Heidelberg – Mentaltrainer Kieran Lees über seine Arbeit mit dem Nationalteam In der Vorbereitung auf das Repechage-Turnier vom 11. bis zum 23. November 2018 in Marseille (FRA), wo es für das deutsche 15er-Rugbynationalteam um die erstmalige Qualifikation zum Rugby World Cup geht, wird wirklich in jedem Bereich hart gearbeitet.
Mit dem Engländer Kieran Lees wurde auch ein erfahrener Mentaltrainer geholt, um auch in diesem Bereich mit den Spielern zu arbeiten. Im Interview erklärt er, wie diese Zusammenarbeit aussieht, was er damit erreichen kann und wie er die Chancen des deutschen Teams einschätzt.
Kieran Lees, Sie gehören derzeit als Mentaltrainer zum Staff des deutschen 15er-Rugbynationalteams. Vielleicht können Sie uns mal etwas zu Ihrem Hintergrund sagen?
Nach meiner Zeit als Navy-Offizier und in der Wirtschaft habe ich mich in den letzten zehn Jahren darauf spezialisiert, Organisationen zu beraten, wie man Teams und Führungskräfte sowie organisatorische Ziele, Strukturen und Prozesse entwickelt. Ich habe zwei Master in Forschungsmethoden und ich promoviere im Bereich Teamship – die Grundlagen für Teamzusammenhalt in High Performing Teams unter extremen Bedingungen. Rugby gespielt habe ich übrigens auch – 20 Jahre auf Amateurniveau in England.
Wie sind Sie als Psychologe zum Team gestoßen?
Ich bin eigentlich nicht als klassischer Sportpsychologe engagiert. Ich bin eher ein Experte in Teamarbeit, Führung, persönlicher Motivation und Organisation. Ich wurde gebeten, diese Prinzipien, Theorien und Techniken auf dieses Team anzuwenden, um die individuelle sowie mannschaftliche Leistungsverbesserung zu beschleunigen.
Mentales Training im Sport ist schon lange ein Thema. Welche Aufgaben haben Sie konkret?
Ich unterstütze den Trainer bei der Identifizierung von möglichen Problemen und Themen, die sich auf die individuelle mentale Vorbereitung oder die kollektive Bereitschaft auswirken können. Ich biete Trainern und Spielern an, Probleme zu diskutieren, die ihre Vorbereitung beeinflussen, und den Fokus und den Glauben jedes Einzelnen zu erhöhen.
Was glauben Sie, wie groß kann Ihr Einfluss sein?
Weltklasse-Athleten bereiten sich auf drei Ebenen vor: körperlich, spieltechnisch und mental. Im Rugby wird der mentale Bereich oft noch ignoriert. Indem wir diesen Fokus auf das deutsche Team projizieren, sind wir, der Trainer und ich, der Meinung, dass wir pro Spiel sieben bis 14 Punkte hinzufügen können (verhindert oder selbst erzielt), nur weil wir mentale Stärke in unsere Planung und Vorbereitung einbringen. Tatsächlich könnten die Auswirkungen viel höher sein.
Sind die Spieler Ihnen gegenüber aufgeschlossen? Wie nehmen sie das Angebot an?
Die Spieler waren sehr enthusiastisch und beschäftigen sich intensiv mit diesem neuen Ansatz. Sie sind fest entschlossen zu gewinnen, und wer schon professionell gearbeitet hat, ist sich auch der Vorteile bewusst, die eine Kombination von klassischer sportlicher Vorbereitung mit mentalen Aspekten mit sich bringt. Wir sehen bereits sehr positive Veränderungen in Bezug auf Fokus, Zusammenarbeit, Unterstützung und Leistung auf dem Platz. Und wenn die Spieler diese Ergebnisse ihres Engagements selbst sehen, sind sie noch aktiver und engagierter in ihrer mentalen Vorbereitung. Viele Spieler und Trainer wenden sich an mich, um über Aspekte wie Motivation, Ängste oder Konzentration zu diskutieren oder nach Techniken zu fragen, die dabei helfen können.
Wie kann man sich die Zusammenarbeit vorstellen? Legen sich die Jungs auf die Couch?
Nein, das wird in formellen oder informellen persönlichen Gesprächen auf dem Platz oder in Besprechungsräumen gemacht. Entweder der Spieler selbst spricht ein Thema an, oder ich stelle eine Gesprächsstruktur zusammen mit der Perspektive auf Themen wie persönliche Motivation, Gruppendynamik, Erfolgsblockierer oder ähnliches.
Was wird aus Ihrer Sicht wichtiger sein. Die mentale Arbeit im Vorfeld oder die Betreuung während des Turniers?
Beides, aber mit unterschiedlichem Fokus. Wenn wir die Arbeit jetzt nicht machen, können wir nicht davon profitieren. Aber das Turnier selbst wird neue Probleme aufzeigen – wie Verletzungen, Leistungsschwankungen, Heimweh, Angst usw. Auch diese müssen identifiziert und an ihnen gearbeitet werden.
Was kann die Größe der Herausforderung bzw. des Ziels im Kopf eines Spielers auslösen?
Absolut, und das ist sehr unterschiedlich für jede Person. Einige können durch so einen Anlass gelähmt werden, andere sind befreit und inspiriert. Meine Aufgabe ist es, diese Gefühle zu erkennen und die Jungs dabei zu unterstützen, das so zu kanalisieren, dass am Ende Nerven und Adrenalin aktiviert und nicht hinderlich sind.
Coach Mike Ford sagte: Das DRV-Team werde beim Repechage-Turnier das hungrigste sein. Ist das auch Ihr Eindruck?
Ich bin sicher, dass auch die Gegner sehr hungrig sein werden. Aber unsere Spieler haben einen starken und unglaublichen Geist entwickelt. Die Spieler werden fokussiert und entschlossen sein. Wir lieben die Tatsache, dass wir die Außenseiter sind. Die anderen Teams werden schockiert sein, wie hungrig, entschlossen, mutig und bereit wir sind, füreinander zu kämpfen. Wie der ehemalige neuseeländische Trainer John Hart sagte: „Teamgeist ist wichtiger als pures Talent“. Wir werden den stärksten Teamgeist haben, und wir werden den auch zu nutzen wissen. Deshalb werden wir auch gewinnen.