Mainz – „Die sicherheitspolitischen Herausforderungen im Innern sind nicht weniger geworden; die Sicherheitslage bleibt angespannt“, so skizzierte Innenminister Roger Lewentz die aktuelle Sicherheitslage bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts 2017 in Mainz. Terrorismus, Extremismus und Spionage bleiben daher im Fokus des Verfassungsschutzes.
Ein Hauptaugenmerk richte sich dabei weiterhin auf den islamistischen Terrorismus, erläuterte der Innenminister. „Auch wenn Deutschland 2017 weitestgehend und Rheinland-Pfalz gänzlich vom Terror verschont geblieben sind, gibt dies keinen Anlass zur Entwarnung“, stellt Lewentz fest. Von sich hier radikalisierenden Islamisten und Rückkehrern aus Kampfgebieten des IS gingen weiter erhebliche Gefahren aus. Die Bedrohung insbesondere durch einschlägig radikalisierte Einzeltäter, die sich leicht zu beschaffender Tatmittel bedienen, bleibe greifbar. „Signifikant ist ein Personenprofil mit allgemeinkriminellem Vorlauf und psychischen Auffälligkeiten“, erläuterte Lewentz. Früherkennung sei daher ein entscheidender Faktor bei der Bekämpfung dieses Phänomens.
Ein ideologischer Nährboden für das Abgleiten in den Terrorismus stelle im Islamismus der Salafismus dar; der Radikalisierungsgrad sei bei Salafisten höher als bei Angehörigen gewaltfreier Organisationen. „Mit Sorge betrachten wir, dass die Zahl der Salafisten weiter angestiegen ist. Dies ist auch eine große Herausforderung für die Prävention“, so Lewentz. Die Landesregierung lasse sich dadurch nicht entmutigen: Prävention bleibe neben konsequentem Einschreiten ein Schlüsselelement bei der Bekämpfung jeder Form des Extremismus.
Dies gelte auch für den Rechtsextremismus, der weiterhin ein Beobachtungsschwer-punkt des Verfassungsschutzes sei, unterstrich der Minister. Dabei müsse man sich immer wieder neuen Entwicklungen stellen, da die Szene im Wandel sei. Die NPD als bundesweit größte rechtsextremistische Organisation mit Strukturen in allen Ländern habe sich ideologisch weiter radikalisiert. „Die zweifelsfrei rassistische und antisemitische, nach eigenem Bekunden ‚völkische‘ Seite der verfassungsfeindlichen Partei tritt immer deutlicher zu Tage“, betonte Lewentz. Die Landesregierung sehe sich darin bestärkt, dass Verbotsverfahren mitgetragen zu haben, auch wenn es nicht in Gänze zum gewünschten Ergebnis geführt habe. Sie werde – mit Blick auf das eingeleitete Verfahren zum Entzug der staatlichen Parteienfinanzierung – im engen Schulterschluss im Bundesrat nun alles daran setzen, dass der Partei der Geldhahn zugedreht werde.
Verstärkte Aufmerksamkeit erfordere aus Sicht des Verfassungsschutzes die in Teilen extremistische, ein Stück weit revitalisierte „Neue Rechte“, sagte der Minister. Sie habe mit der „Identitären Bewegung“, die insbesondere die Zielgruppe junge gebildete Menschen in stabilem sozialen Umfeld im Blick habe, ein zeitgemäßes, dynamisches Aushängeschild. Diese Kreise verstünden es, einschlägige rechtsextremistische Positionen zu verschleiern. Signifikant seien Versuche, durch Beteiligung an bürgerlichen Protesten Einfluss zu nehmen und das Meinungsbild des Mainstreams im eigenen Sinne zu verändern. „Wir müssen besonders wachsam sein“, warnte Lewentz, „Rechtsextremismus zeige sich hier nur scheinbar in unverfänglichem Gewand – die braune Gesinnung ist aber unverkennbar.“
Im besonderen Blickfeld des Verfassungsschutzes ist 2017 auch das „Reichsbürger“-Spektrum gewesen. „Die Entwicklung zeigt: Das Treiben dieser Kreise kann nicht als harmlos abgetan werden. Insbesondere die öffentliche Verwaltung – nicht zuletzt Finanzbehörden – und Gerichte stehen im Zentrum zunehmender verbaler Angriffe, eines allgemein aggressiveren Auftretens von ‚Reichsbürgern‘ und in einzelnen Fällen auch körperlicher Angriffe. Die Landesregierung schaut dem nicht tatenlos zu“, betonte Lewentz. „Wir gehen mit aller Entschiedenheit gegen diese Staatsverweigerer und ihre Mitläufer vor“. So wurden als Sofortmaßnahmen Schutzkonzepte für die Bediensteten der Verwaltung entwickelt, Verfahren zum Entzug waffenrechtlicher Erlaubnisse eingeleitet und die Präventionsarbeit verstärkt. „Die Maßnahmen greifen. Reichsbürger und ihre Anhänger müssen wissen: Rechtsverstöße werden konsequent geahndet“, bilanzierte Lewentz.
Auch der Linksextremismus ist von anhaltender Bedeutung. Gewaltorientierte Linksextremisten hätten durch ihre exzessive Militanz rund um den G20 Gipfel in Hamburg im vergangenen Jahr erneut ihren Willen zur Ausübung schwerster Gewalttaten dokumentiert. Insbesondere die Angriffe auf Leib und Leben von Polizeibeamtinnen und -beamten zeigten ein Höchstmaß an Brutalität und Skrupellosigkeit, betonte der Minister. „Als Dienstherr verurteile ich diese schändlichen und feigen Attacken von Links auf das Schärfste“, so Lewentz unmissverständlich. „Mit Blick auf jüngste Ereignisse wie die Attacke von selbsternannten Autonomen auf die Familie und das Privatanwesens eines Polizeibeamten in Niedersachsen warne ich ausdrücklich: Solchem Tun wird mit aller Härte des Gesetzes begegnet“, stellte er klar.
Von zunehmender Relevanz sei nicht zuletzt angesichts der Lageentwicklung im Nahen Osten der nichtislamistische Extremismus mit Auslandsbezug. Insbesondere die in Deutschland mit einem Betätigungsverbot belegte „Arbeiterpartei Kurdistans“ (PKK) und ihr nahestehende Kräfte hätten ihren Aktionismus in Europa und damit auch in Deutschland unter dem Eindruck des türkischen Eingreifens in Syrien zeitweise mit großer Dynamik verstärkt. Wenngleich dabei der Protest weitgehend gewaltfrei geblieben sei, bleibe die Gefahr latent, dass die Situation jederzeit eskalieren und in Gewalt umschlagen könne.
Auch die Spionageabwehr des Verfassungsschutzes ist aus Sicht des Ministers anhaltend gefordert. Neben der klassischen Spionage durch Agententätigkeit rückten dabei die Aktivitäten fremder Nachrichtendienste im Cyberraum immer mehr in den Brennpunkt. Insbesondere russische Nachrichtendienste betrieben Cyberspionage, -sabotage und die Beeinflussungsversuche politischer und gesellschaftlicher Prozesse via Internet mit hoher Intensität und Professionalität. „Das Ausmaß dieser virtuellen Bedrohung ist weder in Gänze erforscht, noch im Bewusstsein der Öffentlichkeit angekommen“, stellte Lewentz fest. „Hier müssen wir nicht nur technisch Schritt halten, sondern auch in Fragen der Sensibilität im Umgang mit Daten.“