes, anderer Gefahrenabwehrbehörden und städtischer Ämter sowie Vertreterinnen und Vertreter von Industrie, Handel, Handwerk und Gastronomie angehören (HWK, IHK, DEHOGA, EHV und andere). Ziel der Maßnahmen ist, einen Beitrag zur Steigerung der Aufenthaltsqualität im Innenstadtbereich zu leisten. Beispielhaft wären hierfür die Verbesserung der Beleuchtung oder die Belebung von Plätzen zu nennen; auch unter Berücksichtigung von Aspekten der städtebaulichen Kriminalprävention.
Durchführung einer Präventionskampagne zur Verbesserung des Sicherheitsgefühls
Aktuell werden von der Stadt Wiesbaden und dem Polizeipräsidium West-hessen unterschiedliche Präventionsmaßnahmen zu verschiedenen Themen-gebieten durchgeführt und unterstützt. Diese Maßnahmen sollen zukünftig durch zielgruppenorientierte Veranstaltungen, unter Einbindung der Gesellschaft Bürger und Polizei e.V und dem Präventionsrat der Stadt Wiesbaden, sinnvoll ergänzt werden. Ähnlich wie bei der kürzlich in Wiesbaden durchgeführten Präventionskampagne für ältere Menschen (Projekt “Sicher im Alter”), werden in einem ersten Schritt Projekte für junge Menschen, auf der Grundlage einer Jugendstudie der Stadt Wiesbaden, vorbereitet.
Präventionskonzept Kompass
Die Stadt Wiesbaden wird sich für das Projekt KOMPASS bewerben. KOMPASS ist ein Angebot des Hessischen Innenministeriums an die Städte und Gemeinden. Ziel des Programms ist es, die Sicherheitsarchitektur in den Kommunen individuell weiterzuentwickeln und passgenauere Lösungen für die Probleme vor Ort zu entwickeln. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Prävention. Gestartet ist KOMPASS im Dezember 2017 mit den vier Modellkommunen Bad Homburg, Hanau, Maintal und Schwalbach am Taunus. Eine zentrale Rolle haben der KOMPASS-Berater der Polizei und der KOMPASS-Ansprechpartner der Kommune inne. Sie stehen im ständigen Dialog mit allen Sicherheitspartnern und dokumentieren den Fortschritt der gemeinsamen Initiativen für mehr Sicherheit.
Ziel der vereinbarten Maßnahmen ist es vor allem, durch die Reduzierung des Gefahrenpotenzials im öffentlichen Raum, die Sicherheit der Menschen in der Stadt zu erhöhen. Durch die erweiterten Eingriffsbefugnisse für die Gefahrenabwehr- und Polizeibehörden ergeben sich neue Handlungsmöglichkeiten gegenüber Störern und verdächtigen Personen, von denen mögliche Gefahren ausgehen könnten. Das Gesamtpaket wird durch zielgruppenorientierte Präventionsarbeit sinnvoll abgerundet. Insgesamt soll sich für die Bürgerinnen und Bürger die Aufenthaltsqualität in Wiesbaden nachhaltig und spürbar erhöhen.