Mainz – Im Oktober und November 2017 sind bei der Staatsanwaltschaft Mainz mehrere im Wesentlichen gleichsinnige Strafanzeigen von Privatpersonen eingegangen, die sich gegen Ministerpräsident a.D. Kurt Beck, Ministerpräsidentin Malu Dreyer, Staatsministerin Doris Ahnen, Staatsminister a.D. Dr. Carsten Kühl sowie Oberbürgermeister und Staatssekretär a.D. Prof. Dr. Joachim Hofmann-Göttig richteten. Diesen Anzeigen lag – gestützt auf Medienberichterstattung -zusammengefasst folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Angezeigte Prof. Dr. Hofmann-Göttig wurde am 27. April 2010 als Staatssekretär für Kultur im damaligen Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Jugend und Kultur des Landes Rheinland-Pfalz durch den damaligen Ministerpräsidenten, den Angezeigten Beck, in den einstweiligen Ruhestand versetzt; am 01. Mai 2010 trat Prof. Dr. Hofmann-Göttig das Amt des Oberbürgermeisters der Stadt Koblenz an. Mit der Versetzung in den einstweiligen Ruhestand erwarb er einen Anspruch auf die Zahlung von Übergangsgeld nach § 61 des Landesbeamtenversorgungsgesetzes sowie von Ruhegehalt.
Nach dem Anzeigevorbringen soll die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand aus sachfremden Erwägungen nur deshalb erfolgt sein, um dem Angezeigten Prof. Dr. Hofmann-Göttig Ansprüche zur Verbesserung seiner Einkommensverhältnisse zu verschaffen, was den Straftatbestand der Untreue erfülle. Der Angezeigte Prof. Dr. Hofmann-Göttig habe durch die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand Bezüge und Zahlungsansprüche auf Bezüge in Höhe von rund 300.000 € erlangt, die nicht entstanden wären, wenn er – ohne die Ruhestandsversetzung – mit Antritt des Amtes als Oberbürgermeister kraft Gesetzes als unmittelbarer Landesbeamter entlassen gewesen wäre.
In die Prüfung der Strafanzeigen hat die Staatsanwaltschaft neben öffentlich zugänglichen Informationen auch den Jahresbericht 2013 – Vertraulicher Teil des Rechnungshofes Rheinland-Pfalz und das ebenfalls vertrauliche Protokoll der 10. Sitzung der Rechnungsprüfungskommission vom 05. Juli 2013 des Landtages Rheinland-Pfalz einbezogen.
Nach § 152 Abs. 2 der Strafprozessordnung war von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen, weil kein Anfangsverdacht für ein strafbares Verhalten gegeben ist. Insbesondere ist der Straftatbestand der allein in Betracht kommenden Untreue (§ 266 Strafgesetzbuch) nicht erfüllt.
Wegen Untreue macht sich strafbar, wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, missbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zugefügt.
Zureichende Anhaltspunkte hierfür sind nicht vorhanden.
Die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand wurde von dem seinerzeit amtierenden Ministerpräsidenten mit Zustimmung der damaligen Landesregierung, der außer dem Angezeigten Prof. Dr. Hofmann-Göttig die weiteren Angezeigten angehörten, ausgesprochen.
Der Angezeigte Prof. Dr. Hofmann-Göttig hat an der Entscheidung nicht mitgewirkt, so dass gegen ihn bereits aus diesem Grund kein Anfangsverdacht besteht, weil die Verletzung einer Vermögensbetreuungspflicht durch ihn insoweit nicht in Betracht kommt.
Aber auch die weiteren angezeigten Personen haben sich aus Rechtsgründen nicht wegen Untreue strafbar gemacht.
Die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand wäre nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung nur dann als pflichtwidrige Verletzung einer Vermögensbetreuungspflicht anzusehen, wenn diese Versetzung im Rahmen eines weiten Ermessensspielraums willkürlich aus sachfremden Erwägungen erfolgt wäre.
Dies kann indes dahin stehen. Jedenfalls ist nicht feststellbar, dass dem Land Rheinland-Pfalz, dessen Vermögensinteressen der angezeigte ehemalige Ministerpräsident und die ebenfalls angezeigten Regierungsmitglieder zu wahren hatten, durch die Versetzung des Angezeigten Prof. Dr. Hofmann Göttig in den einstweiligen Ruhestand ein Vermögensnachteil zugefügt worden wäre.
Ohne die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand dürfte gemäß § 183 Abs. 3 Landesbeamtengesetz in der seinerzeit geltenden Fassung ein Anspruch der Stadt Koblenz auf Erstattung von Versorgungsanteilen gegen das Land Rheinland-Pfalz nach § 107b des Beamtenversorgungsgesetzes – BeamtVG bei Ausscheiden aus dem Landesdienst begründet worden sein.
Diese Vorschrift wurde ab dem 01. Januar 2011 durch die Regelungen des Versorgungslastenteilungs-Staatsvertrags (VLT-StV) ersetzt. Wenn ein Erstattungsanspruch vor Inkrafttreten des VLT-StV begründet wurde und der Versorgungsfall nach Inkrafttreten des VL T-StV eintritt, gelten die Übergangsregelungen der §§ 9 ff. dieses Staatsvertrags.
Danach hätte die Stadt Koblenz gegen das Land einen Anspruch auf Zahlung einer Abfindung (§ 11 Staatsvertrag) gehabt, deren Höhe von hochgerechnet wohl etwa 700.000 € die durch die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand entstandenen Ansprüche des Angezeigten Hofmann-Göttig deutlich überstiegen hätte. Durch die aufgrund der Ruhestandsversetzung unterbliebene Versorgungslastenteilung sind dem Land mithin Aufwendungen erspart worden, welche die gleichzeitig begründeten Zahlungsverpflichtungen übersteigen.
Von der Einleitung eines Verfahrens war daher abzusehen.