Koblenz / Mainz – Der Kartellsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat in einem heute verkündeten Urteil entschieden, dass die Mainzer Wasserpreise für Endverbraucher in den Jahren 2010 bis 2012 zu hoch waren und der Kläger deshalb einen Teil der von ihm gezahlten Entgelte zurückverlangen kann.
Der Kläger, ein Rechtsanwalt, bezog für sein Anwesen in einem Mainzer Stadtteil Trinkwasser von dem zuständigen Mainzer Wasserversorgungsunternehmen. Bis zum 31. Oktober 2011 war dies die Beklagte zu 2., ab dem 1. November 2011 die Beklagte zu 1.
Das Bundeskartellamt hatte bereits im Jahr 2003 die Mainzer Wasserpreise auf der Grundlage von Vorschriften des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) im Hinblick auf eine missbräuchliche Preisüberhöhung überprüft. Die damals zuständige Beklagte zu 2. hatte daraufhin den Wassergrundpreis abgesenkt und mit dem Bundeskartellamt eine Vereinbarung zur Einhaltung von Preisstabilität bis zum 31. Dezember 2009 getroffen. Die Wasserpreise blieben auch in den Folgejahren ab 2010 unverändert.
Ende des Jahres 2011 leitete das Bundeskartellamt im Hinblick auf zwischenzeitlich ergangene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erneut ein Missbrauchsverfahren wegen überhöhter Wasserpreise ein. Der Verdacht überhöhter Wasserpreise für die Zeit nach dem 1. Januar 2010 ergab sich aus Ermittlungsergebnissen in einem Wasserpreisverfahren gegen die Berliner Wasserbetriebe. In diesem Rahmen hatte das Bundeskartellamt Datenmaterial zu den 38 größten deutschen Städten (alle mit über 200.000 Einwohnern) gewonnen. Die Wasserpreise in Mainz waren nicht Gegenstand dieser Überprüfung, weil die Stadt Mainz im Größenvergleich erst an 39. Stelle liegt. Die abgabenbereinigten Nettopreise im Bereich der Stadt Mainz lagen nach den Ermittlungen des Bundeskartellamts erheblich über dem Durchschnitt der Wasserpreise (Erlöse) in den 38 größten Städten Deutschlands sowie noch deutlicher über dem Durchschnitt aller westdeutschen Städte (ohne Berlin) mit mehr als 200.000 Einwohnern.
Im Ergebnis verpflichtete sich die Beklagte zu 1. gegenüber dem Bundeskartellamt, ihre Preise mit Wirkung zum 1. Januar 2013 befristet bis zum 31. Dezember 2019 um ca. 15 % bezogen auf den abgabenbereinigten Durchschnittserlös aus dem Jahr 2010 zu senken. Im Hinblick auf diese Verpflichtungszusage stellte das Bundeskartellamt das Preismissbrauchsverfahren ein, ohne weitergehende Ermittlungen betreffend die Berechtigung der Mainzer Wasserpreise angestellt zu haben.
Mit seiner Klage hat der Kläger im Wege des Schadensersatzes von den Beklagten – zeitlich gestaffelt nach ihrer Zuständigkeit für die Wasserversorgung – die Rückzahlung vermeintlich zu viel gezahlter Rechnungsbeträge für die Zeit vom 1. Januar 2011 bis zum 31. Dezember 2012 verlangt. Als bezifferten Mindestschaden hat er einen Betrag von 127,76 € geltend gemacht; allerdings hält er einen weitergehenden Schadensersatzanspruch für gerechtfertigt. Daneben hat der Kläger ein nach seiner Auffassung für die Preisgestaltung verantwortliches Vorstandsmitglied der Beklagten zu 2. in Anspruch genommen. Darüber hinaus hat der Kläger im Wege der Stufenklage von der Beklagten zu 2. zunächst Auskunft darüber begehrt, welche Mengen an Trinkwasser ihm in der Zeit vom 1. Januar 2005 bis 31. Dezember 2010 geliefert wurden und welche Rechnungen hierfür gestellt wurden, weil er über diese Rechnungen nicht mehr verfüge. Den Auskunftsantrag hat der Kläger im Hinblick auf einen möglichen weitergehenden Schadensersatzanspruch für die Jahre 2005 bis 2010 gestellt. Der Kläger hat sich zum einen auf die vorgenannte Abweichung von dem vom Bundeskartellamt ermittelten Durchschnittspreis gestützt; zum anderen hat er mehrere einzelne, nach seiner Auffassung mit dem Mainzer Versorgungsgebiet vergleichbare Städte benannt, deren Preise nach der Darstellung des Klägers ebenfalls deutlich niedriger lägen, ohne dass hierfür ein sachlicher Grund gegeben sei. Die Beklagten vertreten die Auffassung, dass die Mainzer Wasserpreise nicht missbräuchlich überhöht gewesen seien.
Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass der Kläger eine missbräuchliche Preisgestaltung nicht hinreichend dargelegt habe. Der vom Bundeskartellamt angestellte Preisvergleich sei keine hinreichende Grundlage für die Feststellung eines überhöhten Preises; hinsichtlich der von ihm konkret benannten Wasserversorgungsunternehmen habe der Kläger eine Vergleichbarkeit nicht hinreichend dargetan.
Auf die Berufung des Klägers hat der Kartellsenat des Oberlandesgerichts Koblenz das Urteil des Landgerichts teilweise abgeändert und dem Kläger einen Schadensersatz für die Jahre 2011 und 2012 in Höhe von insgesamt 99,33 € nebst Zinsen zugesprochen. Darüber hinaus muss die Beklagte zu 2. dem Kläger Auskunft betreffend das Verbrauchsjahr 2010 erteilen. Hinsichtlich der weitergehenden Klage hat der Senat die Berufung zurückgewiesen.
Zur Begründung hat der Senat ausgeführt:
Die Beklagten hätten als jeweils einziges Unternehmen der Wasserversorgung im Raum Mainz in der Zeit ihrer jeweiligen Zuständigkeit eine marktbeherrschende Stellung im Sinne des § 19 GWB (in der bis zum 29. Juni 2013 geltenden, hier noch anzuwendenden Fassung) gehabt. Dem Kläger stehe ein Schadensersatzanspruch gemäß §§ 33 Abs. 3 Satz 1, Abs. 1 Satz 1, 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB (alte Fassung) zu, weil die Beklagten ihre marktbeherrschende Stellung missbraucht hätten, indem sie Entgelte gefordert hätten, die von denjenigen abweichen, die sich bei wirksamen Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würden. Dies ergebe sich aus der Vergleichsmarktbetrachtung anhand des Durchschnitts der abgabenbereinigten Nettopreise der 38 größten Städte Deutschlands. Im Jahr 2010 hätten die Preise in Mainz rund 24 % über diesem Durchschnittspreis gelegen. Die Beklagten hätten nicht hinreichend dargelegt, aus welchen Gründen ihre verlangten – höheren – Wasserpreise sachlich gerechtfertigt seien. Im Hinblick auf bestehende Unsicherheiten bei der Frage der Vergleichbarkeit der Preise der Stadt Mainz mit dem Vergleichspreis, der lediglich einen Durchschnittswert darstellt, hat der Senat einen erheblichen Sicherheitszuschlag auf den Vergleichspreis vorgenommen. Grundlage der Schadensberechnung ist danach nur die Preissenkung von 15 %, zu der sich die Beklagte zu 1. mit Wirkung ab dem Jahr 2013 verpflichtet hat. Auf den sich hieraus ergebenden Schadensbetrag hat der Senat einen weiteren Sicherheitsabschlag von 15 % vorgenommen.
Die alternative Vergleichsberechnung des Klägers anhand bestimmter Städte hat der Senat in Übereinstimmung mit dem Landgericht nicht als hinreichend aussagekräftig angesehen. Der Senat hat auch verschiedene Anträge des Klägers auf Beiziehung von Akten des Bundeskartellamts abgelehnt, die darauf gerichtet waren, dem Kläger weitere Erkenntnisgrundlagen für ergänzenden Vortrag zu verschaffen.
Der Senat hat die Revision zum Bundesgerichtshof nicht zugelassen.