Kaiserslautern – Mutig der Wahrheit zu ihrem Recht verhelfen: Die Botschaft der Unionsurkunde von 1818 ist nach den Worten des ehemaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck heute so aktuell wie damals. Im Festakt zum Jubiläum „200 Jahre Pfälzer Kirchenunion“ am Sonntag in Kaiserslautern appellierte Gauck an die Gesellschaft, das als richtig Erkannte entschlossen zu vertreten, Verantwortung zu übernehmen und die Demokratie zu schützen.
„Die ‚wohlgeprüfte Wahrheit‘, die uns in der Urkunde von 1818 als Glaubenswahrheit begegnet, kann uns heute nicht nur in unserem Glauben leiten und stärken, sondern uns auch im Politischen Orientierung sein“, sagte Gauck in seinem Festvortrag. Wahrheit brauche Fürsprecher, die sich nicht abschrecken ließen, „weder von Widrigkeiten, noch von der Unwahrheit und der Frechheit, mit der sie manchmal vorgetragen wird“.
Gauck, selbst Theologe und ehemals Leiter der Behörde, die im vereinten Deutschland die Akten des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit geöffnet und aufgearbeitet hatte, habe stets seine Verwurzelung im christlichen Glauben offen und öffentlich bekundet. Dieser Glaube sei es, der Gauck als einen „Liebhaber der Freiheit“ immer wieder zu praktischem Handeln und Reden antreibe, sagte Kirchenpräsident Christian Schad in seiner Begrüßung der rund 600 Gäste aus Politik, Kirche und Gesellschaft – unter ihnen der stellvertretende Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, Staatsminister Volker Wissing, der Speyerer Bischof und Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland, Karl-Heinz Wiesemann, sowie eine Delegation der englischen Partnerkirche, der United Reformed Church.
Das Jubiläum der 200. Wiederkehr der Pfälzer Kirchenunion sei eine wichtige historische Wegmarke auch über die Region hinaus, führte Joachim Gauck in seinem Vortrag aus. Die Kirchenunion habe nicht nur eine echte presbyterial-synodale Basiskirche geschaffen, sondern gelte damit auch als Baustein der deutschen Demokratiegeschichte. „Die Wahrheit entfaltet eben nicht nur in Glaubensfragen eine bedeutende Wirkung, sondern auch gesamtgesellschaftlich.“ In Deutschland habe sich der christliche Glaube sehr stark mit der Aufklärung und der Vernunft verbunden. Gleichzeit sei die Gesellschaft vielfältiger geworden. Unterschiede bei Glaube und Traditionen bedeuteten Bereicherung und Inspiration. Abstriche bei den grundgesetzlich garantierten Freiheiten dürften jedoch nicht hingenommen werden.
Mit der Zerstörung des Glaubens an eine überprüfbare Wahrheit werde die Tür zur Verbreitung der Unwahrheit geöffnet, sogar der offenkundigen und beweisbaren Lüge, um die eigenen politischen Ziele durchzusetzen. Aus dem Zusammenhang gerissene oder gefälschte Bilder, Gerüchte, Halbwahrheiten oder Volllügen entfalteten mitunter mehr und schnellere Wirkung als das, was auf der Basis ‚wohlgeprüfter Wahrheit‘ wahrgenommen werde, sagte der Festredner mit Blick auf aktuelle Ereignisse. Es sei mutig, sich denen gegenüber zu stellen, die, wie in Chemnitz, „Ressentiments und Wut, Hass und pure Aggressivität“ in die verunsicherten Stadtgesellschaften trügen. „Für engagierte Demokraten bleibt als einzige Möglichkeit die strikte Abgrenzung. Jeder Einzelne muss sich fragen, mit wem er sich gemeinmachen will, wenn er seine Meinung öffentlich artikuliert.“
Kirchenpräsident Christian Schad erinnerte daran, dass 1818 in Kaiserslautern, der Gründungsstadt der Vereinigten Protestantisch-Evangelisch-Christlichen Kirche, „nichts Geringeres geschehen ist, als dass nach 300 Jahren die Trennung der reformatorischen Konfessionsparteien beendet wurde“. Dies verstehe die Evangelische Kirche der Pfalz heute als Auftrag, Brücken zu bauen und sich für Freiheit und Frieden einzusetzen. „Dies nicht konfessionalistisch verengt, sondern über nationale Grenzen hinweg mit unseren Partnern in Europa und in der weltweiten Ökumene. Als Unionskirche wollen wir unseren ganz spezifischen Beitrag dazu leisten, dass vorhandene Spaltungen überwunden werden können.“
Der Festakt im Großen Haus des Pfalztheaters Kaiserslautern war Höhepunkt und Abschluss des Festwochenendes, mit dem die Evangelische Kirche der Pfalz in Kaiserslautern ihren 200. Geburtstag feierte. Im Rahmenprogramm setzte der Schauspieler Stephan Wriecz mit Auszügen aus dem Theatermonlog „Verdrehte Gebete“ von Michael Bauer Reformations- und Unionsgeschichte in Szene, das Homburger Vokalensemble unter der Leitung von Carola Ulrich und das Pfälzische Blechbläserensemble unter der Leitung von Landesposaunenwart Christian Syperek gestalteten die von der Journalistin Bettina Blum moderierte Veranstaltung musikalisch.
1818 vereinigten sich in Kaiserslautern die bis dahin getrennten reformierten und lutherischen Gemeinden der Pfalz zu einer gemeinsamen Kirche. Die Pfälzer Kirchenunion entstand, weil die Gemeinden es wollten, sie war eine Basisbewegung. Dies feierte die Evangelische Kirche der Pfalz mit einem Festwochenende vom 7. bis 9. September an den historischen Schauplätzen in Kaiserslautern.