Frankfurt am Main – Planungsdezernent Mike Josef spricht im Interview mit Mirco Overländer über die Gründe der aktuellen Wohnungsknappheit und seine Strategie, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.
Herr Josef, hat Frankfurt das städtebauliche Potenzial zur Millionenmetropole?
PLANUNGSDEZERNENT MIKE JOSEF: Ob wir das Potenzial zur Millionenmetropole haben, wird sich in den nächsten Jahren zeigen. Ich glaube, das hat die Stadt nur bedingt in der eigenen Hand: Man muss sich verdeutlichen, dass Frankfurt in den vergangenen zehn Jahren um rund 100.000 Einwohner gewachsen ist, ohne dass der Bedarf auf dem Wohnungsmarkt gedeckt wurde. Die Menschen zieht es weiterhin in die Städte. Aber klar ist, dass Frankfurts Flächenpotentiale begrenzt sind. Genau deswegen müssen wir die wenigen Flächen, die uns zur Verfügung stehen, sinnvoll und effizient nutzen und darüber hinaus Regional denken.
Frankfurt wächst in rasantem Tempo. Wo verlaufen für Sie die roten Linien in Sachen Stadtwachstum und Erschließung?
JOSEF: Ganz klar ist, dass wir unseren Grüngürtel nicht antasten. Wir werden ihn im Gegenteil schützen und weiter ausbauen, weil die Grünverbindungen der Innenstadt mit den äußeren Stadtteilen und dem Umland sehr wichtig für unser Stadtklima, die hier lebenden Menschen und die Lebensqualität sind. Wir stehen daher vor mehreren Herausforderungen, die schwierig zu meistern sind. Aber auch die vom Flughafen ausgehenden Siedlungsbeschränkungen im Frankfurter Süden schränkt uns beispielsweise ein.
Was spricht gegen verstärktes Wachstum in die Höhe?
JOSEF: Die Wohnungsfrage und die Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum werden nicht mit dem Bau weiterer Hochhäuser beantwortet. Der Bau, die Erschließung und beispielsweise der Nachweis von Fluchtwegen sind im Segment Wohnhochhaus unheimlich teuer. Wohnhochhäuser entstehen derzeit zudem in der Regel im Innenstadtbereich, wo extrem hohe Grundstückskosten hinzukommen. Deswegen werden wir im Wohnhochhaus keinen oder nur sehr begrenzt bezahlbaren Wohnraum realisieren können. Wir haben auf dem früheren Deutsche-Bank-Areal immerhin 30 Prozent geförderten Wohnraum vorgegeben, der auch realisiert wird. Gleichwohl: Wenn wir über bezahlbaren Wohnraum reden, geht es nicht nur um geförderten Wohnungsbau, sondern auch um den frei finanzierten Bereich. Den bekommen wir auf diesem Weg nicht bezahlbar realisiert. Deswegen gilt für mich: Die Skyline, unsere Hochhäuser, gehört zur Identität Frankfurts und wir werden einen neuen Hochhausrahmenplan auflegen.
Wie lässt sich trotz des immensen Zuzugs gewährleisten, dass es auch in Zukunft ausreichend bezahlbaren Wohnraum gibt?
JOSEF: Mit der Ausweisung und Entwicklung von Bauland. Für die Verknappung von Wohnraum gibt es mehrere ausschlaggebende Faktoren: Mit diesen immensen Zuzugs-Raten hat vor zehn Jahren noch niemand gerechnet. Deshalb hat die Stadt in der Vergangenheit weniger Bauland ausgewiesen. Die derzeitige Niedrigzins-Situation, die wir nicht in der Hand haben, und das insgesamt immer knapper werdende Flächenangebot, tun ihr Übriges. Daher brauchen wir Bauland und müssen dieses ausweisen. Dabei ist aber nicht egal, welche Wohnungen wir bauen. Wenn wir bauen, müssen wir darauf achten, dass alle Bereiche des Wohnungsmarktes – auch das untere und mittlere Preissegment – berücksichtigt werden. Deshalb brauchen wir einen stärkeren Zugang zum Boden und müssen über die Frage sprechen, wer eigentlich vom Planungswert-Gewinn profitiert. Ich bin der Meinung, dass die Allgemeinheit stärker von diesen Gewinnen profitieren muss als es derzeit der Fall ist – sowohl bei der Bezahlbarkeit von Wohnraum, als auch bei der Entwicklung von Infrastruktur.
Wie wollen Sie vermeiden, dass Investoren die Grundstückspreise im geplanten Neubaugebiet im Nordwesten der Stadt in die Höhe treiben?
JOSEF: Wir setzen bei dem geplanten Quartieren im Nordwesten auf eine städtebauliche Entwicklungsmaßnahme, um Zugang zu Grund und Boden herzustellen und die Vergabe nicht meistbietend, sondern im Rahmen von beispielsweise Konzeptvergaben zu ermöglichen. Vor allen Dingen gehören der Stadt und stadtnahen Stiftung an dieser Stelle bereits 40 Prozent der Flächen. Auch deswegen weisen wir auch genau dort einen neuen Stadtteil aus, weil hier der Zugang zu bezahlbarem und frei finanziertem Grund und Boden wesentlich besser gewährleistet werden kann als andernorts.
Reicht die Ausweisung eines größeren Neubaugebietes aus, um mittelfristig den Druck auf den Frankfurter Wohnungsmarkt zu lindern?
JOSEF: Nein. Unabhängig von den aktuellen Prognosen stellen wir fest, dass wir durch den rapiden Zuzug der letzten Jahre nicht annähernd mit dem Bau neuer Wohnungen hinterhergekommen sind. Wir haben einen großen Nachholbedarf, um überhaupt die Nachfrage, die aus der Stadt heraus besteht, zu decken. Derzeit haben wir eine Wohnraum-Versorgungsquote von 91 Prozent. Daher ist der neue Stadtteil ein langfristiges Projekt, um diese Quote zu erhöhen. Unabhängig davon gibt es zahlreiche Konversionsprojekte wie in der Niederräder Bürostadt, am Römerhof und am Rebstock, wo Tausende neue Wohnungen statt Bürogebäuden entstehen. Wir gehen zudem in die Nachverdichtung. In der ABG-Liegenschaft in der Platensiedlung lässt sich so recht kurzfristig Wohnraum schaffen. Das Mercedes-Benz-Areal im Ostend wird ebenfalls umgewidmet. Wir sind auch im Nordend bei den Günthersburghöfen dabei, den Rahmenplan umzusetzen. Kurzum: Wir tun unheimlich viel. Aber am Ende muss alles in kurzfristigen, mittelfristigen und langfristigen Lösungen aufgeteilt werden. Wichtig ist dabei stets, dass die Neubauten auch der Umwelt und dem Umfeld zugutekommen.