Heidelberg: Clemens-Brentano-Preis der Stadt Heidelberg 2018 an Philipp Stadelmaier verliehen

Bürgermeister Dr. Joachim Gerner überreichte Philipp Stadelmaier (rechts) die Urkunde zum Brentano-Preis. (Foto: Philipp Rothe)
Bürgermeister Dr. Joachim Gerner überreichte Philipp Stadelmaier (rechts) die Urkunde zum Brentano-Preis. (Foto: Philipp Rothe)

Heidelberg – Für seinen Essay „Die mittleren Regionen. Über Terror und Meinung“ (Verbrecher Verlag 2016) hat Philipp Stadelmaier den mit 10.000 Euro dotierten Clemens-Brentano-Preis für Literatur der Stadt Heidelberg erhalten. Der Schriftsteller nahm die Auszeichnung am 19. Juli 2018 im Rahmen einer Feierstunde aus den Händen von Kulturbürgermeister Dr. Joachim Gerner im Spiegelsaal des Prinz Carl in Heidelberg entgegen.

Reaktion auf Terror jenseits von Stereotypen

Die Jury hatte die Entscheidung für Stadelmaier im Februar dieses Jahres gefällt. In der Jury-Begründung heißt es: „Provoziert von den Anschlägen auf Charlie Hebdo umkreist Philipp Stadelmaier in seinem Essay ,Die mittleren Regionen‘ das ambivalente Verhältnis von Meinung und Terror, Meinungsfreiheit und Skandalisierung. Die chronologisch geordneten Aufzeichnungen meditieren über unsere Möglichkeit, jenseits von Stereotypen auf Terror zu reagieren. Die Leichtigkeit und Eleganz von Stadelmaiers Prosa verhindert das Einrasten von gängigen Antworten. Das Denken selbst wird hier transparent.“

Öffentlicher Tagebuchschreiber

Laudator Dietmar Dath würdigte Stadelmaiers Analyse der Gesellschaft, die es notwendig mache, ein öffentlicher Tagebuchschreiber zu sein. Nur damit könne er zu einer Weiterentwicklung der Gemein- und Gesellschaften beitragen: „Überall da, wo wir nicht lernen, öffentlich zu denken und zu empfinden, müssen wir mit dem Rückfall in nicht so sehr vorgesellschaftliche als vormenschliche Zustände rechnen, in Hordenkriege, die schon Affen um Gebietsgrenzen führen“, sagte Dath.

Kritische Reflexion statt populistischer Vereinfachung

Kulturbürgermeister Dr. Joachim Gerner lobte an Stadelmaiers Werk, dass es mahne, trotz aller Verunsicherung angesichts terroristischer Bedrohung und kaum zu durchschauender globaler Machtgefüge, nicht ohne weiteres vorgefertigte Ansichten frag- und ratlos zu übernehmen. „Statt populistischer Vereinfachung setzt es auf ein Innehalten, auf kritische Reflexion und Selbstreflexion zugunsten des immer neuen Versuchs, zu einer eigenen Meinung und Haltung zu finden.“

Gerner verwies auf die Besonderheit des Heidelberger Literaturförderpreises, dessen Alleinstellungsmerkmal es sei, dass in der Jury professionelle Literaturkritiker und Studierende des Germanistischen Seminars der Universität Heidelberg auf Augenhöhe als gleichberechtigte Mitglieder miteinander diskutierten. In diesem Sinne fördere der Preis nicht nur die Autorinnen und Autoren.

Hintergrund:

Der Preisträger: Philipp Stadelmaier, geboren 1984 in Stuttgart, studierte Komparatistik und Romanistik in Frankfurt am Main. Zurzeit promoviert er im Bereich Filmwissenschaften in Frankfurt und Paris über Jean-Luc Godard und Serge Daney. Seit 2012 schreibt er für die Süddeutsche Zeitung, seit 2015 für das Filmbulletin. Seine Essays erschienen unter anderem in der deutschen Vogue, auf dem Blog des Merkur und in der Literaturzeitschrift Metamorphosen. Der Tagebuch-Essay „Die mittleren Regionen. Über Terror und Meinung“ hat er nach den Pariser Anschlägen im Januar und November 2015 verfasst. 2017 entstand mit der grotesken Komödie „Vanishing Points“ sein erstes Theaterstück.

Der Clemens-Brentano-Preis der Stadt Heidelberg wird seit 1993 jährlich im Wechsel in den Gattungen Lyrik, Erzählung, Essay und Roman an deutschsprachige Autorinnen und Autoren vergeben, die mit ihren Erstlingswerken bereits die Aufmerksamkeit der Kritiker und des Lesepublikums auf sich gelenkt haben. Deutschlandweit einmalig ist, dass die Jury nicht nur mit professionellen Literaturkritikerinnen und -kritikern, sondern auch mit Studierenden des Germanistischen Seminars der Universität Heidelberg besetzt ist.

Der Jury des Clemens-Brentano-Preises gehören an: die Literaturkritikerin und Kulturjournalistin Claudia Kramatschek, die SWR-Redakteurin Annette Lennartz, der Heidelberger Literaturwissenschaftler und Editionsphilologe Prof. Dr. Roland Reuß, der Leiter des Hauses für Poesie in Berlin Dr. Thomas Wohlfahrt sowie die Germanistik-Studierenden der Universität Heidelberg Franziska Saur, Marcel Kückelhaus und Williams Rothvoss-Buchheimer.

Die bisherigen Preisträgerinnen und Preisträger sind: Jan Snela, Thilo Krause, Saskia Hennig von Lange, Maximilian Probst, Philipp Schönthaler, Alexander Gumz, Wolfgang Herrndorf, Sven Hillenkamp, Andreas Stichmann, Felicia Zeller, Ann Cotten, Clemens Meyer, Stefan Weidner, Anna Katharina Hahn, Raphael Urweider, Andreas Maier, Doron Rabinovici, Sabine Peters, Hendrik Rost, Oswald Egger, Norbert Niemann, Benjamin Korn, Daniel Zahno, Jörg Schieke, Barbara Köhler, Gabriele Kögl und Günter Coufal.