Darmstadt – Nur zwanzig Prozent aller Altenpflegeheime bundesweit haben eine tarifliche Bindung. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn will das ändern und regelhaft zu einer Tarifbezahlung kommen – die Emilia Seniorenresidenz, zu der die Alten- und Pflegeeinrichtung Emilstraße und der Pflege- und Wohnbereich Lilienpalais gehören – zahlt schon immer Tarif.
„Die besondere Herausforderung dabei ist, trotz der höheren Personalkosten die Preise für den Heimplatz für die Menschen bezahlbar zu halten, denn die Pflegeversicherung ist im Unterschied zum Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung nur eine Teilkasko-Versicherung. Die Pflegeversicherung übernimmt einen festgelegten Betrag pro Pflegegrad für die allgemeinen Pflegeleistungen, die restlichen Kosten müssen die Bewohnerinnen und Bewohner selbst tragen“, erläutert Einrichtungsleiterin Patricia Roßbach-Jauernik. „Wir arbeiten als kommunales Unternehmen nicht gewinnorientiert, die Erlöse werden eins zu eins in die Kosten zurückgeführt und jeder Euro zweimal umgedreht. Nur so ist es möglich, die hohen Personalkosten zu finanzieren und trotzdem nicht im defizitären Bereich zu arbeiten und zugleich eine hohe Versorgungsqualität anzubieten.“
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Emilstraße und im Lilienpalais werden nach dem Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes vergütet – inklusive der zusätzlichen Altersversorgung in der Zusatzversorgungskasse ZVK; die Emilia Seniorenresidenz GmbH ist Mitglied im kommunalen Arbeitgeberverband. Damit steht die Emilia Seniorenresidenz mit an der Spitze der zu erreichenden Vergütung in den Pflegeeinrichtungen in Deutschland. Auch Pflegehilfskräfte erhalten im TVöD ein Gehalt von über 2.800 € in der höchsten Stufe ihrer Vergütungsgruppe, bei einem Einstiegsgehalt im ersten Jahr der Beschäftigung von über 2.100 €, teilt Roßbach-Jauernik mit. Examinierte Pflegekräfte liegen im Durchschnitt je nach Beschäftigungsjahren über 3.000 €; sobald sie zusätzliche Verantwortung in der Führung eines Wohnbereiches übernehmen, steigt die Vergütung entsprechend weiter, so teilt sie weiter mit.
„In der durchschnittlichen Entwicklung stiegen die tariflichen Monatsgehälter im Gesundheitswesen, also auch in tariflich gebundenen Pflegeinrichtungen, von 2010 bis 2016 um 14,9 % an (Quelle: DESTATIS, Statistisches Bundesamt, Tarifstatistiken, 2017). Als Tochterunternehmen der Klinikum Darmstadt GmbH sind wir stolz darauf, es trotz schwieriger Rahmenbedingungen zu schaffen, wirtschaftlich zu arbeiten und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine attraktive Bezahlung für ihre anspruchsvolle Tätigkeit bieten zu können. Dass dieser Weg richtig ist, zeigt uns die Zufriedenheit unserer Bewohnerinnen und Bewohner und die Tatsache, dass wir keine freien Stellen für Altenpflegekräfte derzeit haben und im Falle eines Ausscheidens die Stelle stets schnell nachbesetzen können.“
In den beiden Alten- und Pflegeheimen bietet die Emilia Seniorenresidenz knapp 200 Betten. Das Unternehmen hat einen Umsatz von knapp 8 Millionen Euro im Jahr und eine Belegungsquote von rund 98 Prozent. 131 Menschen kümmern sich um die Bewohnerinnen und Bewohner, davon sind 92 Personen im Pflegedienst beschäftigt – und davon sind 51 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Besitz eines Pflegeexamens.
Hintergrund:
Der Mangel an Pflegekräften, der sich in den Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen immer weiter verschärft, ist ein brisantes Thema und seit Monaten in allen Medien und in der Gesellschaft nachhaltig in der Diskussion. Eine Möglichkeit, den Pflegeberuf attraktiver zu machen, sieht das Bundesgesundheitsministerium aktuell in der Bindung von Pflegeeinrichtungen an Tarifverträge. Auch die Verbände der gesetzlichen Krankenversicherungen sind der Ansicht, dass „gute Pflege auch gut bezahlt werden sollte“.
Rund 80 % der Pflegeeinrichtungen sind zwischenzeitlich nicht mehr tarifgebunden und werden privat-wirtschaftlich betrieben. Die Vergütungen in diesem Bereich sind individuell geregelt, es gilt ein Pflegemindestlohn mit derzeit 10,55 € pro Stunde.
Neben kirchlichen und einigen wenigen staatlichen Heimen gibt es zahlreiche private Pflegeunternehmen: auch Konzerne und große Investoren, die mitunter zweistellige Renditen erzielen. 2015 belief sich der Umsatz in der Pflegebranche auf 47 Milliarden Euro, 2030 sollen es bereits 85 Milliarden sein.
13.000 Stellen will der neue Gesundheitsminister Jens Spahn allein für die Altenheime schaffen und von den Krankenkassen bezahlen lassen – dafür wird der Satz der Pflegeversicherung steigen. Ungeklärt ist, wo die Pflegekräfte herkommen sollen, weil jetzt schon 35.000 qualifizierte Pflegekräfte in Altenheimen und Krankenhäusern fehlen. 171 Tage dauerte die Wiederbesetzung einer Altenpflegestelle in Deutschland im Jahr 2017 (Quelle: Roland Berger)