Karlsruhe – Die Besucher des Sinfoniekonzertes des Hochschulorchesters unter der Leitung von Ronald Zollman erwartet ein musikalisch und historisch höchst interessantes Konzert.
Cineasten dürften Gyögy Ligetis „Atmosphères“ kennen, denn der Regisseur Stanley Kubrick hat die Musik als Klangkulisse für ein fahrendes Raumschiff in seinem Kultfilm 2001 – Odyssee im Weltraum eingesetzt. Auf das Vorspiel zum 1. Akt von Richard Wagners „Lohengrin“ folgen dessen Wesendonck-Lieder, die auf Gedichte von Mathilde Wesendonck zurückgehen und allerlei Gerede über eine Affäre des Komponisten auslösten. Es singt Flurina Stucki, die Operettenfreunden als Rosalinde aus der umjubelten Fledermaus-Produktion der Hochschule vertraut ist. Liszts „Orpheus“ war für Glucks „Orpheus und Eurydike“ gedacht. „Der wunderbare Mandarin“ von Béla Bartók löste bei der Uraufführung einen Entrüstungssturm aus. Konrad Adenauer, damals Oberbürgermeister von Köln, verbot deshalb das expressive Stück, ohne es selbst gesehen zu haben.
Gyögy Ligeti (1923-2006) Atmosphères (1961)
Richard Wagner (1813-1883) Lohengrin Vorspiel 1. Akt (1845-48)
Richard Wagner (1813-1883) Wesendonck-Lieder (1858)
Franz Liszt (18111-1886) Orpheus (1854)
Béla Bartók (1881-1945) Der wunderbare Mandarin (1918-19)
Flurina Stucki, Sopran
Orchester der Hochschule für Musik Karlsruhe
Dirigent: Ronald Zollman
Gyögy Ligeti (1923-2006) Atmosphères
Ligetis kompositorische Idee für Atmosphères war „die Überwindung des strukturellen kompositorischen Denkens“. Das Resultat wird als Phänomen des akustischen Stehens oder als die Illusion der in sich bewegten Flächen beschrieben, erzeugt durch eine im Detail beim Hören nicht nachvollziehbare Bewegung des bis zu 54stimmigen Satzes. Die Mikropolyphonie hatte der Komponist bis ins kleinste Detail ausgearbeitet. Berühmt wurde Atmosphères auch dadurch, dass der Filmregisseur Stanley Kubrick die Musik als Klangkulisse für ein fahrendes Raumschiff in seinem Kultfilm 2001 – Odyssee im Weltraum einsetzte. Die Struktur von Atmosphéres, so erklärte Ligeti einmal in einem Interview, stehe im Zusammenhang mit Bildern aus einem seiner frühesten Träume: sein Kinderzimmer sei von riesigen Spinnennetzen durchzogen gewesen, in den sich gespenstische Insekten verfingen, wodurch sich die Netzte immer weiter verheddert hätten.
Richard Wagner (1813-1883) Lohengrin Vorspiel 1. Akt
Im „Lohengrin“ Vorspiel schließt sich langsam eine Blase, die vier Stunden lang wunderschön schillert, bis sie platzt, weil jemand die falsche Frage gestellt hat.
Richard Wagner (1813-1883) Wesendonck-Lieder (1858) Die Lieder komponierte Wagner zwischen Herbst 1857 und Sommer 1858 jeweils unmittelbar nach der Abfassung der Gedichte von Mathilde Wesendonck meist an einem Tag und zwar für Sopran und Klavier (WWV 91). Instrumentiert wurden sie erst später von Felix Mottl. Das Vorbild für die Orchesterfassung lieferte Wagner selbst, indem er das Lied “Träume“ für acht Instrumente setzte. Diese Fassung brachte er Mathilde am Morgen ihres 29. Geburtstages (23.12.1857) als Überraschungsständchen im Treppenhaus der Villa Wesendonck dar. Der Hausherr befand sich auf Geschäftsreise. In der Züricher Gesellschaft löste dies allerhand Gerede aus.
Franz Liszt (18111-1886) Orpheus (1854)
Anlass für Liszts „Orpheus“ war die Weimarer Erstaufführung von Glucks „Orpheus und Eurydike“ 1854. Liszt, der zu der Zeit Operndirektor war, komponierte dazu ein Vor- und ein Nachspiel. Die Ouvertüre hat er später als 4. Sinfonische Dichtung veröffentlicht.
Béla Bartók (1881-1945) Der wunderbare Mandarin „Als bei der Uraufführung der einaktigen Pantomime „Der wunderbare Mandarin“ von Melchior Lengyel, Musik Béla Bartók, am Samstagabend der Vorhang fiel, brach in dem stark besetzten Haus ein Entrüstungssturm los, wie ihn das Kölner Opernhaus noch nicht erlebt hat. Minutenlang dauerte das Zischen, Pfeifen und Pfuirufen an, verstärkte sich, als nackte Frauenarme aus einer Loge des linken Balkons dem Dirnenstück demonstrativen Beifall zu klatschen wagten, und erreichte seinen Höhepunkt, als der anwesenden Komponist vor dem Vorhang sich zeigte. Eine Zischwoge einhelliger Entrüstung empfing ihn und scheuchte ihn wieder zurück.“ Kölner Volkszeitung vom 29. November 1926. Ein Protestschreiben an die Intendanz folgte: „Abonnenten des Opernhauses legen gegen den Spielplan schärfsten Einspruch ein. Wenn Herr Szenkar als geborener ungarischer Jude nur ausländische Componisten duldet, so kehre er in seine Heimat zurück. Wir sind hier in einer deutschen Stadt und verlangen deutsche Opernwerke.“ Der Dirigent und Generalmusikdirektor Szenkár wurde ins Amt des Kölner Oberbürgermeisters zu Konrad Adenauer zitiert: „Dr. Adenauer empfing mich kühl und reserviert, platzte aber sogleich mit der Sprache heraus, machte mir die bittersten Vorwürfe, wie es mir eingefallen wäre, so ein Schmutzwerk aufzuführen, und forderte die sofortige Absetzung des Werks! Ich versuchte, ihn von seinem Irrtum zu überzeugen; Bartók sei unser größter zeitgenössischer Komponist, man möge sich nicht vor der musikalischen Welt lächerlich machen! Doch er beharrte auf seinem Standpunkt, das Stück musste vom Spielplan verschwinden.“ Konrad Adenauer selber hat die Uraufführung nicht gesehen. Die katholischen Zentrumspartei, der auch Adenauer angehörte, hatte in der Stadtverordneten-Versammlung einen Antrag gestellt, den Mandarin vom Spielplan abzusetzen.
Freitag | 8. Juni 2018 | 19.30 Uhr | CampusOne – Schloss Gottesaue | Wolfgang-Rihm-Forum