Koblenz – Die Gemeinde Hauenstein ist für den Turm der St. Bartholomäuskirche in Hauenstein nicht baulastverpflichtet. Dies entschied das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in Koblenz.
Die Katholische Kirchenstiftung Hauenstein ist Eigentümerin der in den 1780er Jahren erbauten St. Bartholomäuskirche einschließlich des Kirchturms in Hauenstein. Der ursprüngliche Kirchturm der St. Bartholomäuskirche wurde im Jahre 1822 wegen fehlender Standsicherheit abgebrochen. In den Jahren 1826/ 1827 erfolgte aufgrund eines Beschlusses des Gemeinderats vom 24. Juni 1823 der Neubau des Turms auf Kosten der beklagten Gemeinde Hauenstein. Nachdem im August 1871 ein Blitz in den Kirchturm eingeschlagen war, zahlte die Brandversicherung der Gemeinde den Schaden. Eine zu Beginn des zweiten Weltkrieges im Jahre 1939 erforderliche Reparatur des Turmes wurde aufgrund der Kriegsereignisse nicht durchgeführt. Die Gemeinde hatte für diese Arbeiten schon einen Kostenvoranschlag eingeholt. Im Jahre 1950 wurde die Erneuerung des Kirchturms auf Kosten der Gemeinde vorgenommen. 1974 beschloss der Gemeinderat der Beklagten, die Kuppel und den Wetterhahn des Turmes zu erneuern. Die Kosten für die Reparaturarbeiten trug die Gemeinde.
Nachdem im Februar 2014 ein Ingenieurbüro mit der Kontrolle des Schadensbildes an dem Kirchturm der St. Bartholomäuskirche beauftragt worden war, forderte die Katholische Kirchenstiftung Hauenstein die Gemeinde zur Übernahme der voraussichtlich anfallenden Kosten für die Kirchturmsanierung auf. Die Gemeinde erklärte sich zunächst im Juni 2014 bereit, unter der Voraussetzung, dass sie von künftigen Verpflichtungen entbunden werde, sich mit 50 % an den Kosten, maximal 100.000,00 €, zu beteiligen. Im Mai 2015 teilte sie dann mit, auf Grund der Verschlechterung ihrer finanziellen Situation könne das Angebot, sich mit maximal 100.000,00 € an den Kosten für die anstehende Renovierungsmaßnahme zu beteiligen, nicht aufrechterhalten werden. Daraufhin erhob die Katholische Kirchenstiftung Klage. Sie ist der Auffassung, die beklagte Gemeinde sei für die Unterhaltung des Turms der St. Bartholomäuskirche baulastverpflichtet. Die Gemeinde habe den Turm auf Grundlage des Beschlusses vom 24. Juni 1823 auf ihre Kosten neu errichten lassen und sich in den nachfolgenden Zeiten wiederholt sowohl förmlich zur Unterhaltungspflicht bekannt als auch tatsächlich den Turm im Wege von Reparaturen, Sanierungen und Übernahme der Brandversicherung unterhalten. Da bereits 1823 bei der Gemeinde die Überzeugung bestanden habe, dass ihr die Baulast obliege und sie daher den Bau des Turms vorbehaltlos realisiert habe, beruhe die Baulastverpflichtung auf Gewohnheitsrecht.
Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit der Begründung ab, eine Baulastverpflichtung der Gemeinde für den Turm der St. Bartholomäuskirche auf Grund eines vertragsersetzenden Gewohnheitsrechts sei nicht nachgewiesen. Es fehle an der für die Entstehung eines solchen Gewohnheitsrechts erforderlichen ständigen oder langjährigen Übung. Der Bau des Kirchturms 1826/27 und die von der gemeindlichen Brandversicherung getragene Turmreparatur nach einem Blitzeinschlag im Jahr 1871 reichten hierfür nicht aus. Auch seien die Beteiligten – Klägerin und Beklagte – bis in die 1990er Jahre irrtümlich der Überzeugung gewesen, Eigentümerin des Kirchturms sei die Gemeinde. Auch dieser Irrtum habe die Entstehung eines Gewohnheitsrechts des Inhalts, dass die beklagte Gemeinde für den Kirchturm baulastpflichtig sei, verhindert (vgl. Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße Nr. 30/2017). Das Oberverwaltungsgericht bestätigte diese Entscheidung und lehnte den Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung ab.
Für das Entstehen einer langjährigen Übung zur Begründung des von der Klägerin geltend gemachten Gewohnheitsrechts könnten nur die beiden im 19. Jahrhundert auf Kosten der Beklagten durchgeführten Baumaßnahmen herangezogen werden, die hierfür aber nicht ausreichend seien. Nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes stünden nur bestehende Kirchenbaulasten unter dem verfassungsrechtlichen Schutz der Kirchengutsgarantie (Art. 140 Grundgesetz i.V.m. Art. 138 Abs. 2 der Weimarer Reichsverfassung); neu begründet werden könnten sie daher nicht mehr, sondern lediglich fortgeführt werden. Entsprechend könnten die Baumaßnahmen aus den Jahren 1950 und 1974 weder alleine noch zusammen mit den Baumaßnahmen des 19. Jahrhunderts eine Baulast der Gemeinde begründen. Mangels Vorhandenseins einer eine vertragsmäßige Abmachung ersetzenden regelmäßigen Übung könne offenbleiben, ob die Entstehung vertragsersetzenden Gewohnheitsrechts auch durch einen Irrtum der Beteiligten über die Eigentumsverhältnisse am Kirchturm gehindert worden sei, wie vom Verwaltungsgericht angenommen.