Frankfurt am Main / Darmstadt – In dem Strafverfahren gegen den 29 Jahre alten deutschen Oberleutnant der Bundeswehr Franco A. hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) entschieden, das Hauptverfahren nicht vor dem Staatsschutzsenat zu eröffnen. Es fehle ein hinreichender Tatverdacht für die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat. Wegen der weiteren, nicht in die Zuständigkeit des OLG fallenden Anklagepunkte wurde das Verfahren vor dem Landgericht Darmstadt eröffnet.
Der Generalbundesanwalt hatte im Dezember 2017 Anklage gegen Franco A wegen der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat im Sinne von § 89a StGB sowie Verstößen gegen das Waffengesetz, das Kriegswaffenkontrollgesetz und das Sprengstoffgesetz, des Diebstahls und des Betrugs erhoben. Dem Angeklagten wird vorgeworfen, einen Anschlag möglicherweise auf den vormaligen Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz Heiko Maas, die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages Claudia Roth oder eine Menschenrechtsaktivistin vorbereitet zu haben. Zu diesem Zweck soll er sich u.a. eine Pistole verschafft haben, die er am 22.1.2017 in einer Toilettenanlage im Flughafen Wien Schwechat versteckt haben soll. Zudem soll er Munition und Sprengkörper sowie Waffenzubehör aus Beständen der Bundeswehr an sich genommen und unerlaubt zwei weitere Gewehre sowie eine weitere Pistole besessen haben.
Darüber hinaus wird Franco A. vorgeworfen, sich eine Identität als syrischer Flüchtling verschafft zu haben, um bei den späteren Ermittlungen nach dem Täter den Verdacht auf in Deutschland erfasste Asylbewerber zu lenken. Schließlich soll er in betrügerischer Absicht als angeblicher Flüchtling Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und dem Sozialgesetzbuch beantragt und erhalten haben. Der Angeklagte hatte im Dezember 2016 als angeblicher Flüchtling aus Syrien das Asylverfahren durchlaufen und den subsidiären Schutzstatus erlangt.
Franco A. war am 3.2.2017 bei dem Versuch, die Pistole aus dem Versteck im Flughafen Wien Schwechat zu entnehmen, festgenommen und am 4.2.2017 wieder freigelassen worden. Nach einer erneuten Festnahme befand er sich vom 26.4.2017 bis zur Aufhebung des Haftbefehls durch den BGH wegen fehlenden dringenden Tatverdachts am 29.11.2017 in Untersuchungshaft.
Nach Eingang der Anklage am 4.12.2017 hat der 5. Strafsenat (Staatsschutzsenat) mit Beschlüssen vom 9.1., 18.1. und 27.3.2018 weitere Beweiserhebungen durch das Bundeskriminalamt angeordnet. Unter Würdigung dieser seit Mai 2018 vollständig vorliegenden Ergebnisse sowie aller weiteren Beweismittel, insbesondere auch der in Audiodateien festgehaltenen mündlichen Äußerungen des Angeklagten und seiner Aufzeichnungen, ist das OLG mit heute veröffentlichtem Beschluss zu der Überzeugung gelangt, dass kein hinreichender Tatverdacht für die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (§ 89a StGB) bestehe.
Zur Begründung bezieht sich das OLG auf die hohen Anforderungen des Bundesgerichtshofs an die Verurteilung wegen der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat. Der Tatbestand sei einschränkend auszulegen; der Täter müsse bei der Vornahme der Vorbereitungshandlungen bereits fest zur Begehung der schweren staatsgefährdenden Gewalttat entschlossen gewesen sein. Hier sei es zwar überwiegend wahrscheinlich, dass der Angeschuldigte sich die beiden Pistolen und die beiden Gewehre sowie 51 Sprengkörper beschaffte und diese aufbewahrte. Es sei jedoch nicht überwiegend wahrscheinlich, dass er dabei bereits den festen Entschluss hatte, eine schwere staatsgefährdende Gewalttat zu begehen.
Es sprächen zwar einerseits mehrere Umstände für einen festen Tatentschluss des Angeklagten. Einiges deute sogar darauf hin, dass er diese Tat schon hinsichtlich Tatort, Tatmittel und Tatopfer konkretisiert hatte. So habe der Angeklagte eine nationalistische/völkische und antisemitische Einstellung gehabt, aufgrund derer er das politische System der Bundesrepublik Deutschland ablehnte. Er habe eine politisch wirksame Handlung vornehmen wollen, um die Verhältnisse in Deutschland nach seinen Vorstellungen zu beeinflussen. Dabei habe er nach den Feststellungen des OLG auch die Anwendung von Gewalt einschließlich der Tötung eines hochrangigen Politikers und/oder einer Person des öffentlichen Lebens bzw. einer Menschenrechtsaktivistin ernsthaft in Betracht gezogen. Aus den weiteren Ermittlungen folge etwa, dass er am 22.6.2016 in die nicht öffentlich zugängliche Tiefgarage des Gebäudes eingedrungen sei, in dem die Menschenrechtsaktivistin arbeitete, und mit seinem Mobiltelefon dort geparkte Fahrzeuge fotografierte. Auch habe er sich Zubehör für die Schusswaffen besorgt und mit zwei dieser Waffen nachfolgend auf einen Schießstand geschossen.
Andererseits sei jedoch zu bewerten, dass der Angeklagte die schwere staatsgefährdende Gewalttat weder in der Zeit bis zu seiner Festnahme am Flughafen Wien Schwechat am 3.2.2017 noch nach seiner Entlassung am 4.2.2017 bis zu seiner erneuten Festnahme am 26.4.2017 durchgeführt habe. Dies, obwohl er jedenfalls seit Ende Juli 2016 Waffen und Sprengstoff besessen, mögliche Opfer konkretisiert und mit der Tiefgarage einen denkbaren Tatort ausspioniert habe. Da keine Umstände gegeben gewesen seien, die den Angeklagten objektiv oder zumindest aus seiner Sicht an der Begehung der Tat gehindert hätten, sei es hoch wahrscheinlich, dass der Angeklagte hinsichtlich der für die Begehung der Tat für ihn maßgeblichen Umstände noch nicht fest entschlossen war.
Da auch nicht zu erwarten sei, dass eine Hauptverhandlung insoweit zu weiteren, bislang noch nicht vorliegenden Erkenntnissen führen werde, fehle es an einem hinreichenden Tatverdacht für eine in die Zuständigkeit des OLG fallende Straftat. Die weiteren angeklagten Straftatbestände unterfielen der Zuständigkeit des Landgerichts Darmstadt. Insoweit sei die Anklage zur Hauptverhandlung vor dem Landgericht Darmstadt zuzulassen.
Der Beschluss ist noch nicht rechtskräftig. Der GBA kann innerhalb einer Woche sofortige Beschwerde einlegen, über die der BGH zu entscheiden hätte.
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 7.6.2018, Az. 5 * 2 StE 18/17 * 5a * 1/17
Erläuterungen:
§ 202 StPO Anordnung ergänzender Beweiserhebungen
Bevor das Gericht über die Eröffnung des Hauptverfahrens entscheidet, kann es zur besseren Aufklärung der Sache einzelne Beweiserhebungen anordnen. Der Beschluss ist nicht anfechtbar.
§ 203 StPO Eröffnungsbeschluss
Das Gericht beschließt die Eröffnung des Hauptverfahrens, wenn nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens der Angeschuldigte einer Straftat hinreichend verdächtig erscheint.